OGH 1Ob98/25f

OGH1Ob98/25f30.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch Dr. Wolfgang Haslinger, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach Ing. O*, Spanien, wegen Rechnungslegung und Zahlung, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Mai 2025, GZ 48 R 106/25f‑17, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 27. März 2025, GZ 20 C 9/24k‑14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00098.25F.0930.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der „außerordentliche Revisionsrekurs“ wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt mit Klage vom 22. 5. 2024 Rechnungslegung über das vom Beklagten – ihrem geschiedenen Ehemann – seit 2020 bezogene Einkommen und die Zahlung des daraus resultierenden Unterhalts in Höhe von 33 % der Bemessungsgrundlage.

[2] Die Klage konnte von den spanischen Zustellbehörden nicht zugestellt werden, weil der Beklagte am * (nach Klageeinbringung) verstorben ist.

[3] Mit Beschluss vom 22. 10. 2024 sprach das Erstgericht aus, dass das Verfahren nach § 155 Abs 1 ZPO unterbrochen ist.

[4] Die Klägerin beantragte am 10. 12. 2024 (über Verbesserungsauftrag ergänzt mit Schriftsatz vom 19. 3. 2025) die Bestellung eines Kurators für die beklagte Partei und die Fortsetzung des Verfahrens. Sie habe versucht, sich wegen der zur Unterhaltsberechnung notwendigen Dokumente mit den Erben des Beklagten in Verbindung zu setzen; diese seien ihr gegenüber aber ablehnend aufgetreten. Es bestehe daher die Gefahr, dass sie ihre Ansprüche bei verzögerter Verfahrensfortführung nicht oder nicht im vollen Umfang durchsetzen können werde.

[5] Das Erstgericht wies die Anträge der Klägerin ab. Sie habe kein ausreichendes Vorbringen erstattet, dass die Verlassenschaft nach dem Beklagten unvertreten sei, sodass deren Prozessunfähigkeit nicht beurteilt werden könne. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Kurators im Sinn des § 811 ABGB und § 8 ZPO lägen nicht vor.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Die Frage, ob die Bestellung eines Kurators nach § 811 ABGB eine Sicherungsmaßnahme nach Art 19 EuErbVO sei, die (ausnahmsweise) durch das österreichische Gericht erfolgen könne, könne dahingestellt bleiben, weil die Klägerin trotz eines entsprechenden Verbesserungsauftrags nicht ausreichend dargelegt habe, dass die Verlassenschaft nach dem Beklagten nicht anderwärtig, etwa durch die Erben oder allenfalls durch einen vom zuständigen spanischen Gericht bestellten Nachlassverwalter, vertreten sei. Aus diesen Gründen könne auch kein Kurator nach § 8 ZPO bestellt werden.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der dagegen von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

[8] 1. Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist (RS0112314). Einer Klagezurückweisung aus formellen Gründen ist ein Beschluss gleichzuhalten, mit dem die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über eine Klage verweigert wird, somit ein prozessualer Rechtsschutzanspruch des Klägers, eine Sachentscheidung über das Klagebegehren zu erlangen, endgültig verneint wird (RS0109999). Die Anfechtung von konformen Beschlüssen ist nach ständiger Rechtsprechung für die definitive Versagung des Rechtsschutzes, also die Verweigerung des Zugangs zu Gericht vorgesehen (RS0044536; RS0099940 [T4]; RS0110044 [T1]).

[9] 2. Auch die Gleichstellung der Abweisung oder Zurückweisung eines Fortsetzungsantrags mit der Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen kann nur gerechtfertigt sein, wenn die Verweigerung der Fortsetzung des gesetzgemäßen Verfahrens gleichzeitig auch die definitive (endgültige) Verweigerung der Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag des Klägers oder des Beklagten bedeutet (RS0105321 [T1, T21]; iglS Musger in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 519 ZPO Rz 59 [Stand 1. 9. 2019, rdb.at]; G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 519 ZPO Rz 14, § 528 ZPO Rz 44 [Stand 9. 10. 2023, rdb.at]; Trenker in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 192 ZPO Rz 3 [Stand 9. 10. 2023, rdb.at]). In der Entscheidung 3 Ob 82/21m [Pkt 2.2] wurde festgehalten, dass dies nicht der Fall ist, wenn die Begründung für die die erstgerichtliche Abweisung eines Fortsetzungsantrags bestätigende rekursgerichtliche Entscheidung darin besteht, dass das Rekursgericht den Unterbrechungsgrund als (noch) nicht weggefallen erachtet. Weiters wurde dort ausgeführt:

