Spruch:
Der Leasinggeber, der vertraglich berechtigt ist, den wegen Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtungen zurückgenommenen Leasinggegenstand auf Rechnung des ehemaligen Leasingnehmers zu verkaufen, hat dabei dessen Interessen zu wahren; dieser Verpflichtung ist durch Verkauf um den von einem gerichtlich beeideten Sachverständigen geschätzten Verkehrswert entsprochen
OGH 12. 1. 1983, 1 Ob 827/82 (KG Wiener Neustadt R 229/82; BG Wiener Neustadt 2 C 473/81)
Text
Die klagende Partei vermietete dem Beklagten mit Miet-(Leasing-)Vertrag vom 12. 10. 1979 einen fabriksneuen PKW Toyota Celica XT, den sie um den Preis von 151 281 S von der Firma F erworben hatte. Die Leasingraten wurden für die unkundbare Mietdauer von 60 Monaten mit 3 198.98 S monatlich wertgesichert festgesetzt. Der Beklagte zahlte 13 Monatsmieten, kam jedoch vom November 1980 bis März 1981 seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nach, sodaß ein Mietzinsrückstand von 16 970.86 S entstand, weshalb die Streitteile die Rücknahme des Fahrzeuges durch die klagende Partei vereinbarten. Vor dieser Rücknahme hatte der Beklagte mit dem Fahrzeug zwei Unfälle. Für den Fall des Zahlungsverzuges des Mieters sieht Punkt XVI des Vertrages folgendes vor:
"Kommt der Mieter mit einer Mietzinszahlung oder einer anderen vereinbarten Zahlung trotz Mahnung und Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen in Rückstand oder erfüllt er eine oder mehrere der in diesem Mietvertrag genannten Verpflichtungen nicht, so hat der Vermieter das Recht, irgendeine, mehrere oder alle der nachstehend genannten Maßnahmen auch nebeneinander - ohne Rücksicht auf den Standort des Mietobjektes oder auf irgendwelche Schäden, die dem Mieter entstehen könnten - anzuwenden:
a) Alle noch nicht fälligen Zahlungsverpflichtungen des Mieters sofort zahlbar zu stellen,
b) diesen Mietvertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen und/oder ohne Benachrichtigung des Mieters das Mietverhältnis durch Plombierung oder andere geeignete Maßnahmen für den weiteren Gebrauch des Mieters untauglich zu machen und/oder das Mietobjekt an sich zu nehmen,
c) alle sonstigen rechtlichen Schritte zu unternehmen, die geeignet erscheinen, die Ansprüche des Vermieters aus diesem Mietvertrag zu befriedigen ...
Hat der Vermieter das Mietobjekt an sich genommen und anderweitig vermietet oder verkauft, dann vermindern sich die oben angeführten Zahlungsverpflichtungen des Mieters um 90% der aus der anderweitigen Vermietung oder dem Verkauf erzielten Einnahmen."
Die klagende Partei begehrt vom Beklagten Zahlung von 92 329.33 S sA mit dem Vorbringen, sie begnüge sich anstelle der ihr nach dem Vertrage gebührenden Verrechnung sämtlicher ausständigen Mietzinszahlungen in der Höhe von 150 352.08 S mit dem Ersatz des Buchwertes des Fahrzeuges im Zeitpunkte der Rückforderung in der Höhe von 119 280.30 S abzüglich des Verkaufserlöses von 45 000 S zuzüglich des bis April 1981 aufgelaufenen Mietzinsrückstandes samt Stufenzinsen.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete Nichtigkeit einzelner Bestimmungen des abgeschlossenen Mietvertrages, insbesondere des Punktes XVI gemäß §§ 864a, 879 Abs. 3 ABGB und § 13 KSchG ein. Er hätte für das Fahrzeug jederzeit einen Käufer gehabt, der einen Kaufpreis von mindestens 65 000 S, wahrscheinlich aber 70 000 S bezahlt hätte.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß der innerbetriebliche Restwert des Fahrzeuges zur Zeit der Vertragsauflösung (24. 4. 1981) 119 280.30 S betragen habe. Der tatsächliche Wert des Fahrzeuges, das nach dem ersten Unfall nur mangelhaft und nach dem zweiten überhaupt nicht repariert worden sei, habe jedoch nur zirka 45 000 S (nach dem Gutachten Beilage C: 42 000 S) betragen. Um 45 000 S habe die klagende Partei das Fahrzeug am 8. 5. 1981 verkauft.
