Spruch:
Der Rechtsanwalt darf die Wahrung wichtiger Fristen nicht seinem Mandanten überantworten
Liegt das Verschulden eines beklagten Rechtsanwalts in der Unterlassung der Aufklärung über die Notwendigkeit einer Prozeßhandlung, ist der deswegen nicht fortgesetzte Prozeß hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte
OGH 30. 11. 1983, 1 Ob 785/83 (LG Salzburg 32 R 368/82; BG Salzburg 14 C 2696/79)
Text
Der Beklagte, ein Rechtsanwalt, vertrat den Kläger in mehreren Zivilprozessen rechtsfreundlich, darunter in einem gegen die Firma Gebrüder B gerichteten Verfahren zu 1 Cg 179/74 des LG S. Der Kläger hatte der Firma Gebrüder B im Juli 1972 eine Kesselanlage mit automatischer Spänefeuerung zum Preis von 269 500 S geliefert. Wegen nicht vollständiger Bezahlung brachte der Kläger am 27. 5. 1974 gegen die Firma Gebrüder B eine Klage auf Bezahlung des restlichen Preises zuzüglich ihm entstandener Diskontspesen von 68 520.69 S sA ein. Die Firma Gebrüder B wendete in diesem Verfahren ein, daß die Kesselanlage nicht die ausdrücklich zugesicherte Leistung von 1 000 000 Kcal/h erbringe und sich bei der Inbetriebnahme schwerwiegende Mängel der Anlage herausgestellt hätten. Diese Mängel seien entgegen der Zusicherung des Klägers nicht behoben worden. Die Forderung sei daher nicht fällig. Weiters wurde eine Gegenforderung in der Höhe von 30 000 S aufrechnungsweise eingewendet. In der mündlichen Streitverhandlung vom 18. 9. 1974 wurde der Beweisbeschluß ua. auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die von der Firma Gebrüder B behaupteten Mängel sowie darüber gefaßt, daß die zugesicherte Heizleistung von 1 000 000 Kcal/h nicht erbracht werde und dem Kläger ein Konstruktionsfehler anzulasten sei. Mit Beschluß des LG S vom 27. 12. 1974 wurde Ing. Hans A zum Sachverständigen bestellt. Der Sachverständige führte eine Befundaufnahme im Beisein der Parteien durch. Vor Erstattung des schriftlichen Gutachtens verstarb er aber im Jahre 1976. In der Tagsatzung vom 23. 9. 1976 vereinbarten der Kläger und die Firma Gebrüder B Ruhen des Verfahrens, um einen letzten Versuch zu einer gütlichen Regelung zu machen. In der Folge informierte der Kläger den Beklagten wiederholt von den von ihm vorgenommenen Schritten und Absichten. Der Beklagte äußerte sich dahin, daß er die Ruhensvereinbarung keineswegs gutheiße. Er beantwortete nur mehr an ihn gerichtete konkrete Fragen des Klägers, insbesondere über die Möglichkeit einer Strafanzeige gegen die Firma Gebrüder B. Darum, ob die Ansprüche des Klägers infolge Ablauf der Ruhensfrist verjähren könnten, kümmerte er sich nicht. Der Kläger ersuchte den Beklagten mit Schreiben vom 5. 4. 1977, ihm mitzuteilen, was von ihm zu unternehmen sei, damit er bei der Firma Gebrüder B zu seinem Geld komme. Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 22. 4. 1977, daß er bereit sei, die Sache nochmals aufzunehmen, zumal eine Fortsetzung des ruhenden Verfahrens jederzeit möglich sei. Wenn der Kläger weitere Schritte wünsche, möge er wegen eines Besprechungstermins anrufen. Es folgte ein weiterer Schriftwechsel über den zugunsten des Klägers bestehenden Eigentumsvorbehalt an der Feuerungsanlage. Der Kläger erstattete am 1. 8. 1977 gegen Josef B eine Strafanzeige. Mit Schreiben vom 15. 9. 1977 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er sei vom Gericht verständigt worden, daß der seinerzeit im Verfahren Gebrüder B erlegte Kostenvorschuß von 5000 S direkt an ihn zurücküberwiesen werde. Er hielt fest, daß ihm vom Kläger weder ein Auftrag zur Fortsetzung des Zivilprozesses noch zur Einbringung einer Strafanzeige erteilt worden sei. Damit sei die Sache in seiner Kanzlei erledigt. Der Ablauf der Verjährungsfrist werde daher nicht in Evidenz gehalten. Der Kläger müßte daher, sollte die Forderung doch noch geltend gemacht werden, selbst die Verjährung beachten und sich neuerlich wegen einer allfälligen Fortsetzung des Verfahrens mit dem Beklagten in Verbindung setzen. Der Kläger richtete darauf am 16. 