OGH 1Ob96/21f

OGH1Ob96/21f22.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** C*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Doppelhofer, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** K*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen Vertragszuhaltung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 25. Februar 2021, GZ 58 R 95/20y‑47, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 29. September 2020, GZ 3 C 101/19b‑40, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00096.21F.0622.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden mit Ausnahme der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung des Begehrens auf Unterbringung der Pferde während der Bauarbeiten in der Reithalle aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Parteien waren bis 2008 verheiratet.

[2] Der Beklagte ist Eigentümer einer Liegenschaft. Als die Klägerin Anfang der 1980iger‑Jahre zum Beklagten gezogen war, wurde für ihre Pferde zunächst ein Unterstand errichtet, der mit wachsender Zahl der Tiere vergrößert und 1984/1985 zum noch jetzt bestehenden Stallgebäude wurde. Sie ist – unstrittig nach wie vor – berechtigt, den Stall zu nutzen.

[3] Der Beklagte – von Beruf Baumeister – ließ der Klägerin bei diesen Bauarbeiten freie Hand, stellte Material zur Verfügung, das in seinem Bauunternehmen überzählig war, und ermöglichte ihr, Hilfskräfte aus seinem Unternehmen einzusetzen. Viele Arbeiten erledigte die Klägerin selbst oder half bei diesen mit. Der Beklagte war über alle Arbeiten informiert, im Wesentlichen auch täglich vor Ort und hatte keine Einwände.

[4] Das Stallgebäude ist als Holzkonstruktion mit unterschiedlichen Rund‑ und Kanthölzern und einer an der westlichen Steildachfläche der Reithalle angrenzenden, als Pultdach ausgeführten hölzernen Dachkonstruktion hergestellt. Die Dachsparren sind überwiegend Staffeln aus Fichtenholz. Als Dachschalung sind ca 2,2 cm starke Fichtenbretter auf den Dachsparren befestigt. Zur Abdichtung sind auf der Schalung zwei Lagen Oxidationsbitumenbahnen mit verzinkten Dachpappenstiften befestigt. Auf den Bitumenbahnen wurde eine 50 µm PVC‑Folie lose aufgebracht. Die Bitumenbahnen enden ca 2 cm vor der Traufenkante, die Holzschalung steht damit bis ca 2 cm ungeschützt hervor. Über die PVC‑Folie wurden Teppiche gelegt, auf denen Kunststoffobstkisten befüllt mit Pferdemist aufgestellt sind; auf der Restfläche ist schon vor dem Jahr 2005 Pferdemist lose verteilt worden, weil eine Begrünung der Dachfläche erreicht werden sollte. Im Laufe der Zeit entstand so auch eine starke Vermoosung und Flechtenbildung. Mit abgelegten Reifen, Kunststoffrohren, Metallschienen und ähnlichen Gegenständen wurde eine zusätzliche Beschwerung der Folie geschaffen. Im Traufenbereich sind an zwei Stellen kurze Hängerinnen montiert; über den gesamten Bereich gibt es kein Traufenblech.

[5] Als Steher der Stahlholzkonstruktion wurden Kant‑ und Rundholzsteher sowie alte Telegraphenmasten verbaut. Einige der Steher wurden verankert, indem sie ohne zusätzlichen Schutz in das Erdreich gestellt und mit einem Beton‑Punktfundament umgeben wurden, sodass sie direkt den Kontakt mit dem Beton und dem Erdreich haben und daher schon „aufgemorscht“ sind. Bei jedem Schlagregen, jeder Schneeverwehung und beim Wasserlassen der Pferde neben den Holzstehern dringt Feuchtigkeit zwischen Betonfundament und Steher ein. Durch das feuchte Erdreich sind die Holzsteher ständiger Feuchtigkeit ausgesetzt, was zu Vermorschungen führt. Andere Steher wurden mit unterschiedlichen Metall‑Pfostenankern in L‑ und U‑Form an einem Beton‑Punktfundament befestigt, was zu starken Verrostungen führte.

[6] Der Einreichplan zum schon errichteten Pferdestall mit angeschlossenem Mistplatz wurde im Dezember 2005 vom Beklagten der Baubehörde vorgelegt und im Jänner 2006 behördlich bewilligt. Eine Fertigstellungsanzeige erfolgte bisher nicht.

