OGH 1Ob760/51

OGH1Ob760/5114.11.1951

SZ 24/304

Normen

ABGB §877
ABGB §879
ABGB §921
ABGB §877
ABGB §879
ABGB §921

 

Spruch:

Auch ein nichtiger Vertrag begrundet zwischen den Parteien gewisse Verbindlichkeiten, so die Pflicht zur Auskunftserteilung.

Entscheidung vom 14. November 1951, 1 Ob 760/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Lilienfeld; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.

Text

Kläger hat auf Bestellung der geklagten Partei dieser durch die P.- Werke AG. am 27. März 1948 dreißig Tonnen Eisen-Portlandzement per Bahn nach der Station Sch. geliefert. Die beklagte Partei hat wohl den Erhalt der über den gelieferten Zement ausgestellten Faktura, auf welche die Waggonnummern (557.173 und 127.440) vermerkt waren, bestätigt, die Übernahme der beiden Waggonladungen Zement aber in Abrede gestellt, so daß die klagende Partei nach ihrer Behauptung gezwungen war, ein Suchverfahren durch die Firma P. & B. einzuleiten, welches ergab, daß die geklagte Partei am 30. März 1948 den an sie mit den vorangeführten Waggons versandten Zement am Bahnhof Sch. auch wirklich bezogen hat. Das Suchverfahren habe der Klägerin Auslagen in der Höhe von 762 S verursacht, die sie im Klagswege begehrt.

Der Beklagte hat kostenpflichtige Klagsabweisung beantragt.

Das dem Vertrag zugrunde liegende Kaufgeschäft sei ganz oder zumindestens teilweise nichtig gewesen. Aus einem solchen Geschäfte gebe es keine Klage auf Erfüllung von Nebenpflichten oder auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung einer solchen Nebenverpflichtung. Beklagter habe neben bewirtschaftetem Zement auch freien Zement zu einem erheblich höheren Preis von der Klägerin bezogen, wobei vereinbart worden sei, daß der freie Zement auf dem Frachtbrief als russischer Zement Nr. 9004 zu bezeichnen sei. Tatsächlich habe der Beklagte zwei Waggons dieses russischen Zements vom Kläger erhalten, wobei der Frachtbrief den vereinbarten Vermerk trug. Als der Kläger dann eine Rechnung über zwei weitere Waggons russischen Zements legte, habe Beklagter die Bezahlung dieser Rechnung mit dem Bemerken abgelehnt, daß eine weitere Lieferung, bei welcher der Frachtbrief den Vermerk "Russenzement" trug, bei ihm nicht eingelangt sei. Erst nach längerer Zeit habe der Kläger neuerlich dem Beklagten mitgeteilt, daß er inzwischen auf Grund einer bahnämtlichen Bestätigung nachzuweisen vermöge, daß der Beklagte die beiden Waggons Russenzement erhalten habe. Durch Nachprüfung habe der Beklagte dann festgestellt, daß tatsächlich zwei Waggons Zement damals eingelangt waren, deren Frachtbrief jedoch nicht die Bezeichnung "Russenzement" trug, was zur Folge hatte, daß der Beklagte den Zement als bewirtschafteten Zement weiterverkauft habe; er weigerte sich deshalb, mehr als den für bewirtschafteten Zement vorgeschriebenen Preis zu bezahlen; es wurde die Preisdifferenz von 5599 S eingeklagt, doch habe das Kreisgericht St. P. diese Klage mit der Begründung abgewiesen, daß das abgeschlossene Geschäft verboten und der Überpreis daher nicht verlangt werden könne.

Ferner wendete der Beklagte ein, daß ein allenfalls dem Kläger entstandener Schaden vom Kläger selbst verursacht worden sei, weil er in die Frachtbriefe den Vermerk "Russenzement Nr. 9004" vereinbarungswidrig nicht hineingenommen habe.

Die dritte Einwendung geht endlich dahin, die Höhe des Sachaufwandes sei jedenfalls vom Kläger selbst verschuldet; die kostspieligen Nachforschungen durch eine dritte Firma seien nicht notwendig gewesen, weil eine einfache Nachfrage beim Bestimmungsbahnhof L. genügt hätte, um das Einlangen der fraglichen Waggons daselbst und deren Übergabe an den Beklagten festzustellen.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil auf.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diesen Beschluß.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der gegen diesen Aufhebungsbeschluß gerichtete Rekurs ist nicht begrundet, obwohl der Oberste Gerichtshof nicht in allen Punkten den Rechtsanschauungen des Berufungsgerichtes beizutreten vermag.

Es ist zunächst rechtsirrig, daß, wie das Berufungsgericht meint, ein Verstoß gegen die Preisvorschriften des Bedarfsdeckungsstrafgesetzes nur die Folge gehabt habe, daß der Überpreis nicht verlangt werden könne, nicht aber, daß das ganze Geschäft nichtig sei. Der Oberste Gerichtshof hat die Unrichtigkeit dieser Auffassung in der Entscheidung vom 25. Jänner 1950, 2 Ob 3/50, JBl. 1950, S. 268, dargelegt, auf deren Gründe hier verwiesen wird.