9. 1977 ein Schreiben an den Beklagten, in dem er mitteilte, daß für ihn die Angelegenheit keineswegs abgeschlossen sei, er bitte daher um die Mitteilung, wann Verjährung eintreten und was von seiner Seite unternommen werden könne, um das Strafverfahren in Gang zu bringen oder zu beschleunigen. Dieses Schreiben wurde vom Beklagten nicht beantwortet. Der Kläger, der der irrigen Meinung war, die dreijährige Verjährungszeit laufe vom Tage der Ruhensvereinbarung an, beaufragte am 16. 9. 1979 Rechtsanwalt Dr. Martin S mit der Fortsetzung des Verfahrens gegen die Firma Gebrüder B. Mit Schreiben vom 19. 9. 1979 kundigte er dem Beklagten die das Verfahren Gebrüder B betreffende Vollmacht auf und ersuchte ihn um Übersendung der vollständigen Unterlagen, die der Beklagte auch mit Schreiben vom 24. 9. 1979 übermittelte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Dr. Martin S schon einen Fortsetzungsantrag eingebracht. Da die Firma Gebrüder B erklärte, sie werde Verjährung der Forderung des Klägers einwenden, wurde zwischen dem Kläger und der Firma Gebrüder B vor Eingehen in die mündliche Streitverhandlung vom 20. 11. 1979 ewiges Ruhen des Verfahrens vereinbart. Der Kläger ersetzte der Firma Gebrüder B vereinbarungsgemäß Prozeßkosten in der Höhe von 15
424.56 S.
Der Kläger stellt das Begehren auf Zuspruch des Betrages von 63 945.25 S sA, davon einen Betrag von 48 520.69 S, weil er infolge Verjährung seiner Forderung diesen Restbetrag nicht von der Firma Gebrüder B habe erhalten können, und 15 424.56 S an Prozeßkosten, die er an die Firma Gebrüder B bezahlt habe. Seine Forderung gegen die Firma Gebrüder B sei nur deshalb verjährt, weil er der irrigen Meinung gewesen sei, die Verjährung trete erst drei Jahre nach der Ruhensvereinbarung ein. Er sei vom Beklagten nicht auf die Möglichkeit der Verjährung des Anspruches bei Ruhen des Verfahrens hingewiesen worden, obwohl er ausdrücklich um eine solche Belehrung ersucht habe. Der Kläger sei weder anläßlich der Ruhensvereinbarung vom 23. 9. 1976 von dem die Verhandlung verrichtenden Konzipienten noch später vom Beklagten selbst darauf aufmerksam gemacht worden, daß das Verfahren zwecks Vermeidung der Verjährung des geltend gemachten Anspruches nach Ablauf von drei Monaten fortzusetzen sei. Der Beklagte habe vielmehr erklärt, der Kläger müsse sich selbst um die Verjährung kümmern. Schreiben des Klägers, wann die Verjährung eintrete, habe der Beklagte nicht beantwortet. Der Kläger sei nie auf die Verjährungsfolgen einer Ruhensvereinbarung hingewiesen worden. Er habe dadurch den Eindruck gewonnen, daß die Sache nicht so eile und die Forderung erst nach drei Jahren seit Ruhenseintritt verjähre. Letztlich habe der Beklagte die Prozeßunterlagen nicht rechtzeitig zurückgesendet, sodaß ohne deren Prüfung der Fortsetzungsantrag habe gestellt werden müssen. Insbesondere stützte der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf die Bestimmung des § 1003 ABGB. Der Beklagte hätte ihm nach der Ruhensvereinbarung mitzuteilen gehabt, zu welchem Zeitpunkt spätestens ein Fortsetzungsantrag zu stellen sei. Er hätte auch seine Anfrage, wann die Verjährung eintrete, beantworten müssen. Im übrigen habe ihn der Beklagte im Prozeß gegen die Firma Gebrüder B schlecht vertreten, weil er ungeachtet erteilter Information das unwahre Prozeßvorbringen der Gegenseite in der Klagebeantwortung nicht detailliert bestritten und insbesondere nicht darauf hingewiesen habe, daß nicht eine Heizleistung von 1 000 000 Kcal/h, sondern nur eine solche von 720 000 Kcal/h vereinbart worden sei. Er habe es unterlassen, die Auftragsurkunde dem Gericht vorzulegen, sodaß dem Sachverständigen ein unrichtiger Auftrag erteilt worden sei. Der Beklagte habe ihn auch von einer Urkundenvorlage durch den Prozeßgegner nicht verständigt.
