Spruch:
Möglichkeit der Verpachtung einer Dentistenpraxis durch die Witwe des Dentisten.
Entscheidung vom 5. März 1952, 1 Ob 74/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Kufstein; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Im Zuge des Verfahrens über die Klage auf Zahlung des Pachtzinses für eine Dentistenpraxis samt Räumen und Inventar hat die Klägerin den Zwischenantrag auf Feststellung gestellt, daß das gegenständliche Vertragsverhältnis hinsichtlich der Zinsbildung nicht den Bestimmungen des Mietengesetzes unterliege.
Das Erstgericht hat mit Urteil vom 20. August 1951 zu Recht erkannt, das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis hinsichtlich der Überlassung des Gebrauches des Ordinationszimmers, des Wartezimmers und des Technikraumes mit der dazugehörigen Einrichtung zur Ausübung des Dentistenberufes unterliege auch hinsichtlich der Zinsbildung den Bestimmungen des Mietengesetzes, und hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Klägerin habe ein lebendes Unternehmen nicht in Bestand geben können, weil sie über ein solches nicht habe verfügen können; denn nach § 7 des Dentistengesetzes bedürfe es zur Niederlassung einer besonderen Bewilligung des Landeshauptmannes, die bei Vorliegen der sachlichen und räumlichen Voraussetzungen zu erteilen sei, diese Niederlassungsbewilligung sei ein persönliches Recht des Zugelassenen, das gemäß § 10 des Gesetzes jedenfalls mit dem Tode erlösche. Da der Ehegatte der Klägerin nach dem Wirksamkeitsbeginn des Technikergesetzes vom 13. Juli 1920, StGBl. Nr. 326, verstorben sei, habe die Klägerin ein Fortbetriebsrecht nicht erworben, sie habe daher dem Beklagten nur die Räume und das Inventar in Bestand geben können. Dies stelle aber einen Mietvertrag und keinen Pachtvertrag dar. Daran ändere es nichts, wenn Klägerin sich zu gewissen Dienstleistungen verpflichtet habe, da diese wie bei jedem Untermietvertrag von untergeordneter Bedeutung seien. Es sei auch irrelevant, ob und in welchem Ausmaße der Beklagte den Kundenstock übernommen habe, weil ein solcher weder eine Veräußerung noch eine Verpachtung zulasse und schon gar nicht seitens der Klägerin, die darauf überhaupt kein Recht habe. Der Klägerin stehe auch kein Recht zu, den Beklagten zum Betriebe der Zahnpraxis zu verpflichten. Es sei vielmehr Sache des Beklagten, ob er die Bestandsache gebrauchen wolle oder nicht, da er nach Beschaffenheit des Rechtsverhältnisses nicht verpflichtet sei, die Zahnpraxis in der übernommenen Geschäftslage zurückzustellen, weil er ja die Praxis mit eigener Berechtigung ausübe. Es liege auch kein Gesellschaftsverhältnis vor, da die Merkmale für ein solches fehlen. Daher unterliege dieses Mietverhältnis den Bestimmungen des Mietengesetzes und obliege die Feststellung der Höhe des gesetzlichen Zinses gemäß § 14 MietG. der Mietkommission.
Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung mit dem angefochtenen Urteil mit der Richtigstellung bestätigt, daß der Zwischenantrag der Klägerin auf Feststellung, daß das zwischen den Streitteilen bestehende Vertragsverhältnis über die Überlassung des Gebrauches des Ordinationszimmers, des Warteraumes und des Technikraumes mit der dazugehörigen Einrichtung zwecks Ausübung des Dentistenberufes hinsichtlich der Zinsbildung nicht dem Mietengesetz unterliege, abgewiesen wird, und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, bei Dentisten gebe es weder einen Witwenfortbetrieb noch einen Deszendentenbetrieb, das Unternehmen des Dentisten erlösche mit seinem Tode, die Witwe könne daher ein solches Unternehmen nicht mehr verpachten. Wenn trotzdem nach dem Tode eines Dentisten gewisse immaterielle Werte (Geschäftslage, Kundenstock usw.) vorhanden seien, die für den Nachfolger in Geld schätzbar seien, weil sie ihm gegenüber einem anderen Dentisten einen wirtschaftlichen Vorteil bringen oder ihm sogar die Ausübung seines Berufes überhaupt erst möglich machen, so könne dies bewirken, daß die Nachfrage und damit der Preis für die Benützung der Räume und der Gegenstände, mit denen diese Vorteile verbunden seien, steige. Man könne aber nicht mehr von einem lebenden Unternehmen sprechen, weil die Hauptsache, die persönliche Tüchtigkeit und Geschicklichkeit des Unternehmers, für immer weggefallen sei und schon aus rechtlichen Gründen nicht durch die Tätigkeit eines anderen ersetzt werden könne. Das Unternehmen eines Arztes, eines Rechtsanwaltes sowie auch eines Dentisten erlösche eben wegen Wegfalles der persönlichen Befähigung und Berechtigung zur Ausübung mit dem Tode und könne daher nachher nicht mehr verpachtet werden. Die Hilfsmittel des bisherigen Unternehmens können verkauft oder vermietet, nicht aber verpachtet werden, weil sie für sich allein keine Früchte tragen und bei Ausübung des Berufes zwar notwendig, aber gegenüber den persönlichen Eigenschaften des Inhabers von nachgeordneter Bedeutung seien. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien sei daher Miete. Ein Gesellschaftsverhältnis komme nicht in Betracht, weil ein festes Entgelt und nicht ein Anteil an Gewinn und Verlust vereinbart worden sei, somit handle es sich um eine Untermiete, für die § 14 MietG. gelte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob die Urteile der Unterinstanzen auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Da lediglich der Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. geltend gemacht wurde, ist ausschließlich von dem Feststellungen im angefochtenen Urteil bzw. von den vom Berufungsgericht übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen auszugehen. Was die klagende Partei darüber hinaus in ihrer Revision vorbringt, muß daher überhaupt unberücksichtigt bleiben. Das Berufungsgericht hat, wie sich bei Behandlung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung ergibt, die erstrichterlichen Feststellungen übernommen. Das erstgerichtliche Urteil führt allerdings nur die außer Streit gestellten Tatsachen und das Klagsvorbringen an. Danach hat der Beklagte von der Klägerin die Dentistenpraxis ihres verstorbenen Mannes mit den dazugehörigen Räumen und Einrichtungsgegenständen gegen ein monatlich im vorhinein zu entrichtendes Entgelt in der Höhe von 800 S gepachtet und steht außer Streit, daß das Haus, in dem sich der Klagsgegenstand befindet, lange vor 1917 erbaut wurde, daß der Gatte der Klägerin die Räume im Jahre 1920 bezogen und bis zu seinem Tode im Jahr 1949 als Geschäftsräume benützt hat und schließlich, daß die Klägerin seit dieser Zeit Mieterin dieser Räume ist. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 29. November 1950, 2 Ob 464/50, MietSlg. II S. 263, ausgeführt hat, muß in einem Bestandvertrag dem Bestandnehmer vom Bestandgeber neben den Räumen alles das beigestellt werden, was wesentlich zum Betriebe des Unternehmens gehört, wie Lage, Kundenstock, Betriebsmittel, Gewerbeberechtigung usw. Es ist aber nicht erforderlich, daß alle Grundlagen des Unternehmens vom Bestandgeber beigestellt werden, vielmehr genügt es, wenn wesentliche Teile verpachtet werden. Darum ist es auch möglich, daß ein Bestandvertrag selbst dann als Pachtvertrag anzusehen ist, wenn der Bestandnehmer die Gewerbekonzession erwirbt. Selbst dann, wenn ein in Bestand gegebener Betrieb mangels Erlangung der erforderlichen Konzession durch den Bestandnehmer den gewerblichen Bestimmungen zuwider geführt wird, wäre daher Pacht, nicht Miete anzunehmen, weil andere für den tatsächlichen Betrieb ausreichende Grundlagen dem Bestandnehmer zur Verfügung gestellt wurden. Jedoch ist ein wichtiges Merkmal des Pachtvertrages die Betriebspflicht; von untergeordneter Bedeutung ist es, ob das Unternehmen im Zeitpunkt der Verpachtung in Betrieb war. Maßgebend ist vielmehr nur, ob in diesem Zeitpunkt alle oder wesentliche Betriebsgrundlagen dem Bestandnehmer zur Verfügung gestellt werden und ob der Bestandgeber mit dem Bestandnehmer die Betriebspflicht im Interesse der Erhaltung des Unternehmers vereinbart hat. Demnach kommt dem Umstand, daß das Recht des früheren Betriebsinhabers mit seinem Tode erloschen ist, ein Witwenfortbetriebsrecht der Klägerin nicht besteht und der Beklagte die Dentistenpraxis auf Grund eigener Niederlassungsbewilligung ausübt, nicht entscheidende Bedeutung für die Frage zu, ob das streitgegenständliche Vertragsverhältnis als Pacht oder Miete zu qualifizieren ist. Aus dem Umstand, daß nach dem Dentistengesetz vom 3. Feber 1949, BGBl. Nr. 90, eine Verpachtung des Unternehmens des Dentisten ausgeschlossen ist, könnte nur auf die gesetzliche Unzulässigkeit der Verpachtung geschlossen werden. Daraus läßt sich aber noch nicht ableiten, daß ein gleichwohl abgeschlossener Bestandvertrag als Miete anzusehen ist. Entscheidend ist vielmehr nur, ob es sich bei dem Unternehmen eines Dentisten ebenso wie bei jenem des Arztes, des Rechtsanwaltes usw., um ein solches höchstpersönlicher Natur handelt, bei dem der Erfolg in erster Linie an der Person des Unternehmers hängt und den sachlichen Grundlagen daneben nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme (vgl. Klang, Kommentar, 2. Aufl., zu § 1091 ABGB., S. 28; Ehrenzweig, Allgemeiner Teil 1951, S. 139; wie auch Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO., S. 163 f.). Nach dem Dentistengesetz ist allerdings die Befugnis zur selbständigen Ausübung des Dentistenberufes höchstpersönlicher Natur. So bedarf es nach den §§ 3 und 4 des Gesetzes zur selbständigen Ausübung des Berufes eines Dentisten bzw. zur Erteilung der Genehmigung zur Niederlassung vor allem einer Reihe von persönlichen Voraussetzungen. Gemäß § 3 Abs. 3 des Gesetzes hat der Dentist seinen Beruf persönlich auszuüben und darf nur in berücksichtigungswürdigen Fällen mit Bewilligung des Landeshauptmannes einen einzigen Stellvertreter bestellen, der den in den §§ 3 und 4 angeführten Bedingungen entsprechen muß. Gemäß § 10 Abs. 1 ist die dem Dentisten erteilte Niederlassungsgenehmigung ein persönliches Recht, das mit seinem Tode erlischt und kann ihre Erteilung bei Wegfall der Voraussetzungen zurückgenommen werden. Wenn auch die Erbin nach einem Dentisten mangels einer eigenen Befugnis die Praxis nicht selbst ausüben kann, so ist damit noch nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, daß sie die das Unternehmen bildenden Elemente als Ganzes und nicht bloß die körperlichen Bestandteile allein nach privatrechtlichen Grundsätzen unabhängig von der zum Betriebe des Unternehmens erforderlichen öffentlichrechtlichen Befugnis veräußert oder verpachtet (vgl. Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7. Oktober 1936, 1 Ob 869/36, NotZ. 1937, S. 46). Ein Bestandvertrag über ein solches Unternehmen zwecks Weiterführung desselben durch den Bestandnehmer, wenn auch auf Grund der diesem persönlich zustehenden Befugnis, wäre also ein Pachtvertrag und steht die Überprüfung der Zulässigkeit des vereinbarten Pachtzinses dann nicht gemäß § 14 MietG. der Mietkommission zu. Die gegenteilige Meinung der Untergerichte, daß nach dem Tode des Dentisten sein Unternehmen zu bestehen aufgehört hat und daß daher nicht ein Pachtvertrag über dieses Unternehmen, sondern nur ein Mietvertrag über die körperlichen Elemente desselben vorliegen kann, vermag demnach der Oberste Gerichtshof nicht zu teilen. Nun hat die klagende Partei in der Klage ausdrücklich vorgebracht, daß zwischen den Parteien ein Pachtvertrag über das Unternehmen abgeschlossen worden sei. In der Verhandlung vom 8. Mai 1951 hat sie dann ihre Behauptung, daß Gegenstand des Vertrages das Unternehmen samt Einrichtung gewesen sei, aufrechterhalten und hat noch vorgebracht, daß in dem vereinbarten Zins auch das Entgelt für ihre eigene Mitarbeit in der Höhe von 250 S enthalten sei. Daß die Klägerin hiebei den Vertrag nicht mehr als Pachtvertrag, sondern als Vertrag eigener Art bezeichnet hat, ist bedeutungslos, weil es sich hiebei nur um die rechtliche Qualifikation handelt. Wenn außer der Überlassung des Unternehmens zum Betriebe noch persönliche Leistungen der Klägerin vereinbart worden wären, so würde es sich allerdings nicht um einen reinen Pachtvertrag handeln, wenngleich immerhin die pachtrechtlichen Elemente überwiegen würden. Auf jeden Fall wäre aber dann § 14 MietG. ebensowenig anzuwenden wie auf einen reinen Pachtvertrag. Da die klagende Partei ausdrücklich behauptet hat, der Vertrag habe in erster Linie das Unternehmen zum Gegenstande gehabt und der Beklagte dagegen vorgebracht hat, daß ein Unternehmen überhaupt nicht vorliege, bedurfte es somit der Feststellung, ob Gegenstand des Vertrages das Dentistenunternehmen ist. Weder das Berufungsgericht noch das Erstgericht haben auf Grund ihres vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Standpunktes die Vornahme der erforderlichen Feststellungen in dieser Richtung nach Durchführung der von den Parteien darüber angebotenen Beweise unterlassen. Der Oberste Gerichtshof ist daher nicht in der Lage, in der Sache selbst endgültig zu entscheiden.
Es mußte deshalb der Revision Folge gegeben und die Rechtssache unter Aufhebung der Urteile beider Untergerichte zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden.
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