OGH 1Ob74/04w

OGH1Ob74/04w16.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Stefanie Maria S*****, geboren am *****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Eferding, infolge Revisionsrekurses der Pflegebefohlenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 19. November 2003, GZ 21 R 316/03z-59, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Eferding vom 13. August 2003, GZ 1 P 1614/95x-56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater der Pflegebefohlenen wurde zuletzt mit Beschluss des Erstgerichts vom 3. 6. 1998 zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 3.500 S (= 254,35 EUR) ab 1. 1. 1998 verpflichtet.

Am 15. 1. 2003 beantragte die damals noch minderjährige Pflegebefohlene die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in der Höhe des Unterhaltstitels gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG. Hiebei wurde als Wohnanschrift des Vaters ein Objekt in Teneriffa bekanntgegeben. Vorgebracht wurde, es sei damit zu rechnen, dass sich eine Exekutionsführung sehr langwierig gestalten werde, weil sich der Vater in Spanien aufhalte; entsprechende Erfahrungen mit spanischen Behörden lägen bereits vor.

Im zweiten Rechtsgang brachte die Antragstellerin ergänzend vor, es sei versucht worden, dem Vater am 14. 3. 2003 ein Schreiben zuzustellen, dieses sei aber mit dem Vermerk "Non reclame" zurückgelangt. Eine andere als die im Antrag enthaltene Adresse sei nicht bekannt. Die Zusammenarbeit mit den spanischen Behörden sei äußerst schwierig. So sei zB in einem anderen Verfahren des Erstgerichts seit Geburt des Kindes versucht worden, Schriftstücke im Wege des Bundesministeriums für Justiz zuzustellen, was aber nicht gelungen sei. Demnach sei nicht von "geordneten Vollstreckungsbeziehungen" zwischen Österreich und Spanien auszugehen. Es sei auch nicht sicher, ob sich der Vater überhaupt noch in Spanien aufhalte. Der Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen wurde aufrecht erhalten, zusätzlich aber auch die Gewährung solcher Vorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG begehrt und hiezu vorgebracht, dass der Unterhaltstitel älter als drei Jahre sei und eine Erhöhung des Unterhalts aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners nicht gelinge. Es seien keine Gründe bekannt, warum der Vater nicht einen höheren Unterhalt leisten könnte.

Das Erstgericht wies den Haupt- und den Eventualantrag ab. Dem Vertreter der Pflegebefohlenen müsse es möglich sein, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters im Wege des spanischen Jugendamts festzustellen, zumal ein Beschluss des Rekursgerichts dem Vater im Mai 2003 habe zugestellt werden können. Die Exekutionsführung im Ausland erscheine nicht generell aussichtslos.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Von der Aussichtslosigkeit des Versuchs, eine Unterhaltserhöhung herbeizuführen, könne keine Rede sein, zumal nach der Aktenlage die Anschrift des Vaters in Spanien bekannt sei und dort auch bis zuletzt Zustellungen erfolgt seien. Ein Vorschuss nach § 4 Z 2 UVG könne demnach nicht gewährt werden. Es lägen aber auch die Voraussetzungen für die Gewährung eines Titelvorschusses gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG nicht vor. Zusätzlich zu den Argumenten, die auch für die Verweigerung eines Unterhaltsvorschusses nach § 4 Z 2 UVG sprächen, lägen weder Behauptungen noch Anhaltspunkte dafür vor, dass die Vollstreckung des Unterhaltstitels in Spanien überdurchschnittlich lange dauern würde und dass ein Drittschuldner nicht binnen kurzer Zeit ermittelt werden könnte. Es mangle an konkreten Behauptungen über negative Erfahrungen mit den spanischen Behörden bei der Durchsetzung von Unterhaltstiteln. Zwischen Österreich und Spanien bestünden geordnete Vollstreckungsbeziehungen; die zu vollstreckende Unterhaltsentscheidung könnte nach dem LGVÜ in Spanien für vollstreckbar erklärt und vollstreckt werden.

Der Revisionsrekurs der Pflegebefohlenen ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Voraussetzung für die Gewährung eines Unterhaltsvorschusses nach § 4 Z 1 UVG ist es, dass die Führung einer Exekution nach § 3 Z 2 UVG aussichtslos erscheint. Nach der vom Rekursgericht richtig dargestellten einhelligen Judikatur des Obersten Gerichtshofs erscheint eine Exekutionsführung im Sinne des § 4 Z 1 UVG nur dann als aussichtslos, wenn das trotz Bestehens geordneter Vollstreckungsbeziehungen zu einem Land aufgrund von Erfahrungen über die Behördenpraxis de facto befürchtet werden müsste. Dazu sind konkrete Umstände zu behaupten und zu beweisen. Die Annahme der Aussichtslosigkeit einer Exekutionsführung im Ausland liegt zwar nahe, das Gericht ist aber deshalb nicht von jedweder Prüfung der Aussichtslosigkeit enthoben (ÖA 2001, 317; ÖA 1996, 29; ÖA 1991, 111 uva).