Der Beklagte wendete ein, er habe den Kläger im Prozeß gegen die Firma Gebrüder B ordnungsgemäß vertreten. Der Kläger selbst habe den bestellten Sachverständigen die für die Gutachtenserstattung notwendigen Urkunden nicht übergeben. Trotz Abratens habe der Kläger am 23. 9. 1976 eine Ruhensvereinbarung getroffen, um mit dem Prozeßgegner in Verhandlungen treten zu können. Der Kläger sei sowohl bei der mündlichen Streitverhandlung vom 23. 9. 1976 als auch später ausdrücklich über die Folgen der Ruhensvereinbarung aufmerksam gemacht worden. Die spätere Korrespondenz habe sich nur auf die Frage des Eigentumsvorbehaltes der gelieferten Feuerungsanlage und die Möglichkeit der Erstattung einer Strafanzeige beschränkt. Es sei darin nicht um eine mögliche Fortsetzung des Verfahrens gegangen. Mit Schreiben vom 15. 9. 1977 habe der Beklagte dem Kläger mitgeteilt, daß der das Verfahren die Firma Gebrüder B betreffende Akt erledigt sei und er die Verjährungsfrist nicht in Evidenz halte. Die Aktenunterlagen des Verfahrens seien dem Kläger über dessen erste Aufforderung am 27. 9. 1979 übersendet worden. Hätte der Kläger im Jahre 1979 keinen Fortsetzungsantrag gestellt, hätte die Firma Gebrüder B ihre bis dahin aufgelaufenen Prozeßkosten nicht ersetzt verlangt.
Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Es stellte fest, der Kläger sei in der mündlichen Streitverhandlung vom 23. 9. 1976 vom Konzipienten des Beklagten auf die Folgen der Ruhensvereinbarung aufmerksam gemacht worden; es sei aber nicht mehr feststellbar, über welche Folgen des Ruhens der Kläger im einzelnen belehrt worden sei. Dem Kläger sei auch erklärt worden, daß das Verfahren erst am 24. 12. 1976 fortgesetzt werden könne. Auch der Beklagte habe später den Kläger über die Folgen der Ruhensvereinbarung belehrt. Auch hier könne aber nicht festgestellt werden, auf welche Folgen sich diese Belehrung bezogen habe. Für den Beklagten sei die Rechtssache Firma Gebrüder B damit erledigt gewesen. In seiner Beweiswürdigung führte das Erstgericht weiters aus, es habe nicht festgestellt werden können, daß die von der Firma Gebrüder B eingewendeten Mängel nur auf eine Fehlbedienung zurückzuführen seien, da nicht mehr Beweisergebnisse vorlägen als in dem Prozeß gegen die Firma Gebrüder B. Selbst wenn der Kläger nunmehr seinen Sohn als Zeugen zum Beweis dafür führe, so hätte auch dessen Zeugenaussage nach so langer Zeit nicht mehr die im Vorakt bereits erliegenden Vorgutachten des Sachverständigen aus der Welt schaffen können.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der Kläger habe schon auf Grund des Schreibens des Beklagten vom 15. 9. 1977 gewußt, daß der Beklagte den Akt in seiner Kanzlei als erledigt ansehe und den Ablauf der Verjährungsfrist nicht in Evidenz halte. Er hätte bereits ab diesem Zeitpunkt überprüfen können, ob sein Anspruch inzwischen verjährt sei oder nicht. Schließlich habe aus dem durchgeführten Beweisverfahren kein Anhaltspunkt dafür gewonnen werden können, daß der Kläger bei rechtzeitiger Fortsetzung des Verfahrens gegen die Firma Gebrüder B obsiegt und seine Forderung durchgesetzt hätte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei. Wenn das Erstgericht ausführte, es sei nicht mehr feststellbar, auf welche Folgen der Kläger im einzelnen hingewiesen worden sei, so ergäbe sich doch aus den insoweit übereinstimmenden Aussagen des seinerzeitigen Konzipienten des Beklagten und dessen Parteiaussage, daß der Kläger auch auf die Verjährungsfolgen für den Fall des Ruhens hingewiesen worden sei. Wann die Verjährung der vom Kläger behaupteten Forderung gegen die Firma Gebrüder B eingetreten sei, sei auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes derzeit nicht beurteilbar. Es könne daher auch nicht gesagt werden, ob der Kläger gehalten gewesen sei, zur Vermeidung der Verjährung seines Anspruches sofort nach Ablauf der Ruhensfrist einen Fortsetzungsantrag zu stellen. Entgegen dem Berufungsvorbringen sei der Kläger im Rahmen der Belehrung über die Rechtsfolgen auch auf die Verjährung hingewiesen worden. Dem Schreiben des Beklagten vom 15. 