European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0200DS00008.17G.1114.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung (b./) und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (a./) schuldig erkannt und zu einer Geldbuße in der Höhe von 3.000 Euro verurteilt.
Danach hat er als rechtsfreundlicher Vertreter in einem Strafverfahren
a./ mit Honorarbekanntgabe vom 14. Februar 2016 für Kommissionen, die er nicht wie verzeichnet verrichtet hatte, (der Höhe nach nicht zustehende) Kosten angeführt und
b./ trotz Freispruchs seines Klienten keinen Antrag auf Ersatz der Verteidigerkosten gemäß § 393a StPO gestellt und darüber auch nicht aufgeklärt.
Der Beschuldigte bekämpft dieses Erkenntnis mit Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 und „9“ StPO) sowie wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe.
Die Mängelrüge (Z 5 3. Fall) zeigt keinen Widerspruch hinsichtlich entscheidender Tatsachen auf. Es ist nämlich für die Annahme eines Disziplinarvergehens ohne Bedeutung, ob eine gar nicht erbrachte Leistung in Rechnung gestellt oder ob für etwa eine Kommission faktisch oder rechtlich nicht zustehendes Honorar begehrt wird (vgl Lehner in Engelhart et al, RAO9 § 1 DSt Rz 22 f).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, verfehlt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit dem Einwand, das zu Schuldspruch Punkt a./ bezeichnete Disziplinarvergehen sei mit Legung der „Kostenbekanntgabe“ vom 14. Februar 2016 keineswegs vollendet gewesen, weil darin „keine zu bezahlende Honorarnote“ erblickt werden könne, den in einem Vergleich des festgestellten Sachverhalts (ES 6; RIS‑Justiz RS0092588; vgl auch Glossierung der vom Rechtsmittelwerber zitierten Entscheidung 11 Bkd 4/95 in AnwBl 1996/6227) mit der maßgeblichen Rechtslage gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810). Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Die „Kostenbekanntgabe“ enthielt mit Ausnahme einer fortlaufenden Nummer alle Angaben gemäß § 11 Abs 1 Z 3 Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl Nr 663/1994, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 13/2014. Die Bezeichnung als Rechnung schreibt das Gesetz nicht vor, einer gesonderten Aufforderung zur Zahlung, um die Fälligkeit des Rechnungsbetrags herbeizuführen, bedarf es nicht.
Die Ausführungen der Berufung wegen Schuld vermögen keine Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu begründen. Dieser hat die Verfahrensergebnisse einer gründlichen Beurteilung und lebensnahen Würdigung unterzogen und logisch‑empirisch unbedenklich dargetan, wie er zu den Feststellungen gelangt ist und aus welchen Gründen er der leugnenden Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten keinen Glauben schenkte (ES 6).
Der Beschuldigte vermag keinen Widerspruch zwischen dem schriftlichen Ersuchen seines Klienten vom 23. Februar 2016 an die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer zur Überprüfung der Honorarnote einerseits und dessen Zeugenaussage bei der Disziplinarverhandlung andererseits (TZ 23 S 7 ff) aufzuzeigen. Soweit er sich auch im Rahmen der Schuldberufung gegen die Beurteilung der „Kostenbekanntgabe“ vom 14. Februar 2006 als Honorarnote wendet, ist er auf die Ausführungen zur Rechtsrüge zu verweisen. Die nach seinen Angaben vorgesehene Verwendung dieser „Kostenbekanntgabe“ als Basis für Verhandlungen über einen allfälligen Nachlass wäre ebenso unzulässig, weil darin nicht zustehende Kosten enthalten waren, weshalb es auf die nachfolgende Gewährung einer entsprechenden Reduktion nicht (mehr) ankommt (vgl RIS‑Justiz RS0120096).