Das Erstgericht nahm keine Nichtigkeit einzelner Bestimmungen des abgeschlossenen Leasingvertrages an. Die von der klagenden Partei vorgenommene Rückverrechnung entspreche der Verkehrsübung und sei bei objektiver Beurteilung sachlich angemessen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht teilte die Ansicht der ersten Instanz, daß die für die Rückabwicklung des gegenständlichen Mietvertrages maßgebenden, vom Beklagten als teilnichtig und sittenwidrig angefochtenen Vertragsbestimmungen rechtswirksam seien, und gelangte nur deshalb zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, weil es die Frage des Restwertes des Fahrzeuges im Zeitpunkte der Vertragsauflösung als aufklärungsbedürftig ansah. Der Beklagte habe zwar in erster Instanz keinen Antrag auf Beweisaufnahme durch Sachverständige gestellt, doch liege in der Unterlassung der amtswegigen Beiziehung eines Sachverständigen zu diesem Beweisthema ein Verfahrensmangel. Zur strittigen Frage des Restwertes des beschädigten Fahrzeuges liege nur ein von der klagenden Partei beigebrachtes Privatgutachten des Sachverständigen Ing. Herbert M vor. Wenn auch diesem Sachverständigen eine zu niedrige Schätzung nicht unterstellt werde, mache doch die Beweisregel des § 294 ZPO die Aufnahme eines gerichtlichen Sachverständigenbeweises von Amts wegen erforderlich. Die klagende Partei sei dafür beweispflichtig, daß sie das Fahrzeug nicht unter dem Verkehrswert verkauft habe.
Über Rekurs der klagenden Partei hob der Oberste Gerichtshof den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß Punkt XVI des Miet-(Leasing-)Vertrages war die klagende Partei, wenn der Beklagte mit seiner Mietzinszahlung trotz Mahnung und Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen im Rückstand war, berechtigt, alle noch nicht fälligen Zahlungsverpflichtungen des Beklagten sofort zahlbar zu stellen, den Vertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen und das Mietobjekt an sich zu nehmen. Wenn die klagende Partei dieses dann verkaufte, verminderte sich die Zahlungsverpflichtung des Beklagten um 90% der aus dem Verkauf erzielten Einnahmen. Die klagende Partei machte nach einverständlicher Rücknahme des geleasten Fahrzeuges von dem Recht des Verkaufes des PKW Gebrauch, sodaß die klagende Partei vertraglich verpflichtet war, dem Beklagten zumindest 90% des beim Verkauf erzielten Erlöses von seiner Schuld abzuziehen. Es ist herrschende Auffassung, daß die Erfüllung von Verträgen nach der Übung des redlichen Verkehrs und unter Wahrung der Interessen des anderen Teiles zu erfolgen hat (SZ 51/103; EvBl. 1979/3; EvBl. 1976/224 ua.; Gschnitzer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil 31) und die Verletzung dieser Verpflichtung schadenersatzpflichtig macht (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] I 259). Das gilt auch für die vertragsgemäße Abwicklung eines aufgelösten Leasingvertrages bei Weiterverkauf des zurückgenommenen Vertragsgegenstandes auf Rechnung des ehemaligen Leasingnehmers, wird doch sogar außerhalb bestehender Vertragsverhältnisse verlangt, daß der Geschädigte verhalten ist, seinen Schaden möglichst gering zu halten und von sich aus alle zumutbaren Maßnahmen zur Schadensminderung zu treffen (SZ 51/7; SZ 45/5; SZ 39/110 ua.). Die Verletzung von sich aus dem Vertrag ergebenden Sorgfaltspflichten ist rechtswidrig und schuldhaft und führt zu einer Verminderung von Ersatzansprüchen eines Geschädigten (Koziol, JBl. 1972, 228) und in gleicher Weise auch zur Minderung vertraglicher Leistungsverpflichtungen eines Vertragspartners, dessen Verbindlichkeiten der Höhe nach von einem Verhalten des Anspruchsberechtigten abhängen. Die klagende Partei war daher, wenn sie den in ihrem Eigentum stehenden, dem Beklagten geleasten PKW zurücknahm und dann weiterverkaufte, in Wahrung der Interessen des Beklagten, dem der erzielte Erlös zu 90% auf seine Schuld anzurechnen war, verpflichtet, zu einem angemessenen Preis zu verkaufen, jedenfalls aber den entsprechenden Betrag auf die Schuld des Beklagten anzurechnen. Als Eigentümerin des PKW war sie aber nicht verpflichtet, die Zustimmung des Beklagten einzuholen oder ihn auch nur zu befragen, ob er einen Käufer namhaft machen könne. Zur vertragsgemäßen Wahrung der Interessen des Beklagten genügte es vielmehr, den Verkehrswert des Fahrzeuges festzustellen und nicht unter diesem zu verkaufen. Dieser Verpflichtung entsprach die klagende Partei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes aber, wenn sie den Wert des Fahrzeuges durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen schätzen ließ und dem Beklagten einen Betrag in der Höhe von mindestens 90% des vom Sachverständigen geschätzten Wertes gutschrieb. Kam sie diesen Verpflichtungen nach und wurde nicht einmal behauptet, es sei ihr aufgefallen oder es hätte ihr auffallen müssen, daß der vom Sachverständigen ermittelte Verkehrswert nicht dem tatsächlichen entsprach, bestand kein Anlaß, das von der klagenden Partei eingeholte Gutachten auf seine Richtigkeit zu überprüfen, weil eine rechtlich relevante Verletzung der Schadensminderungspflicht gar nicht behauptet war. Daß das Schätzungsgutachten, auf Grund dessen die klagende Partei verkaufte, prozessual ein Privatgutachten war, ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes ohne Belang, da im Verfahren nur zu beurteilen war, ob die klagende Partei die Interessen des Beklagten vor dem Rechtsstreit in Erfüllung ihrer vertraglichen Sorgfaltspflichten ausreichend gewahrt hatte. Hat sie das getan, ist die Prüfung der Richtigkeit des von der klagenden Partei eingeholten Gutachtens im Prozeß wegen fehlenden Verschuldens der klagenden Partei ohne rechtliche Relevanz. Einer Ergänzung des erstgerichtlichen Verfahrens in dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Umfang bedarf es also nicht.
Im übrigen billigt der OGH die vom Beklagten nicht bekämpfte Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die für die Rückabwicklung des gegenständlichen Mietvertrages maßgebenden, vom Beklagten als teilnichtig und sittenwidrig angefochtenen Vertragsbestimmungen rechtswirksam sind. Ob die klagende Partei berechtigt gewesen wäre, die bei Fortbestand des Mietvertrages erst nach und nach in Zukunft fällig werdenden Mietzinse bei Fälligstellung gemäß Punkt XVI lit. a des Vertrages ohne Abzug von Zwischenzinsen zuverlangen, bedarf keiner Prüfung, weil die klagende Partei bei der Berechnung der Klagsforderung ohnehin nicht von der Summe der noch ausständigen Mietzinse in der Höhe von 150 352.08 S, sondern vom Ersatz des "Buchwertes" des Fahrzeuges im Zeitpunkte der Rückforderung in der Höhe von 119 280.30 S, also von einem um mehr als 30 000 S niedrigeren Betrag, ausging. Eine dem Beklagten nachteilige Vorgangsweise bei der Rückverrechnung ist dann vor allem bei Bedachtnahme darauf, daß der Leasingvertrag den Beklagten gegenüber einem Barverkauf bei ordnungsgemäßer Erfüllung um 40 657.80 S mehr gekostet hätte, dem Beklagten also ohnehin etwa drei Viertel der vollen Leasingkosten gutgeschrieben wurden, nicht zu erkennen.
Die Rechtssache ist daher iS der Bestätigung des Ersturteils spruchreif.
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