[7] Ab 1990 traten immer wieder Undichtheiten und andere Schäden am Stallgebäude auf, die von der Klägerin selbst repariert wurden. Der Beklagte hatte gegen die Ausführung der Reparaturen keine Einwände.

[8] Ein zwischen den Parteien über Klage des nunmehrigen Beklagten (dort: Kläger) beim Erstgericht anhängiges Räumungsverfahren über die Liegenschaft wurde am 29. 4. 2016 durch einen gerichtlichen Vergleich beendet. Dieser enthält neben der Einräumung eines Nutzungsrechts für die nunmehrige Klägerin an bestimmten Gebäudeteilen folgende Regelungen (Beilage ./A):

„2. Dem Kläger kommt hinsichtlich der Stallungen und der Koppel das Recht zu, diese quartalsmäßig zu begehen, wobei die einzelnen Begehungen der Beklagten spätestens 14 Tage vorher schriftlich oder per SMS terminsmäßig (= Datum und Uhrzeit) anzukündigen sind. Die Beklagte hat das Recht bei diesen Begehungen anwesend zu sein.

Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger von allen Schäden an der Substanz der Gebäude im Bereich der Scheune und der Stallungen unverzüglich ab Kenntnisnahme zu verständigen. Der Kläger ist wiederum verpflichtet, die Behebung der ihm von der Beklagten bekanntgegebenen Schäden unverzüglich zu veranlassen.

[...]

5. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger über sämtliche geplanten baulichen Veränderungen, die die Substanz der Gebäude im Scheunen‑ und Stallbereich betreffen, vorab zu informieren und diese nur mit Zustimmung des Klägers durchzuführen.“

[9] Vor Ende September 2017 informierte die Klägerin den Beklagten über starke Wassereintritte beim Dach des Stallgebäudes und forderte ihn zur Schadensbehebung auf. Der Beklagte lehnte dies ab und über ein weiteres Schreiben des Rechtsvertreters der Klägerin auch, für die fach‑ und sachgerechte Sanierung bis längstens 1. 11. 2017 zu sorgen.

[10] Die 2017 aufgetretenen und dem Beklagten gemeldeten Wassereintritte sind auf Mängel bei der Flachdachabdichtung zurückzuführen. Die Lebenserwartung der Oxidationsbitumenbahnen ist schon lange erreicht, sie sind „versprödet“. Die aufgelegte Folie ist für das Abdecken von Dächern nicht geeignet, sie weist zahlreiche Löcher auf, an denen es bei Niederschlag zu Wassereintritt auf die darunter liegenden, „versprödeten“ Bitumenbahnen kommt, was wiederum zu Wassereintritten an den Ortgängen und Traufen führt. Wegen des Fehlens sämtlicher Blechanschlüsse im Traufen‑ und Ortgangbereich kann Niederschlagswasser nicht ordentlich abgeleitet werden, was zu Wasserschäden an den Holzkanten führt. Die Begrünung des Daches bewirkt, dass Niederschlagswasser nicht so rasch abfließen kann, wie es sollte, weshalb die nicht abgedeckten Schalungsbretter länger der Feuchtigkeit ausgesetzt sind, was das Schadensbild im Laufe der Zeit vergrößert.

[11] Die vorhandenen Schäden beruhen ausschließlich auf Herstellungs‑ und Ausführungsmängeln bei der Errichtung des Gebäudes.

[12] Die Klägerin begehrte vom Beklagten zunächst die fachgerechte und dem Stand der Technik entsprechende Sanierung des Daches und der Steher (Stützelemente) der Stallungen, „insbesondere“ durch

‑ Demontage und Entsorgung der alten Dachhaut, bestehend aus altem Vlies, alter Teichfolie „etc“,

‑ Durchführung fachgerechter Flämm‑ und Abdichtungsarbeiten (vollflächiges Aufkleben von Dachabdichtungen),

