OGH 1Ob784/81

OGH1Ob784/8131.3.1982

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrasch, Dr. Schubert, Dr. Gamerith und Dr. Hofmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef H*****, vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gemeinde L*****, vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung (300.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 31. August 1981, GZ 5 R 186/81-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. April 1981, GZ 10 Cg 624/80-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass das Ersturteil wieder hergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.992,20 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 288,- S Barauslagen und 644,70 S USt) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte mit der am 23. 6. 1980 überreichten Klage die Räumung mehrerer in seinem Eigentum stehenden, von der beklagten Gemeinde mit einer vom Gemeinderat am 18. 5. 1973 genehmigten „Pachtvereinbarung" zum Zweck der Errichtung eines Sportplatzes gegen seinerzeitigen Tausch oder Kauf in Bestand genommenen Grundstücke einerseits mit der Behauptung, dass ein rechtswirksamer Vertrag über die damals noch im Eigentum seines Vaters stehende Liegenschaft nicht zustandegekommen sei, und andererseits unter vorsichtshalber Aufkündigung eines allfälligen Bestandverhältnisses zum 31. 12. 1980. Nachdem die zunächst beim Bezirksgericht Innsbruck eingebrachten Klage infolge Unzuständigkeitseinrede der beklagten Partei an das Landesgericht Innsbruck überwiesen und eine Rücküberweisung rechtskräftig abgelehnt worden war, wies der Erstrichter das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen hatte der Vater des Klägers die strittigen Liegenschaften bereits mit Vertrag vom 1. 7. 1968 an den Kläger übergeben, der im Frühjahr 1973 die Pachtvereinbarung mit der beklagten Gemeinde unterschrieb, nach deren Punkt III die Pachtdauer bis zur Durchführung des beabsichtigten Tausches der gepachteten Fläche gegen eine andere Grundfläche beim Kniepaß, die die Gemeinde ankaufen wolle, festgelegt wurde. Der Vater des Klägers wusste vom Vertragsabschluss und hatte nichts dagegen einzuwenden. Darüber, bis wann ein Tausch oder Kauf der strittigen Liegenschaft durch die Gemeinde zustandekommen könne, wurde nichts Genaues besprochen. Während der Kläger davon ausging, dass eine Entscheidung etwa binnen zwei Jahren erfolgen würde, und im gegenteiligen Fall die Pachtvereinbarung nicht unterfertigt hätte, nahm der Bürgermeister der beklagten Gemeinde an, dass erst sukzessive Verhandlungen mit den verschiedenen am Tauschstück servitutsberechtigten Personen erfolgreich abgeschlossen werden müssten, sodass eine zeitliche Abschätzung nicht möglich erschien. Der Tausch scheiterte bis heute daran, dass von etwa 13 Servitutsberechtigten vier einer Lastfreistellung noch nicht zugestimmt haben, obwohl die beklagten Gemeinde mit ihnen weiter verhandelt. Über einen Kauf der strittigen Grundfläche konnten sich die Parteien vor Erbringung der Klage nicht einig werden. Nach der Rechtsansicht des Erstrichters sei der Kläger an den mit Zustimmung seines Vaters über die damals schon in seinem Besitz befindlichen Grundstücke geschlossenen Vertrag gebunden. Einen Wegfall der Geschäftsgrundlage habe der Kläger nicht deutlich genug behauptet; überdies sei die Vertragsvoraussetzung eines baldigen Tausches oder Kaufes der überlassenen Grundfläche für einen solchen Vertrag nicht typisch. Die hilfsweise erhobene Aufkündigung entspreche weder inhaltlich noch formell einem gültigen Kündigungsbegehren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, änderte das Ersturteil im Sinn des Klagebegehrens ab und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstandes 2.000 S übersteige. Es übernahm zwar die Feststellungen des Erstrichters als unbedenkliches Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und billigte auch die rechtliche Beurteilung zum Zustandekommen des Vertrages. Die zweite Instanz vertrat aber die Ansicht, dass die Klage als zulässige außergerichtliche Aufkündigung des richtig als Mietverhältnis anzusehenden Vertrages wirksam sein, weil das Bestandverhältnis keinen Kündigungsbeschränkungen unterliege und die Frist des § 560 ZPO bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz abgelaufen gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Von einer Nichtigkeit des Verfahrens, weil die Rechtssache richtig vor das Bezirksgericht gehört habe, kann allerdings keinen Rede sein. Abgesehen von der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses (ON 5) und der rechtskräftigen Aufhebung der Rückabtretung (ON 13) haben beide Vorinstanzen auch durch die Sachentscheidung die sachliche Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz im Sinn des § 45 Abs 1 JN unanfechtbar bejaht.