„Die allenfalls – aus RS0105321 [T7 und T18] – ableitbare generalisierende Ansicht, auch bei Beschlüssen, mit denen die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage verweigert wird, handle es sich um eine Verweigerung des Rechtsschutzanspruchs, weshalb von der grundsätzlichen Anfechtbarkeit der zweitinstanzlichen Entscheidung auszugehen sei, wenn die Ab- oder Zurückweisung des nach einer Verfahrensunterbrechung gestellten Fortsetzungsantrags bestätigt wird, überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht. In der bloß temporären Verweigerung einer Verfahrensfortsetzung – etwa wegen Verneinung des Wegfalls eines Unterbrechungsgrundes – kann noch keine einer Klagezurückweisung gleichkommende, nämlich definitive (endgültige) Verweigerung des Rechtsschutzes erblickt werden. In einem solchen Fall ist kein Grund dafür ersichtlich, analog zum in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO genannten Ausnahmefall 'es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist' keine Konformatssperre anzunehmen.“

 

[10] Der 1. Senat schließt sich dieser wohlbegründeten Auffassung an, die sich auch auf die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zu 8 Ob 6/03w stützen kann, in der die Zurückweisung eines Antrags auf Fortsetzung eines gemäß § 7 KO (nunmehr IO) unterbrochenen Verfahrens durch das Berufungsgericht einer Zurückweisung der Klage oder der Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen nicht gleichgehalten wurde, weil damit die weitere Prozessführung nicht abgeschnitten war. Auch zu 9 ObA 39/04g wurde, wenngleich obiter, festgehalten, dass die Bestätigung der Ab- oder Zurückweisung eines Antrags auf Fortsetzung eines unterbrochenen Verfahrens der in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO normierten Ausnahme nur gleichgestellt werden kann, wenn die Verweigerung der Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens gleichzeitig auch die (definitive) Verweigerung der Sachentscheidung über den Rechtsschutzantrag insbesondere des Klägers bedeutet.

[11] Soweit in Entscheidungen (zuletzt zu 9 Ob 42/25d [Rz 10]) nicht weiter darauf abgestellt wird, ob mit der Ablehnung der Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens eine definitive Verweigerung der Sachentscheidung in diesem Verfahren verbunden ist, überzeugt dies nicht: Bei einer Ausnahmebestimmung – wie dem zweiten Teilsatz von § 528 Abs 2 Z 2 ZPO – ist eine Analogie zwar nicht ausgeschlossen, diese muss sich jedoch im Rahmen der engen ratio der Ausnahmeregel halten (RS0008903 [T4, T7]). Die ratio läuft hier aber darauf hinaus, nur diejenigen Beschlüsse von der Konformatssperre auszunehmen, „durch die der Rechtsschutzanspruch überhaupt verneint wird“ (vgl JAB 991 BlgNR XVII. GP , 13). Damit steht auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu anderen Fallkonstellationen in Einklang, in denen eine Analogie zum Ausnahmetatbestand der Klagezurückweisung aus formellen Gründen sehr wohl davon abhängig gemacht wird, dass im Ergebnis eine Sachentscheidung endgültig verweigert wird (jüngst zB 4 Ob 18/23k [Rz 8]; 7 Ob 123/24z [Rz 12]; 5 Ob 48/24f [Rz 8]; 2 Ob 65/25k [Rz 9]).

[12] 3. Im vorliegenden Fall bedeutet die Abweisung des Antrags auf Bestellung eines Kurators und Fortsetzung des Verfahrens keine endgültige Verweigerung des Rechtsschutzes, weil es der Klägerin weiterhin möglich ist, einen Antrag nach § 155 Abs 3 ZPO zu stellen oder aber zu behaupten und zu bescheinigen, dass der Nachlass noch nicht eingeantwortet und auch nicht anderweitig vertreten ist, womit der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO greift.

[13] Das absolut unzulässige Rechtsmittel der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

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