Auch der Umstand, daß das Kreisgericht St. P. im Vorverfahren die gegenteilige Rechtsauffassung vertreten hat, kann die Annahme der Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages nicht hindern, weil das Vorurteil nur hinsichtlich des Umstandes Rechtskraft macht, daß der Überpreis nicht gefordert werden kann und daß Beklagter schuldig ist, Verzugszinsen von dem von ihm gewählten Teilbetrage zu zahlen, nicht aber rücksichtlich der Begründung dieser Entscheidung und daher in einem späteren Prozeß, in dem es sich nicht um die Zahlung des Kaufpreises handelt, die Parteien berechtigt sind, ohne gegen die Grundsätze der Rechtskraft zu verstoßen, zu behaupten, daß der Vertrag überhaupt nichtig sei. Die beklagte Firma war daher berechtigt, in einem Verfahren, in dem es sich nur mehr um die Frage handelt, ob die vom Kläger behauptete Nebenverpflichtung der Auskunftserteilung zu Recht besteht, die Ungültigkeit des Grundgeschäftes neuerlich zur Diskussion zu stellen.

Die Nichtigkeit des Grundgeschäftes bedeutet aber nicht, wie der Rekurs irrig vermeint, daß deswegen dem Beklagten nicht die von ihm geforderte Auskunftspflicht obgelegen sei. Auch ein nichtiges Geschäft läßt für die Vertragsteile gegenseitige Rechte und Pflichten entstehen.

Ein kaufmännischer Verkehr wäre unmöglich, wenn ein Vertragspartner dem anderen jede Auskunft verweigern könnte, wenn ein zwischen ihnen abgeschlossenes Geschäft sich als ungültig erweist. So, wie es allgemein anerkannt ist, daß bereits Vertragsverhandlungen den Vertragspartnern gewisse Verbindlichkeiten gegeneinander auferlegen, so muß dasselbe auch dann gelten, wenn ein Vertrag sich als nichtig herausstellt. Das moderne Nachkriegsrecht enthält viele Erschwerungen, die auch im Verkehr zwischen den solidesten Firmen den Abschluß nichtiger Geschäfte nicht völlig vermeiden lassen, weshalb auch das Recht die durch ein nichtiges Geschäft begrundeten tatsächlichen Beziehungen nicht ignorieren kann.

Hat ein Vertragspartner den anderen, mit dem er in ständiger Geschäftsbeziehung steht, ohne Bestellung oder auf Grund eines ungültigen Vertrages eine Ware zugesendet, so ist dieser verpflichtet, darüber Auskunft zu geben, ob er die Ware erhalten hat oder nicht, schon aus der Erwägung heraus, daß dem anderen Rückforderungs- oder Bereicherungsansprüche zustehen können. Hat er diese Auskunft schuldhaft verweigert, so ist er nach allgemeinen Grundsätzen schadenersatzpflichtig.

Im vorliegenden Fall ist nun ein Verschulden des Beklagten zweifellos gegeben. Ein Kaufmann, der Waggonsendungen von der Bahn erhält, muß seine Buchhaltung so führen, daß er auf Verlangen des Gegners jederzeit darüber Auskunft geben kann, ob gewisse Waggonnummern von ihm übernommen wurden oder nicht. Er kann sich damit nicht entschuldigen, daß er in seiner Kartothek die Waggonnummer nicht angeführt oder gefunden habe, weil er nur auf ein anderes Merkmal, das für diese Sendungen charakteristisch war, geachtet habe und, da dieses Merkmal vereinbarungswidrig auf den Frachtbriefen nicht vorhanden war, die Sendungen nicht habe feststellen können. Das ist keine Entschuldigung. Beklagter mußte mit der Möglichkeit rechnen, daß aus irgendeinem Grund das Merkmal weggeblieben ist, und wenn er in seiner Kartothek die Sendungen nach dem Merkmal nicht gefunden hat, so war es eben seine Pflicht, noch einmal die Kartothek nach den angegebenen Waggonnummern durchzusehen. Hat er dies unterlassen oder seine Buchhaltung so unordentlich geführt, daß er die Waggonnummern nicht auffinden konnte, so hat er die Folgen dieser Unachtsamkeit in seiner Geschäftsführung zu tragen.

Das Berufungsgericht hätte daher aus diesen rechtlichen Erwägungen sofort ein Verschulden des Beklagten annehmen sollen; eine Aufhebung in diesem Punkte war demnach überflüssig.

Nichtsdestoweniger mußte die Aufhebung bestätigt werden, weil in der Tat, wie das Berufungsgericht ausführt, nicht klargestellt ist, ob die teurere Suchaktion durch eine Firma erforderlich war und ob Kläger nicht auf einfachere, billigere Weise das Einlangen der Waggons beim Beklagten hätte feststellen können. Der Oberste Gerichtshof mußte daher, da das Berufungsgericht diesbezüglich festgestellt hat, daß der Sachverhalt völlig ungeklärt ist, den Aufhebungsbeschluß - aber nur rücksichtlich der Frage der Notwendigkeit der Suchaktion - bestätigen.

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