Während auch die Revisionsgründe des § 503 Z 2 und 3 ZPO offensichtlich nicht vorliegen, ist die Rechtsrüge schon deshalb begründet, weil entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes der von ihm richtig als Miete qualifizierte Vertrag dem Kündigungsschutz des § 1 Abs 1 MG, das auf den vorliegenden Fall noch anzuwenden ist (§ 48 Abs 1 MRG) unterlag. Für die Frage, ob Miete oder Pacht vorliegt, ist es bedeutungslos, welche rechtliche Unterstellung die Parteien im Bestandvertrag vorgenommen haben (MietSlg 25.113 uva). Von Bedeutung sind vielmehr die Zweckbestimmung der Bestandsache beim Abschluss des Bestandvertrages und die dem Bestandnehmer eingeräumten Befugnisse. Der Vertrag ist Miete, wenn dem Bestandgeber bloß der Gebrauch, Pacht aber, wenn ihm der Bezug von Nutzungen überlassen wird und Betriebspflicht besteht (SZ 44/18 mwN uva). Da hier Wiesengrundstücke ohne Vereinbarung einer Betriebspflicht zur Errichtung und zum Betrieb eines Sportplatzes überlassen wurden, liegt ein Mietverhältnis vor. Nach § 1 Abs 1 MG fanden die Bestimmungen dieses Gesetzes unter anderem auf die Miete von Geschäftsräumlichkeiten aller Art Anwendung; die beispielsweise Aufzählung enthält unter anderem Lagerplätze. Daraus ergibt sich nach nunmehr ständiger Rechtsprechung, dass nicht nur geschlossene Räume, sondern auch selbständig gemietete Grundstücke als Geschäftsräume Mieterschutz genießen, wenn sie zu geschäftlichen Zwecken vermietet wurden. Dabei ist der Begriff der geschäftlichen Betätigung nicht eng nur auf die Ausübung von Erwerbsgeschäften bezogen, sondern umfasst auch die Entfaltung jeder dem bedungenen Gebrauch und den Aufgaben des Mieters entsprechenden Betätigung, selbst wenn diese nicht auf Gewinn berechnet ist, sondern ideellen Interessen oder der Erfüllung der Aufgaben einer Gebietskörperschaft dient (SZ 14/200; SZ 44/18; SZ 46/92; MietSlg 20.226/48; MietSlg 23.227, 24.213 ua). Die Miete einer Grundfläche zum Zweck des Betriebes eines Sportplatzes kann in diesem Sinn sowohl gewerblichen wie auch Vereinszwecken dienen, wenn sie bloß nicht auf einen privaten Bereich des Mieters beschränkt ist (EvBl 1964/143; MietSlg 20.226/48; SZ 44/18; MietSlg 23.227; SZ 46/92). Auch hier ist die Erfüllung öffentlicher Interessen (SZ 3/31; SZ 14/200) als ausreichend anzusehen, weil es sich ebenfalls nicht um bloß private, sondern im weiten Sinn des Gesetzes geschäftliche Zwecke handelt. Dass das Spielplatzschutzgesetz, StGBl 1920/334, hier nicht gilt, berührt also entgegen der E JBl 1960, 448 nicht den Kern der Sache.

Nach § 23 Abs 2 MG wäre der vorliegende Mietvertrag auch dann längst zu einem im dargestellten Sinn kündigungsgeschützten Bestandverhältnis geworden, wenn er ursprünglich auf bestimmte Dauer geschlossen worden wäre. Im Übrigen hat der Kläger selbst zugestanden, dass die strittigen Grundstücke von der beklagten Gemeinde und einem Verein benützt werden (S 27), sodass die auch sonst naheliegende Widmung des Sportplatzes für die Allgemeinheit keiner weiteren Prüfung bedurfte.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes zum primären Klagsgrund der titellosen Benützung werden vom Revisionsgegner nicht in Zweifel gestellt, sodass in diesem Umfang auf die zutreffende Beurteilung der zweiten Instanz verwiesen werden kann. Auf den Ablauf der vereinbarten Bestandzeit kann sich der Kläger selbst unter der Annahme, dass beide Parteien nicht mit einer so langen Verzögerung des beabsichtigten Tauschvertrages rechneten, wegen des Kündigungsschutzes nicht berufen, der nach § 23 MG auch Verträge von bestimmter Dauer, bei „Geschäftsräumlichkeiten" im oben dargestellten Sinn schon nach einem halben Jahr, trifft. Diese Schutzvorschrift schließt auch die Geltendmachung des Wegfalls der „Geschäftsgrundlage" aus. Eine Vertragsanfechtung wegen Willensmangelns liegt nicht vor.

Der geltend gemachte Räumungsanspruch besteht deshalb nicht zu Recht. Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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