9. 1977 komme keine selbständige rechtserhebliche Bedeutung zu. In der Nichtbeantwortung des Schreibens vom 16. 9. 1977 könne keine Verletzung der Bestimmung des § 1003 ABGB erblickt werden, da der Beklagte unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hatte, daß er in dieser Sache nicht mehr ohne weiteren Auftrag des Klägers tätig werden wolle. Es sei auch für den Kläger ohne weiteres möglich gewesen, Auskunft über die Verjährung von dritter Seite zu erlangen. Für die Behauptung, daß ein Schaden eingetreten sei, treffe den Kläger die Beweislast, da die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB nur dann Platz greife, wenn es darum gehe, den Beweis für die Behauptung zu erbringen, daß jemanden an der Erfüllung seiner Verbindlichkeit kein Verschulden getroffen habe. Dem Kläger sei aber der Beweis für den Eintritt eines konkreten Schadens aus einem Verhalten des Beklagten nicht gelungen. Das Erstgericht habe daher zutreffend das Klagebegehren abgewiesen.
Über die außerordentliche Revision des Klägers hob der Oberste Gerichtshof, der die Revision für zulässig erachtete, die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Beklagte hatte vom Kläger den Auftrag und die Vollmacht erhalten, ihn in der Rechtssache gegen die Firma Gebrüder B rechtsfreundlich zu vertreten. Eine Prozeßbehauptung, dieses Vollmachtsverhältnis wäre vom Beklagten bereits aus Anlaß der Ruhensvereinbarung aufgelöst worden, wurde vom Beklagten nicht aufgestellt und würde auch den wiederholten Schriftwechsel der Streitteile in dieser Angelegenheit nach der Ruhensvereinbarung unerklärlich machen. Eine Kündigung des Vollmachtsverhältnisses erfolgte insbesondere auch nicht mit dem Schreiben des Beklagten vom 15. 9. 1977, in dem er dem Kläger nur mitteilte, daß der Akt in seiner Kanzlei erledigt sei und er den Ablauf der Verjährungsfrist nicht in Evidenz halten werde.
Gemäß § 9 RAO ist der Rechtsanwalt ua. verpflichet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Diese Bestimmung ergänzt den § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragene Geschäft emsig und redlich zu besorgen. Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwaltes, der eine Vertretung übernimmt, gehört die Belehrung des meist rechtsunkundigen Mandanten (Fenzl in ÖJZ 1951, 402 f.). Bestand das Auftragsverhältnis bis zum Jahr 1979 weiter, hatte der Beklagte als Rechtsfreund des Klägers daher die Verpflichtung, den Kläger über alles, was für dessen weiteres Verhalten in dieser Angelegenheit entscheidend sein konnte, aufzuklären (Fenzl aaO 403), insbesondere über die Möglichkeit der Verjährung des geltend gemachten Anspruches. Vertragliche Verpflichtung des Beklagten wäre es nicht nur gewesen, den Kläger anläßlich der getroffenen Ruhensvereinbarung über die Bestimmung des § 1497 ABGB und die Auslegung, die sie durch die Rechtsprechung des OGH gefunden hat, insbesondere darüber, daß nach Ablauf der Ruhensfrist für den Fall, daß Verhandlungen mit der Gegenseite nicht geführt werden oder bereits gescheitert sein sollten, zwecks Vermeidung einer möglichen Verjährung des Anspruches das Verfahren ehestens fortzusetzen sein werde (vgl. SZ 52/30; JBl. 1980, 98 JBl. 1978, 210; SZ 49/106 uva.), zu belehren; der Beklagte hätte auch die dreimonatige Ruhensfrist in Evidenz halten und den Kläger nach ihrem Ablauf nochmals auf die drohende Verjährung für den Fall hinweisen müssen, daß Vergleichsgespräche gescheitert oder gar nicht durchgeführt worden seien. Juristische Laien verstehen erfahrungsgemäß rechtliche Belehrungen nicht immer richtig und neigen insbesondere dazu, Hinweise auf Fristen oder die Folgen prozessualen Verhaltens nicht zu erfassen oder nach einiger Zeit zu vergessen. Sie bestellen nicht zuletzt deswesen einen Rechtsfreund, damit