Der Beschuldigte hat am 23. November 2015 einen Antrag an das Landesgericht Linz auf Aktenübersendung gestellt, wofür ihm 20,79 Euro vorgeschrieben wurden (TZ 23 S 5, ES 5). Die Intervention bei Gericht zwecks Akteneinsicht und Aktenkopie ist dann nicht erforderlich, wenn die Übersendung einer Aktenkopie wegen des geringen Aktenumfangs erkennbar kostengünstiger ist (Obermaier, Kostenhandbuch2 [2010], Rz 697). Zutreffend weist die Generalprokuratur darauf hin, dass die Anwendung der TP7 RATG in jedem Fall eine notwendige Intervention als Hauptleistung voraussetzen würde (vgl Thiele, Anwaltskosten3 Tarifpost 7 Rz 2, 16). Der Beschuldigte gesteht selbst zu, dass die von ihm verzeichnete „Anfrage oder Vorsprache“ am Tage der Verrichtung einer Hauptverhandlung in einer anderen Strafsache beim Landesgericht Linz stattfand. Dabei erhielt er die Mitteilung, dass die Aktenkopien antragsgemäß bereits an ihn übersendet worden seien, sodass er nicht mehr in den Gerichtsakt Einsicht nahm (ES 4). Die Verzeichnung einer Kommission TP7 mit der Dauer von einer halben Stunde war daher ebenso unzulässig wie die Verzeichnung von Reisezeit, welche gar nicht angefallen ist; überdies ist Reisezeit nicht nach TP7, sondern nach TP9 Z 4 RATG zu verzeichnen.
Ebenso gesteht der Beschuldigte zu, dass nach der Hauptverhandlung nicht eine Kommission, sondern eine Besprechung in einer nicht mit dem Strafverfahren zusammenhängenden Rechtssache stattgefunden hat. Das Honorar nach TP8 geht dem nach TP7 vor, weil nicht unterschieden wird, ob die Besprechung in der Kanzlei oder außerhalb der Kanzlei erfolgt (Obermaier,Kostenhandbuch2 [2010], Rz 696; vgl Thiele, Anwaltskosten3 Tarifpost 7 Rz 12, Tarifpost 8 Rz 1, 8). Zu TP8 gebührt kein Einheitssatz, Reisezeit ist nicht angefallen und dürfte nicht nach TP7 verrechnet werden.
Die Ausführungen gegen die Feststellung, die Erörterung eines Antrags gemäß § 393a StPO sei nicht erfolgt, vermögen nicht zu überzeugen. In seiner verantwortlichen Stellungnahme TZ 9 der D‑Akten hat sich der Beschuldigte zu diesem Vorwurf einer Stellungnahme enthalten (Bericht des UK TZ 11 S 3 letzter Absatz). Das Rechtsmittel zielt auf die Feststellung ab, der Zeuge habe nach Belehrung auf einen derartigen Antrag verzichtet. Die Begründung dafür, er habe „viel mehr Interesse und Aufmerksamkeit auf den Ausgang des Verfahrens und auf das Gespräch nach der Hauptverhandlung mit der Gegenseite gehabt“, trägt nichts für den Vorwurf diesbezüglich rundweg unterlassener Belehrung aus. Der (überdies erstmals in der Berufungsschrift behauptete – § 49 DSt) ausdrückliche Verzicht erscheint vor dem Hintergrund der im Schreiben dieses Zeugen vom 23. Februar 2016 an die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer gestellten Frage, ob seine Anwaltskosten „vom Kläger übernommen“ werden müssten, wenig plausibel.
Mit seiner Berufung wegen Strafe bekämpft der Disziplinarbeschuldigte die Höhe der verhängten Geldbuße. Die für die Strafbemessung maßgebenden Grundsätze der §§ 32 ff StGB sind auch für das anwaltliche Disziplinarverfahren sinngemäß heranzuziehen (vgl RIS‑Justiz RS0054839). Die Geltendmachung einer Leistung beim Faktum a./ im Wissen, diese habe nicht wie verzeichnet stattgefunden, die Behauptung einer Besprechung als Kommission bei gleichzeitiger Verrechnung eines Erfolgszuschlags trotz fehlenden Zusammenhangs mit dem Strafverfahren und die unberechtigte Geltendmachung von Reisezeiten nach falscher Tarifpost indizieren ebenso wie der gegenständliche Umgang mit dem Rechtsinstitut des § 393a StPO eine jedenfalls gleichgültige Einstellung (§ 32 Abs 2 StGB) zum Kostenrecht. Gemäß § 33 Abs 1 Z 1 StGB stellt es einen Erschwerungsgrund dar, wenn der Täter mehrere strafbare Handlungen (auch wenn sie verschiedener Art waren) begangen hat. Der Disziplinarrat berücksichtigte diesen Erschwerungsgrund ebenso zutreffend wie die bisherige disziplinarrechtliche Unbescholtenheit (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB).
Die Ausmessung der Geldbuße mit 3.000 Euro erweist sich daher im vorliegenden Fall selbst unter Berücksichtigung der Sorgepflichten des Beschuldigten als nicht korrekturbedürftig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.
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