OGH 1Ob81/55

OGH1Ob81/552.3.1955

SZ 28/60

Normen

ABGB §938
ABGB §942
ABGB §948
ABGB §938
ABGB §942
ABGB §948

 

Spruch:

Zum Widerruf der Schenkung bei einem gemischten Geschäft.

Entscheidung vom 2. März 1955, 1 Ob 81/55.

I. Instanz: Landesgericht Feldkirch; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.

Text

Im Notariatsakt vom 8. September 1949 hat der Kläger der Beklagten die Hälfte zweier Liegenschaften übergeben. Der "Übergabspreis" wurde mit 10.000 S bestimmt. Er sollte dadurch ausgeglichen sein, daß die Beklagte von den auf den Liegenschaften haftenden Hypothekarschulden im Beträge von 20.000 S die Hälfte zur weiteren Verzinsung und Zahlung übernimmt. Die Untergerichte haben sowohl das Hauptbegehren, die Nichtigkeit des Notariatsaktes festzustellen, als auch das Eventualbegehren, der Schenkungsvertrag werde wegen des Widerrufs der Schenkung aufgehoben und die Beklagte sei aus einem dieser Gründe verpflichtet, die Liegenschaftshälften rückzuübertragen, wobei der Kläger die Pfandforderung wieder zu übernehmen hätte, abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei teilweise Folge, bestätigte die Abweisung des Hauptbegehrens und änderte im übrigen das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß der Vertrag vom 8. September 1949 zwischen den Streitteilen wegen Widerrufes der darin enthaltenen Schenkung aufgehoben werde und die beklagte Partei daher schuldig sei, dem Kläger binnen 14 Tagen bei Exekution den auf ihren Namen eingetragenen Hälfteanteil an den beiden Liegenschaften zu übergeben und - bei gleichzeitiger Übernahme der Pfandforderung durch den Kläger - in die Einverleibung des Eigentumsrechtes an diesen Liegenschaften zugunsten des Klägers einzuwilligen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Hauptbegehren wurde von den Untergerichten mit Recht abgewiesen. Denn der Kläger hat nichts vorgebracht, woraus sich der Mangel seiner Einwilligung bei Abschluß des Notariatsaktes ergeben könnte. Wenn der Kläger geltend macht, er habe sich im Augenblick der Errichtung des Notariatsaktes über die eheliche Treue seiner Gattin getäuscht, so meint er damit nicht die angeblichen Verfehlungen der Beklagten mit einem Marokkaner, die längere Zeit vor Abschluß des Vertrages liegen und die ihm damals bekannt waren, sondern die Verhältnisse zu Hans T. und Robert V. Von dem ersten Verhältnis stellt das Erstgericht übereinstimmend mit dem Urteil im Ehescheidungsverfahren fest, daß es dem Kläger erst zu Weihnachten 1949 zur Kenntnis gelangte. Wenn das Berufungsgericht aus der Widerklage im Ehescheidungsverfahren schließen will, daß der Kläger schon vor der Vertragserrichtung von diesem Verhältnis etwas wußte, so ist dieser Schluß offenbar falsch, denn die Widerklage enthält nur Angaben, wann das Verhältnis der Beklagten mit Hans T. begonnen hat, und nicht, wann es dem Kläger bekannt wurde. Die Anfechtung wegen Irrtums ist jedoch deswegen nicht möglich, weil ein Irrtum im Beweggrunde vorliegt, der auch nach § 572 ABGB. die Gültigkeit einer unentgeltlichen Verfügung nur dann hinderte, wenn das Motiv bei der Verfügung ausdrücklich als Beweggrund angegeben und nachgewiesen worden wäre, daß die Verfügung einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrund beruhte. Dem Geschenkgeber muß aber wegen Verletzungen der im § 948 ABGB. genannten Art das Recht, das Geschenk zu widerrufen, auch dann gegeben werden, wenn die Verletzung vor der Schenkung erfolgte und dem Geschenkgeber zur Zeit der Schenkung nicht bekannt war.

Die Untergerichte haben unter Heranziehung der Feststellungen im Scheidungsurteil angenommen, daß es zu schwerwiegenden Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen erst kam, als die Beklagte im Laufe des Jahres 1949 in engere Beziehungen zu Hans T. trat, die im Laufe der Zeit immer enger wurden, zumindest ehewidrigen Charakter annahmen und zu einem Liebesverhältnis und zu intimen Zärtlichkeiten führten, wenn auch ein Geschlechtsverkehr nicht erwiesen Werden konnte. Im Sommer 1951 sei es zwischen der Beklagten und Anton R. zum Geschlechtsverkehr gekommen. Ein Geschlechtsverkehr mit Robert V. sei nicht erwiesen. Der Kläger habe erst, als er zu Weihnachten 1949 von den Beziehungen der Beklagten zu Hans T. erfuhr, zu trinken begonnen. Dann beschimpfte er die Beklagte als Hure, warf ihr den Ring vor die Füße, beschimpfte und bedrohte sie. Im März 1950 ließ der Kläger, nachdem er beobachtet hatte, daß die Beklagte und Hans T. sich küßten, Most und Wein im Keller auslaufen und zerschlug Weinflaschen. Er machte dem Gustav F. den Vorschlag, zu seiner Frau aufs Zimmer zu gehen. Er hat sich im Jahre 1949 in angeheitertem Zustand mit Ilga H. ehewidrig abgegeben. Auf Grund der im vorliegenden Verfahren weiter gepflogenen Erhebungen wurde festgestellt, daß er der letztgenannten Zeugin Ilga H. gegenüber einige Male Annäherungsversuche machte. Er hat sich auch sonst gelegentlich für andere Frauen interessiert. Eln Ehebruch auf seiner Seite ist nicht nachgewiesen. Um die Wirtschaft und die Kinder hat sich der Kläger wenig gekümmert.

Der Oberste Gerichtshof kann sich der Meinung der Untergerichte nicht anschließen, daß der Widerruf der Schenkung nicht gerechtfertigt sei. Schon das Verhalten der Beklagten zu Hans T. war ein die Ehre des Klägers kränkendes Verhalten, wegen dessen auf Verlangen des Klägers gegen die Beklagte nach § 525 StG. verfahren werden konnte. Es kann auch durchaus nicht gesagt werden, daß dieses Verhalten der Beklagten durch irgendwelche Umstände im Sinne der Entscheidung RiZ. 1934 S. 51 als gemildert angesehen werden könnte. Insbesondere können Verfehlungen des Klägers, die nicht in unmittelbarer Beziehung zu den Verfehlungen der Beklagten stehen, den Kläger nicht des Rechtes berauben, wegen des Verhaltens der Beklagten seine Geschenke zu widerrufen. Es ist dabei zu beachten, daß die Trunksucht des Klägers, die Beschimpfungen und Mißhandlungen, die boshafte Sachbeschädigung und auch die Aufforderung gegenüber dem Zeugen Gustav F. sich als Reaktionen auf das Verhalten der Beklagten darstellen. Wenn sie auch übermäßig waren und für die Frage der Beurteilung des Verschuldens bei der Ehescheidung eine Rolle spielen, so können sie doch ebenso wie gelegentliche Verletzungen der ehelichen Treue durch den Kläger, selbst soweit sie dem Verhalten der Beklagten gegenüber Hans T. und ihrem Ehebruch vorausgehen, die Verfehlungen der Beklagten nicht rechtfertigen. Soweit sie diesem Verhalten nachfolgen, können sie das Recht des Klägers, die Schenkung zu widerrufen, nicht beeinträchtigen.

Auf die Rüge des Klägers, das Erstgericht hätte sich nicht an die Beweisergebnisse des Scheidungsverfahrens halten, sondern selbst Beweise über das Verhalten der Beklagten aufnehmen sollen, um insbesonderen festzustellen, daß die Beklagte zu Hans T. in ehebrecherischen Beziehungen gestanden ist, bemerkte das Berufungsgericht, daß das Erstgericht sich mit Recht an die Würdigung der Beweise und, an die Feststellungen im Ehescheidungsurteil gehalten hat. Eine abermalige andere Würdigung der Beweise würde sich als eine unzulässige Überprüfung eines bereits festgestellten Tatbestandes darstellen, die nur im Wege er Rechtsmittelklagen möglich wäre. Dieser Ansicht des Berufungsgerichtes kann nicht beigetreten werden. Denn von einer rechtskräftigen Feststellung eines Tatbestandes kann, abgesehen von der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde, nur insofern gesprochen werden, als innerhalb eines Verfahrens die nicht angefochtenen Feststellungen des Erstgerichtes und die Feststellungen des Berufungsgerichtes einer weiteren Überprüfung nicht unterliegen. Auf ein anderes Verfahren über andere Ansprüche können Feststellungen nicht übertragen werden. Die Untergerichte hätten also die Tatbestände selbst prüfen sollen, soweit die Parteien nicht das, was im früheren Verfahren festgestellt wurde, nunmehr selbst ihren Ausführungen zugrunde legten oder die auf mangelhafter Grundlage vorgenommenen Feststellungen nicht anfochten. Die Rüge des Klägers ist nun allerdings dadurch gegenstandslos geworden, daß der Oberste Gerichtshof seinem Klagebegehren Folge gibt.

Die Beklagte hat wohl in der Klagebeantwortung noch erklärt, daß sie nach wie vor einen Ehebruch bestreite, sie hat jedoch in der Berufungsmitteilung und in der Revisionsbeantwortung gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes nichts vorgebracht. Es kann also zumindestens im Sinne des § 267 ZPO. angenommen werden, daß die Beklagte die Feststellungen des Erstgerichtes, wenn sie auch nur auf der Grundlage des Ehescheidungsverfahrens erfolgten, nicht bestreitet und anficht. Es kann also auch die Frage dahingestellt bleiben, ob der Feststellung des Ehebruches der Beklagten mit Anton R. eine über die Vorschrift des § 9 Abs. 1 EheG. und über das Ehescheidungsverfahren selbst hinausreichende Bedeutung zukommt.