‑ Durchführung der „notwendigen“ fachgerechten Holzausbesserungen am Altbestand,

‑ Durchführung fachgerechter Spenglerarbeiten, „etc“ und

‑ die fachgerechte Sanierung „bzw sofern erforderlich“, den fachgerechten Austausch des Altbestands an Stehern und Stützelementen. Nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens dehnte sie ihr Klagebegehren dahin aus, dass der Beklagte „insbesondere“ auch verpflichtet sei, die in „Punkt 4.2. (Seiten 24 und 25) des eines integrierenden Bestandteil dieses Urteilsspruchs bildenden Gutachtens des Sachverständigen [...] konkret aufgelisteten Sanierungsmaßnahmen durchzuführen“. Der gerichtliche Vergleich habe sowohl die Nutzungsrechte der Parteien als auch die Erhaltungs‑ und die Instandhaltungspflichten des Beklagten konkretisieren bzw abschließend regeln sollen. Sie habe entsprechend Punkt 2. der Vergleichs den Beklagten im September 2017 darauf hingewiesen, dass das Dach des Pferdeunterstandes und der von ihr genutzten Stallungen der Liegenschaft undicht sei und aufgrund des fortlaufend eintretenden Regenwassers eine Gefährdung der Substanz der Gebäudeteile bestehe bzw zu befürchten sei. Er habe es jedoch entgegen seiner vertraglichen Verpflichtung unterlassen, den ihm gemeldeten Schaden am Dach des Pferdeunterstands und der Stallungen umgehend zu beheben. Aufgrund seiner Weigerung sei es mittlerweile auch zu einem massiven Schaden an den Holzstehern der Stallungen gekommen, die das schadhafte Dach stützen. Die Holzsteher seien vermorscht. Das Verhalten des Beklagten habe somit zu einer massiven Schädigung der Gebäudesubstanz geführt. Der Einsturz des Gebäudes könne nicht mehr ausgeschlossen werden. Der Zustand des Gebäudes und der Stallungen seien dem Beklagten im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses hinlänglich bekannt gewesen und er habe seine im Rahmen des abgeschlossenen Vergleichs bestätigte Instandhaltungs‑ und Reparaturverpflichtung in Kenntnis des Zustands der einzelnen Gebäudeteile übernommen. Bei den durchzuführenden Arbeiten handle es sich nicht um Verbesserungen, sondern um erforderliche Reparatur‑ und Sanierungsmaßnahmen.

[13] Der Beklagte wendete ein, das vereinbarte Nutzungsrecht enthalte Elemente des Mietrechts und Elemente einer Dienstbarkeit. Es sei daher § 1096 ABGB heranzuziehen. Die Klägerin habe 2005 während aufrechter Ehe mit den Bauarbeiten begonnen. Zwischen den Parteien sei vereinbart gewesen, dass sie die Kosten der Bauführung übernehme. Wie das Gebäude „aufgerichtet“ werde, falle in ihre Sphäre. Sie habe, ohne dass dies vorgesehen gewesen sei, Pferdemist auf dem Dach des Gebäudes aufbringen lassen und dadurch die Statik nachhaltig geändert. Die Klägerin habe selbst den Schaden herbeigeführt. Sie habe ein Gebäude errichtet, das nicht dem Plan und den Bauvorschriften entspreche, insbesondere durch eine enorm hohe Belastung des Daches mit Pferdemist; es sei nicht seine Aufgabe, die daraus resultierenden Schäden zu tragen. Er schulde keine Verbesserungen.

[14] Das Erstgericht gab dem (ausgedehnten) Klagebegehren statt. Sämtliche festgestellte Mängel seien solche an der Substanz des Gebäudes und auf die nicht fach- und sachgerechte Ausführung der Herstellungsarbeiten zurückzuführen. Der Beklagte habe der Klägerin bei der Errichtung des Gebäudes freie Hand gelassen und in Kenntnis der Arbeitsausführung keine Einwände erhoben. Mit dem Vergleich habe er sich verpflichtet, die Behebung der ihm von der nunmehrigen Klägerin bekannt gegebenen Schäden unverzüglich zu veranlassen, soweit diese die Substanz der Gebäude im Bereich der Scheune und der Stallungen betreffen. Die Klägerin sei mit der Verständigung des Beklagten im Jahr 2017 vom damals bemerkten Wassereintritt unverzüglich ihrer im Vergleich übernommenen Verpflichtung nachgekommen. Der Beklagte habe sich im Vergleich uneingeschränkt zur Behebung aller Schäden am Stallgebäude verpflichtet, sodass ihm die „Erledigung“ der nunmehr an der Substanz des Stallgebäudes vorliegenden und „als Ergebnis dieses Verfahrens“ auch hinlänglich konkretisierten, zur Schadensbehebung notwendigen Arbeiten aufzutragen sei.