Umstände, die eine Exekutionsführung in Spanien als aussichtslos erscheinen ließen, sind nicht gerichtsbekannt, und aufgrund der Tatsache, dass in Spanien ebenso wie in Österreich die EuGVVO gilt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass zwischen den beiden genannten Ländern geordnete Vollstreckungsbeziehungen bestehen. Es lag daher an der Antragstellerin, konkrete Umstände zu behaupten und zu beweisen, die Gegenteiliges indizierten (ÖA 1996, 29; ÖA 1991, 111). Mit ihrer Behauptung, es sei in einem anderen Pflegschaftsverfahren bereits mehrfach versucht worden, Schriftstücke durch spanische Behörden zustellen zu lassen, dies sei nicht gelungen, kam die Revisionsrekurswerberin ihrer Verpflichtung zur Darlegung konkreter Umstände, die die Aussichtslosigkeit der Exekution indizierten, nicht ausreichend nach. Gerade im vorliegenden Fall war nämlich die Zustellung mehrerer Beschlüsse an den Vater der Revisionsrekurswerberin an dessen Anschrift in Spanien nach der Aktenlage bis zuletzt möglich, und zwar innerhalb kürzester Zeit, sodass die darauf gerichteten Ausführungen der Antragstellerin keine Zweifel an der Annahme entstehen lassen, dass eine Exekutionsführung gegen den in Spanien aufhältigen Vater nach ordnungsgemäßer Zustellung möglich ist. Im Übrigen ist das Rekursgericht - entgegen der Darstellung der Revisionsrekurswerberin - auf deren Behauptungen ausführlich eingegangen (S 8 der Rekursentscheidung).

Die Vorinstanzen haben aber auch die Gewährung eines Unterhaltsvorschusses nach § 4 Z 2 UVG völlig zu Recht versagt. Voraussetzung für eine solche Gewährung wäre im vorliegenden Fall, dass die Erhöhung des Unterhaltsbeitrags aus Gründen auf Seiten des Unterhaltsschuldners nicht gelänge. Nun ist der Vater - wie schon ausgeführt - bekannten Aufenthalts und verfügt über eine aktuelle Zustellanschrift. Derjenige, der Unterhaltsvorschüsse begehrt, hat auch im Ausnahmefall des § 4 Z 2 UVG alles Zumutbare zur Unterhaltsfestsetzung bzw -erhöhung zu unternehmen; lediglich praktisch aussichtslose Versuche einer Unterhaltsfestsetzung bzw -erhöhung können nicht gefordert werden (ÖA 1998, 24; EvBl 1995/131; SZ 63/80; SZ 63/95 uva). Zumal dem Vater Gerichtsentscheidungen innerhalb kurzer Zeit an seiner Anschrift in Spanien zugestellt werden konnten, kann tatsächlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass ein Unterhaltserhöhungsverfahren unzumutbar lange Zeit in Anspruch nehmen würde und daher für einen solchen Antrag keine realistische Erfolgsaussicht bestünde (vgl ÖA 1999, 44; ÖA 1998, 24; EvBl 1995/131; SZ 63/80).

Gewiss haben die hier maßgeblichen Bestimmungen des UVG den Zweck, einem Pflegebefohlenen möglichst rasch zu seinem Unterhalt zu verhelfen (ÖA 2001, 317; SZ 63/95); Unterhaltsansprüche sollen unter Vermeidung unnötigen Verwaltungs- und Prüfungsaufwands rasch und unbürokratisch befriedigt werden (Neumayr in Schwimann ABGB2 Rz 9 zu § 4 UVG). Das kann aber nicht dazu führen, dass der Versuch einer Unterhaltsfestsetzung bzw -erhöhung im Ausland überhaupt unterbleiben kann, obwohl keine konkreten Bedenken bestehen, dass in absehbarer und zumutbarer Zeit ein entsprechender Titel geschaffen werden könnte (vgl hiezu Neumayr aaO Rz 38 zu § 4 UVG mwN).

Das Rekursgericht hat im Sinne der ständigen und einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entschieden. Grundsätzlich ist im Verhältnis zu Spanien gewiss von geordneten Vollstreckungsbeziehungen auszugehen (vgl ÖA 1996, 29 - dort: Italien), und im vorliegenden Einzelfall wurden keine Umstände dargetan, die Gegenteiliges indizierten. Lediglich unnötiger Verwaltungs- und Prüfungsaufwand ist im Verfahren über die Zuerkennung von Unterhaltsvorschüssen zu vermeiden, um dem Pflegebefohlenen möglichst rasch die Befriedigung seines Unterhaltsanspruchs zu verschaffen. Eine bloß geringe Zeitverzögerung als Folge des Auslandsaufenthalts des Unterhaltspflichtigen ist auch von der Zielsetzung des UVG her in Kauf zu nehmen.

Die Revisionsrekurswerberin hat keine (relevante) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt und eine solche ist auch nicht zu lösen, weshalb der Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen ist. An den gegenteiligen Ausspruch des Rekursgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 16 Abs 3 AußStrG nicht gebunden.

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