ihre Interessen in jeder Weise gewahrt werden; Fristen und wichtige Termine hat daher nicht der Mandant, sondern der Rechtsanwalt in Evidenz zu halten und zu wahren bzw. wenn der Mandant bestimmte Aufträge erteilt oder unterläßt, den Mandanten auf die möglichen Folgen aufmerksam zu machen. Zur Aufklärung des Klägers wäre der Beklagte umsomehr verpflichtet gewesen, als er mit ihm nach Ablauf der Ruhensfrist in mehrfachem Schriftwechsel stand und daher wußte, daß ein Fortsetzungsantrag im Prozeß in Betracht kam; eine Verjährungseinwendung war aber bei Zuwarten zu gewärtigen. Der Beklagte wäre insbesondere auch verpflichtet gewesen, das Schreiben des Klägers vom 16. 9. 1977 zu beantworten, aus dem sich eindeutig ergab, daß dem Kläger die Verjährungsgefahr nicht bewußt war. Nach dem Schreiben des Beklagten vom 15. 9. 1977 mußte der Kläger sogar überzeugt sein, daß Verjährung noch nicht eingetreten sein konnte, wäre es sonst doch wenig verständlich, daß der Beklagte dem Kläger mitteilte, er werde (nunmehr) den Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr in Evidenz halten. Die Unterlassungen des Beklagten stellen insgesamt nicht nur einen objektiven Verstoß gegen ihm obliegende Vertragspflichten dar, sondern auch ein grundsätzlich zu Schadenersatz verpflichtendes Verschulden.
Aber auch bei erwiesenem Verschulden des Beklagten trifft den Geschädigten immer noch die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen dem vertragswidrigen Verhalten und dem eingetretenen Schaden (SZ 54/179; SZ 52/15; ZfRV 1977, 301; EvBl. 1957/171 ua.; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2], I 333), auch wenn es sich um eine Unterlassung handelte (NZ 1980, 73; RZ 1977/27; EvBl. 1957/171; Baumgärtl - Wittmann, Handbuch der Beweislast im Privatrecht I Rdz. 13 zu § 823 IBGB; Rosenberg, Die Beweislast[5], 155; inhaltlich auch SZ 39/186, worauf Koziol aaO 333 FN 65 zutreffend hinweist). Eine Unterlassung ist dann für den Schadenserfolg kausal, wenn die Vornahme eines bestimmten und möglichen aktiven Handelns das Eintreten des Erfolges verhindert hätte. Keine Kausalität läge vor, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre (ZBl. 1927/249; SZ 7/94; Koziol aaO 60, 163 f.). Bei einer Beweisführung über die Kausalität einer Unterlassung kommt allerdings, wie der OGH wiederholt ausgeführt hat, in der Regel nur eine Bedachtnahme auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhanges in Betracht. Der Geschädigte ist dafür beweispflichtig, daß überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden. Die Gegenpartei kann dann den typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen, indem sie einen anderen Tatsachenzusammenhang gleich wahrscheinlich macht oder eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufs aufzeigt (EvBl. 1983/120; RZ 1982/49; NZ 1980/73; ZVR 1977/231 ua.; Koziol, Österr. Haftpflichtrecht[2], I 325 mwN; Fasching III 235, 280; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht[2], 251; Rosenberg aaO 184). Liegt das Verschulden des beklagten Rechtsanwalts in der unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer sonst vorgenommenen Prozeßhandlung, ist der nicht fortgesetzte Prozeß - auch in den dort in Betracht gekommenen rechtlichen Erwägungen - hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte (vgl. NZ 1980, 73).
Der Kläger trat den ihm obliegenden Beweis auch an. Die Vorinstanzen haben zur Frage der Kausalität der dem Beklagten anzulastenden Unterlassung, von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgehend, keine Feststellungen getroffen. Für die Auffassung des Erstgerichtes, aus dem durchgeführten Beweisverfahren hätten keine Anhaltspunkte dafür gewonnen werden können, daß der Kläger bei rechtzeitiger Fortsetzung des Verfahrens gegen die Firma Gebrüder B obsiegt und seine Forderung durchgesetzt hätte, fehlt jede Grundlage.
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