[15] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge. Es verpflichtete ihn binnen sechs Monaten zur fachgerechten und dem Stand der Technik entsprechenden Sanierung des Daches und der Steher (Stützelemente) der Stallungen, „insbesondere“ durch

‑ Demontage und Entsorgung der alten Dachhaut, bestehend unter anderem aus altem Vlies und alter Teichfolie,

‑ Durchführung fachgerechter Flämm‑ und Abdichtungsarbeiten (vollflächiges Aufkleben von Dachabdichtungsbahnen),

‑ Durchführung der „notwendigen“ fachgerechten Holzausbesserungen am Altbestand,

‑ Durchführung fachgerechter Spenglerarbeiten,

‑ die fachgerechte Sanierung bzw, „sofern erforderlich“, den fachgerechten Austausch des Altbestands an Stehern und Stützelementen;

wobei der Beklagte näher angeführte, detaillierte Sanierungsmaßnahmen zur Flachdachabdichtung, an den Rundholzsteher sowie den Kantholzsteher durchzuführen habe. „Bei sämtlichen Arbeiten sind alle Sicherheitsmaßnahmen, das Einrichten und Räumen der Baustelle sowie das Reinigen der Baustelle zu berücksichtigen. Während der gesamten Bauarbeiten können und dürfen sich die Pferde nicht in oder neben dem Stall aufhalten.“

[16] Das Mehrbegehren, der Beklagte sei schuldig, die Pferde während der Bauarbeiten in der Reithalle unterzubringen, wies es – unbekämpft und damit rechtskräftig – ab.

[17] Rechtlich führte es aus, das Klagebegehren sei hinreichend bestimmt. „Mangels eines behaupteten (übereinstimmenden) konkreten Parteiwillens“ sei Punkt 2. des Vergleichs dahin auszulegen, dass der Beklagte die Behebung von – ihm zuvor von der Klägerin gemeldeten – Schäden an der Substanz der Scheune und der Stallungen zu veranlassen und daher auch finanziell zu tragen habe. „Da die Parteien in den Vergleich trotz der übernommenen Sanierungsverpflichtung keine Aussagen zum damaligen Zustand oder der Ausführungsqualität“ aufgenommen hätten, sei „diesbezüglich im Zweifel eine fachgerechte und dem (aktuellen) Stand der Technik entsprechende Ausführung geschuldet“. Durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ im Spruch erfolge lediglich eine Konkretisierung der eingangs genannten „Gewerksbereiche“. Im Spruch des Urteils sei klargestellt, dass die Entscheidung über einen allfälligen Gründachaufbau dem Beklagten „zustehe“. Vorarbeiten und Nacharbeiten gehörten zu den geschuldeten Leistungen.

[18] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Frage, inwieweit mangels ausdrücklicher Regelung in einem gerichtlichen Vergleich trotz ursprünglich schadensursächlicher „Schlechtausführung“ des Gebäudes auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Mietrechtsgesetzes eine allenfalls zu einer Verbesserung führende Erhaltungsarbeit nach dem Stand der Technik geschuldet sei, über den Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[19] Die dagegen vom Beklagten erhobene, von der Klägerin beantwortete, Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig. Sie ist auch im Sinn des hilfsweise erhobenen Aufhebungsbegehrens berechtigt.

[20] 1. Zutreffend führt der Beklagte aus, dass auf Basis der Interpretation des Vergleichstextes ohne Feststellungen zu den Begleitumständen nicht gesagt werden kann, dass – so aber das Berufungsgericht – „im Zweifel eine fachgerechte und dem (aktuellen) Stand der Technik entsprechende Ausführung geschuldet“ sei. Für die Frage der Reichweite der vom Beklagten im Räumungsvergleich übernommenen Erhaltungspflicht fehlen Feststellungen, wie es zum Vergleich gekommen ist, was die Parteien besprochen und welche Umstände sie diesem zugrunde gelegt haben.

[21] 2. Bei der Auslegung einer Willenserklärung nach §§ 914 f ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RIS‑Justiz RS0017915). Der Vertrag ist daher unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs (RS0017817 [T3]; RS0017902) aufgrund der Erklärungen in dem Sinn, den sie nach der Sachlage notwendigerweise für den Partner haben mussten (RS0017781), und damit so auszulegen, wie er bei objektiver Beurteilung der Sachlage für einen redlichen und verständigen Vertragspartner zu verstehen war (RS0113932).

