OGH 1Präs2690-3149/15x

OGH1Präs2690-3149/15x17.7.2015

Über die zum AZ 1 Ns 29/15a des Oberlandesgerichts Graz erfolgte Anzeige von Ausgeschlossenheit seines Präsidenten zur Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Richtern des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 7. Juli 2015, GZ 22 HR 107/15d-79, ergeht der

Beschluss

 

Spruch:

Der Präsident des Oberlandesgerichts Graz Dr. S***** ist von der Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Richtern des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 7. Juli 2015, GZ 22 HR 107/15d-79, ausgeschlossen.

Zufolge Ausgeschlossenheit aller anderen Richter des Oberlandesgerichts Graz wird die Entscheidung über Beschwerden in dem zum AZ 10 St 147/15t der Staatsanwaltschaft Graz gegen Alen R***** wegen Verbrechen des Mordes nach §§ 75, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen geführten Ermittlungsverfahren dem Oberlandesgericht Wien übertragen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Präsident des Oberlandesgerichts Graz gründet seine nach § 44 Abs 2 StPO erstatteten Anzeige auf den Umstand, dass durch die den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bildende Tat eine Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts schwer verletzt wurde, was angesichts deren zentraler Stellung im Gefüge des Gerichtshofs besondere persönliche Betroffenheit seiner Person, aber auch sämtlicher anderer Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts ausgelöst habe. Alle bis auf einen urlaubsbedingt abwesenden Richter des Oberlandesgerichts Graz hätten darin gelegene Gründe für ihre Ausgeschlossenheit angezeigt.

Der Präsident des Oberlandesgerichts Graz zeigt damit Gründe auf, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit in Zweifel zu ziehen (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO). Da diese Gründe auch für die anderen (befragten) Richterinnen und Richter dieses Oberlandesgerichts gelten, mithin kein ordentlich besetzter Senat zur Entscheidung über Beschwerden mehr gebildet werden kann, war die Beschwerdezuständigkeit in diesem Ermittlungsverfahren dem Oberlandesgericht Wien zu übertragen.

Die Übertragungskompetenz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs gründet darauf, dass den auf die Entscheidung über Anzeige der Ausgeschlossenheit und Antrag auf Ablehnung bezogenen Vorschriften der StPO, nicht anders als dieser insgesamt (vgl 12 Ns 30/10y), die Annahme einer hierarchischen Gerichtsstruktur zugrunde liegt, womit die Zuständigkeit eines Präsidenten des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Ausgeschlossenheit von Richtern eines anderen Oberlandesgerichts ausscheidet. Diese fällt daher dem insoweit übergeordneten Präsidenten des Obersten Gerichtshofs zu, dem folgerichtig auch die Übertragung der Sache selbst und nicht bloß der darauf bezogenen Entscheidung über Ausgeschlossenheit von Richtern zukommt.

Indem der Wortlaut des § 45 Abs 2 dritter Satz StPO in Betreff des Umfangs der Übertragung aufgrund erkannter Ausgeschlossenheit nicht differenziert, die Übertragung nicht als – nur im Haupt- und Rechtsmittelverfahren zulässige – Delegierung nach § 39 StPO erfolgt (§ 7 Abs 1 Z 2 OGHG), im Übrigen die Bestimmung der Gerichtszuständigkeit für das gesamte Ermittlungsverfahren der Entscheidung durch ein (nicht richterliches) Einzelorgan der Gerichtsbarkeit zugänglich ist (§ 25 Abs 4, § 28, § 36 Abs 1 StPO; § 2 StAG), kommt kein anderer richterlicher Spruchkörper für die Übertragungsentscheidung in Frage (so bereits 1 Präs 2690-402/13y, RIS-Justiz RS0125943).

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