Die Beklagte hat sich wohl noch in der Berufungsmitteilung gegen die Feststellungen der Untergerichte gewendet, aus denen sich ergibt, daß der Übergabsvertrag ein gemischtes Geschäft zum Inhalt habe. In der Revisionsbeantwortung wird der Standpunkt des Berufungsgerichtes nicht mehr bekämpft. Da sich Bedenken gegen die Annahme der Untergerichte nicht ergeben, kann also der Entscheidung zugrunde gelegt werden, daß der Notariatsakt nicht ein entgeltliches, sondern zumindest ein gemischtes Geschäft zum Inhalt hatte. Die Untergerichte haben angenommen, daß der Widerruf der Schenkung das gesamte Geschäft als anfechtbar erscheinen läßt; sie können sich für ihre Meinung auf die Entscheidung SZ. V 42 berufen. Es ist allerdings zu prüfen, ob der Oberste Gerichtshof nicht durch den Spruch Nr. 6 gebunden ist, im Gegensatz zu dieser Entscheidung anzunehmen, daß ein gemischtes Geschäft nur so weit anfechtbar ist, als es eine Schenkung darstellt. Dieselbe Rechtsmeinung wird auch in der Entscheidung DREvBl. 1940 Nr. 166 eingenommen. Ihr könnte entgegengesetzt werden, daß der Widerruf bei einem gemischten Geschäft, soweit es eine Schenkung ist, nur die Wirkung haben kann, daß der angeblich Beschenkte sich nun einer Anfechtung dieses Geschäftes wegen laesio enormis nicht mehr widersetzen kann, daß also der Widerruf der Schenkung zugleich eine Anfechtung des Geschäftes wegen laesio enormis enthält, die mit dem Widerruf der Schenkung möglich geworden ist und die das ganze Geschäft als wirkungslos erscheinen läßt, wenn sich der Gegner nicht bereit erklärt, das Fehlende zu ergänzen. Wenn der Geschenkgeber, wie dies im Falle des Spruches 6 geschehen ist, gleich die Ergänzung des Fehlenden verlangt, ohne daß ihm der Beklagte einwendet, daß er auf der Aufhebung des ganzen Vertrages bestehe, so muß angenommen werden, daß auch er mit der Ergänzung des Fehlenden einverstanden ist, daß der Kläger mit der Klage das dem Beklagten zustehende Gegenrecht mit dessen Zustimmung vorweggenommen hat. Man gelangt also zu dem Ergebnis, daß der Spruch selbst den Geschenkgeber nicht auf das Recht beschränkt, die Ergänzung zu verlangen, daß sich aber aus der Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeit, soweit eine Schenkung im Geschäft mitenthalten ist, die Notwendigkeit ergibt, dem Gegner das Recht einzuräumen, das Fehlende zu ergänzen (Swoboda in Klang 1. Aufl. II/2 S. 624, Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 368). Da die Beklagte ein solches Recht nicht in Anspruch genommen hat, genügt es festzustellen, daß der Spruch an sich die Anfechtung des gesamten Geschäftes unter Vorbehalt des Rechtes des Geschenknehmers, das Fehlende zu ergänzen, nicht ausschließt.

Es kann also dahingestellt bleiben, ob überhaupt ein gemischtes Geschäft oder ob nicht eine reine Schenkung vorliegt, weil der Übergabspreis ja lediglich in der Übernahme der Belastungen der Liegenschaften bestand. Ebenso kann die Frage dahingestellt bleiben, ob der Übergabsvertrag nicht als Ehepakt angesehen werden müßte, der mit der Scheidung der Ehe der Streitteile aus beiderseitigem Verschulden, wie Lehre und Rechtsprechung übereinstimmend aus § 1266 ABGB. schließen, zerfallen ist, so daß schon deswegen die Rückforderung der Liegenschaft dem Kläger gegen Rückstellung des Übergabspreises zustand.

Die Beklagte hat nicht vorgebracht, daß durch die in den Urteilsspruch aufgenommene Rückübernahme der Pfandforderung die von ihr erbrachte Gegenleistung nicht voll zurückgestellt wird. Sie hat insbesondere nicht behauptet, daß sie infolge der Übernahme der Belastung aus ihren eigenen Geldmitteln etwas auf die Pfandforderung bezahlt hat oder daß sie der Gläubigerin gegenüber eine persönliche Verpflichtung übernommen hat, die durch einen Urteilsspruch zwischen den Streitteilen nicht wieder beseitigt werden kann.

Es ergibt sich also, daß das Hauptbegehren des Klägers nicht beggrundet war, wohl aber das Eventualbegehren, daß der Notariatsvertrag wegen des Widerrufes der Schenkung aufgehoben und daß die Beklagte schuldig ist, dem Kläger die Liegenschaftshälfte zurückzustellen.

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