[22] 3. Ob, wovon die Vorinstanzen ausgehen, die umfassende Sanierung des aktuellen Zustands des Pferdestalls von der Verpflichtung des Beklagten im Vergleich, Schäden an der Substanz zu beheben, mitumfasst ist oder – wie er meint – bloß die Erhaltung des seinerzeitigen Zustands des Bauwerks im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im Jahr 2016, wobei eine Behebung neu hervorkommender Schäden, die lediglich auf die unsachgemäße Bauausführung (durch die Klägerin) zurückzuführen seien, nicht unter seine Erhaltungspflicht falle, kann erst beurteilt werden, wenn die Sachverhaltsgrundlage zur Beurteilung erweitert wird, von welchen (übereinstimmenden) Vorstellungen die Parteien beim Vergleichsabschluss ausgingen. Nach den Feststellungen sind auch die 2017 erstmals erfolgten Wassereintritte ausschließlich auf Herstellungs‑ und Ausführungsmängel bei der Errichtung des Stalls zurückzuführen, der unter maßgeblicher Mitarbeit der Klägerin und unter ihrer Verantwortung errichtet wurde.

[23] Auf die Nutzung des Stalls durch die Klägerin kommt das MRG nicht zur Anwendung, sodass die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen im Zusammenhang mit dem „dynamischen Erhaltungsbegriff“ des § 3 MRG nur dann von Bedeutung sein können, wenn sich auf ergänzter Sachverhaltsgrundlage Anhaltspunkte dafür ergeben würden, dass sich die Parteien – aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers – an der im MRG angeordneten Erhaltungspflicht orientieren wollten. Nur in diesem Zusammenhang könnte die nicht unmittelbar anwendbare Bestimmung des § 3 MRG bei der Auslegung des Vergleichs mitberücksichtigt werden.

[24] Zudem ergibt sich aus Punkt 2. des Vergleichs nicht, dass die Klägerin Anspruch darauf hat, zu bestimmen, in welcher Weise der Beklagte Schäden an der Substanz des Gebäudes zu beheben hat. Vielmehr ist gerade keine konkrete Ausführungsform festgelegt.

[25] Zwar ist bei Klagen, die nicht auf Geldleistung gerichtet sind, dem Erfordernis des § 226 ZPO bereits dann Genüge getan, wenn unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnommen werden kann, was begehrt ist (RS0037874). Die Klägerin wird aber im fortgesetzten Verfahren zur Präzisierung ihres Leistungsbegehrens („sofern erforderlich, den fachgerechten Austausch des Altbestands an Stehern und Stützelementen“; „Bei sämtlichen Arbeiten sind alle Sicherheitsmaßnahmen [...] zu berücksichtigen“; „Falls vorhanden, sind die schadhaften Schalungsbretter zu ergänzen“; „Die vorhandenen angerosteten [...] Pfostenanker ...“) anzuleiten sein, weil dieses zu unbestimmt ist.

[26] Zu Recht verweist der Beklagte auch darauf, dass er – auf Grundlage der vertraglichen Regelung über die Sanierung der Substanz – nicht (ohne weiteres) dazu verhalten werden kann, den bei der Sanierung anfallenden Bauschutt auf eine bestimmte Weise zu entsorgen. Die Klägerin hat bislang auch keine substantiierten Behauptungen dazu aufgestellt, woraus sich ein auch darauf gerichteter Anspruch ergeben könnte.

[27] 4. Der Revision des Beklagten ist daher Folge zu geben, weil die Auslegung der im Vergleich enthaltenen Abrede über die Erhaltungspflicht des Beklagten ohne Feststellungen dazu, wie es zu dieser Textierung kam und von welchen Vorstellungen die Parteien ausgingen, nicht möglich ist. Diese Feststellungen sind im fortzusetzenden Verfahren – soweit wie möglich – zu treffen, nachdem den Parteien Gelegenheit gegeben wurde, dazu konkretes Vorbringen zu erstatten. Erst auf Basis einer hinreichenden Erweiterung der Sachverhaltsgrundlage wird beurteilt werden können, in welchem Umfang der Beklagte Schäden an der Substanz des Stalls zu beheben hat.

[28] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte