OGH 1Ob848/52

OGH1Ob848/5212.11.1952

SZ 25/299

Normen

ABGB §918
ABGB §921
ABGB §1295 (1)
ABGB §918
ABGB §921
ABGB §1295 (1)

 

Spruch:

Hat sich der Zustand des gekauften Kraftwagens bis zum Rücktritt vom Vertrag verschlechtert, so geht die durch das schuldhafte Verhalten des Käufers verursachte Entwertung des Kaufgegenstandes zu seinen Lasten.

Entscheidung vom 12. November 1952, 1 Ob 848/52.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Kläger hat im April 1946 vom Beklagten einen PKW gekauft. Wegen Nichtlieferung der Papiere ist er vom Vertrage zurückgetreten. Beklagter macht eine Gegenforderung im Betrage von 2700 S geltend, die durch schlechte Verwahrung des Autos eingetreten sei.

Das Erstgericht erkannte, daß die Gegenforderung nicht zu Recht besteht. Aus dem Titel des Schadenersatzes könne jemand nur dann einen Betrag begehren, wenn ihm dieser aus Verschulden oder durch Übertretung von Vertragspflichten einen Schaden zugefügt habe. Im gegenständlichen Falle habe aber der Beklagte den Vertrag schuldhaft durch Nichtbeibringung des Nachweises über den Eigentumsübergang hinsichtlich des Autos verletzt, so daß der Beklagte schadenersatzpflichtig geworden ist. Die Wertminderung des Wagens habe der Beklagte somit durch sein eigenes Verhalten herbeigeführt und habe sie daher selbst zu tragen.

Das Berufungsgericht anerkannte eine Gegenforderung in der Höhe von 1350 S. Da der Kläger den Wagen in unbereiftem Zustande gekauft und übergeben erhalten habe, habe er an diesem Wagen, wenn auch die Papiere nicht in Ordnung gewesen seien, Eigentum erworben, weil zum Eigentumserwerb hinsichtlich eines Autos die körperliche Übergabe genüge.

Als Eigentümer habe der Kläger über dieses Auto verfügen können, wie er wollte, und habe daher auch auf eigene Gefahr diesen Wagen auch unter einem Flugdach, zu dem jede Person Zutritt hatte, verwahren können. Die unzulängliche Verwahrung sei im übrigen dem Kläger bekannt gewesen.

Anders sei die Lage von dem Zeitpunkt an zu beurteilen, in dem der Kläger zum Rücktritt vom Vertrage entschlossen war und den Rücktritt auch gegenüber dem Beklagten mit Brief vom Jahre 1948 erklärt habe. Denn in diesem Zeitpunkt sei es dem Kläger klar gewesen, daß er das Auto zurückzustellen habe, und hätte er sich mit der unzulänglichen und zweifellos grobfahrlässigerweise geduldeten Unterbringung unter dem Flugdach nicht mehr zufrieden geben dürfen.

Wenn der Kläger auch im allgemeinen nicht die Verpflichtung gehabt habe, durch eigene Maßnahmen die Verringerung des Schadens zu bewirken, den ein anderer ihm zu ersetzen hatte, so ändere sich dies zweifellos, wenn der Kläger dabei grobfahrlässig vorgegangen sei. Aus diesem Umstand ergebe sich daher, daß vom Zeitpunkt des Rücktrittes vom Vertrage der Kläger die Verschlechterung des Zustandes des Autos zu vertreten habe, und sei in diesem Umfange die Gegenforderung des Beklagten anzuerkennen. Da der Kläger nach seiner Behauptung im Jahre 1948 vom Vertrag zurückgetreten sei, der Wert des Wracks am 16. August 1950 mit 300 S festgestellt worden sei und der Zustand des Wagens zu einem bestimmten Zeitpunkt im Beweisverfahren nicht hinreichend geklärt hätte werden können, so sei die Bestimmung des § 273 ZPO. heranzuziehen.

Unter Zugrundelegung einer kontinuierlichen Verschlechterung und Entwertung des Autos in der Zeit vom Jahre 1946 bis zum Jahre 1950 könne angenommen werden, daß hievon die Hälfte der Zeit in die Periode fällt, über die der Kläger keine Rechenschaft abzulegen habe. Die zweite Hälfte dieser Zeit erstrecke sich aber auf einen Zeitraum, wo der Kläger für die Verschlechterung und Entwertung des Autos hafte. Diesen Erwägungen entspreche eine Halbierung der compensando eingewendeten Schadenersatzforderung im Betrage von 2700 S, somit ein Betrag von 1350 S. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei Entscheidung der vorliegenden Streitsache ist davon auszugehen, daß der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung zu 3 Ob 537/51 zum Ausdruck gebracht hat, der Kläger habe im gegenständlichen Falle durch die Klage in eindeutiger Weise seinen Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und damit den Vorschriften des § 918 ABGB. Genüge getan, wobei der Umstand, daß das Auto sich nicht mehr in einem verwendungsfähigen Zustand befand, dem Rücktrittsrecht nicht entgegenstehe.

Das Beweisverfahren hat nun ergeben, daß das um 3000 S gekaufte Auto insofern eine Entwertung erfahren hat, als infolge des Umstandes, daß der Kläger den Wagen nur unter einem freien Flugdach garagierte, wo es dem Zugriff anderer Personen ausgesetzt war, sodaß eine Reihe von Bestandteilen des Wagens abhanden gekommen sind, das Fahrzeug sich derzeit nur mehr als ein Wrack darstellt und einen Schrottwert von 300 S besitzt.

Während nun das Erstgericht meinte, daß dem Beklagten deshalb keine Gegenforderung aus der Entwertung des Wagens zustehe, weil der Beklagte es gewesen sei, der durch Nichterfüllung seiner Vertragspflichten zur Richtigstellung des Kraftfahrzeugbriefes diese Wertminderung verursacht habe, stellte sich das Berufungsgericht auf den Standpunkt, daß der Kläger bis zum Rücktritt vom Vertrage als Eigentümer über den Wagen frei verfügen konnte und daher erst vom Zeitpunkt des Rücktrittes, der im Jahre 1948 erfolgte, verpflichtet gewesen sei, für eine ordnungsgemäße Verwahrung des Autos zu sorgen, und nicht dulden durfte, daß das Auto von diesem Zeitpunkt an dem Zugriff dritter Personen ausgesetzt war.

Abgesehen davon, daß im ersten Rechtsgang von beiden Unterinstanzen festgestellt wurde, daß Kläger nicht im Jahre 1948, sondern erst durch die Einbringung der Klage vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, kann der Revision in keiner ihrer Rechtsansichten gefolgt werden.

Der Rücktritt vom Vertrag, ob dieser nun vom Vertragspartner verschuldet wurde oder nicht -, womit schon die Ansicht des Erstgerichtes widerlegt erscheint -, hat zur Folge, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrage ex tunc erlöschen, so daß jeder Teil das Erhaltene samt den daraus gezogenen Früchten herauszugeben hat.

Da das Auto um einen Preis von 3000 S an den Kläger verkauft wurde, ist daher der Beklagte verhalten, diesen Kaufpreis zurückzuerstatten. Der Kläger ist wieder verpflichtet, das erhaltene Auto zurückzugeben, u. zw. in dem Zustand, in dem es sich - abgesehen von einer natürlichen Abnützung durch normalen Gebrauch oder durch normale Verwendung des Kaufgegenstandes - bei Vertragsabschluß befunden hat.

Befindet sich dieses Auto aber nicht mehr in diesem Zustand, sondern wurde es durch Verschulden des Klägers dadurch entwertet, daß es dem Zugriff dritter Personen ausgesetzt wurde, sodaß das sonst fahrbereite Auto sich in ein Wrack verwandelt hat, so hat dies zur Folge, daß der Käufer die durch sein schuldhaftes Verhalten verursachte Entwertung des Kaufgegenstandes dem Verkäufer zu ersetzen hat.

Denn es muß davon ausgegangen werden, daß niemand eine Befugnis im Widerspruch mit seinem früheren Verhalten geltend machen darf, wenn dieses Verhalten nur bei gleichzeitigem Verzicht auf die Befugnis mit Treu und Glauben in Einklang zu bringen war, oder wenn die nachträgliche Geltendmachung der Befugnis wider Treu und Glauben verstößt (Lehmann, Schuldverhältnis, § 39, S. 161). Dies trifft aber im gegenständlichen Falle zu.

Hat auch der Kläger Eigentum an dem Auto durch körperliche Übergabe erworben und als Eigentümer über sein Eigentum frei verfügen können, so hat er dadurch, daß er das Auto vor Geltendmachung seines Rücktrittsrechtes nicht ordnungsgemäß verwahrte, ein Verhalten an den Tag gelegt, das nicht nur gegen Treu und Glauben verstoßen hat, sondern auch einen Verstoß gegen die wohlverstandenen Gebote des eigenen Interesses bedeutete. Die nachträgliche Geltendmachung des Rücktrittsrechtes bei diesem Verhalten des Klägers nimmt ihm zwar nicht das Rücktrittsrecht, aber der Kläger ist verpflichtet, die durch sein Verhalten verursachte Entwertung des Autos dem Verkäufer zu ersetzen, bzw. ist der Verkäufer nur verpflichtet, den um den Betrag der verursachten Entwertung des Autos verringerten Kaufpreis zurückzuzahlen, wobei dieser Differenzbetrag sich aus der Gegenüberstellung des Wertes des zurückzustellenden Autos mit dem Kaufpreis im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ergibt.

Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang unter Anrufung des Revisionsgrundes nach § 503 Z. 2 ZPO. das Verfahren als mangelhaft insofern rügt, daß nicht der Wert des Autos im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses festgestellt worden sei, so erübrigt sich ein Eingehen auf diesen Umstand. Denn es kommt nicht darauf an, welchen Wert der Kaufgegenstand im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich hatte, sondern allein darauf, daß unter Zugrundelegung des vereinbarten und bezahlten Kaufpreises der ursprüngliche Zustand durch Rückstellung des Geleisteten wieder hergestellt wird. Geleistet wurde aber vom Käufer ein Betrag von 3000 S und vom Verkäufer wurde hiefür ein Auto ausgefolgt. Während der Verkäufer infolge Rücktritts vom Vertrag durch den Käufer diesem die obgenannten 3000 S rückerstatten muß, hat der Käufer, der das Auto durch sein Verhalten im Wert verminderte, die Differenz des Jetztwertes des Autos vom Kaufpreis zwecks Wiederherstellung des bei Errichtung des Kaufvertrages bestandenen Zustandes zu ersetzen.

Der Kläger wäre daher nach diesen Grundsätzen verpflichtet, den gesamten Differenzbetrag zwischen dem Kaufpreis und den vom Sachverständigen errechneten Jetztwert des Autos, d. i. 2700 S, zu ersetzen.

Wenn daher das Gericht zweiter Instanz diese Gegenforderung des Beklagten nur mit einem Betrag von 1350 S unangefochten von einem Rechtsmittel des Beklagten feststellte, so kann der Kläger sich hiedurch nicht beschwert erachten.

Der Ausspruch über die Gegenforderung des Beklagten erfolgte daher zu Recht.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte