Spruch:
Das auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtete Klagebegehren ist ein Leistungsbegehren. Zur Sicherung eines solchen Anspruches ist eine einstweilige Verfügung möglich.
Entscheidung vom 14. Dezember 1955, 1 Ob 727/55.
I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Die klagende Partei brachte vor, daß der Beklagte als öffentlicher Gesellschafter der Klägerin mit dieser am 1. April 1953 ein Übereinkommen getroffen habe, wonach der Beklagte rückwirkend ab 1. September 1951 als Abfertigung und an Stelle seines Gewinnanteiles von der Klägerin eine monatliche Leibrente von 2000 S auf Lebensdauer zu erhalten habe. Da diese Abmachung zur Abfertigung aller Ansprüche des Beklagten aus seiner Beteiligung an der klagenden Firma zustandegekommen sei, sei am 15. April 1953 von den Parteien einvernehmlich festgestellt worden, daß die von der Klägerin beim Finanzamt M. auf Rechnung der vom Beklagten zu zahlenden Einkommensteuer vorausgezahlten Beträge von 57.996 S 29 g (Steuerguthaben) nicht dem Beklagten, sondern der Klägerin zurückzuzahlen seien. Mit der schriftlichen Erklärung vom 15. April 1953 habe der Beklagte das Finanzamt zur Umbuchung dieses Guthabens angewiesen. Nachträglich habe der Beklagte seine Erklärung widerrufen und vom Finanzamt begehrt, daß es ihm das Guthaben auszahle. Die klagende Partei verlangt das Urteil, der Beklagte sei schuldig, den Widerruf seiner Erklärung an das Finanzamt M. zurückzuziehen und zu widerrufen; allenfalls möge festgestellt werden, daß der Widerruf der Erklärung vom 15. April 1953 rechtsunwirksam sei. Zugleich beantragt die klagende Partei die Erlassung der einstweiligen Verfügung, dem Beklagten werde untersagt, das Steuerguthaben in Empfang zu nehmen, und dem Finanzamt M. werde die Auszahlung an den Beklagten verboten. Es sei zu besorgen, daß ohne die Erlassung der einstweiligen Verfügung die Verwirklichung des eingeklagten Anspruches dadurch vereitelt oder erheblich erschwert würde, daß das Finanzamt das Steuerguthaben dem Beklagten auszahle. Hiezu komme, daß der Beklagte sonst vermögenslos sei und ein Rückforderungsanspruch gegen ihn nicht realisierbar sein könnte.
Das Erstgericht bewilligte die einstweilige Verfügung bis zum 31. März 1956. Es nahm den Anspruch und dessen objektive Gefährdung als bescheinigt an.
Infolge Rekurses des Beklagten änderte das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluß dahin ab, daß der Antrag, eine einstweilige Verfügung zu erlassen, abgewiesen wurde. Zur Durchsetzung der Klagsansprüche bedürfe es keiner Exekutionsführung, weil nach § 367 EO. die begehrt Willenserklärung mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gelte. Sei aber eine Exekution zur Durchsetzung des Anspruches nicht notwendig oder handle es sich um Feststellungs- oder Rechtsgestaltungsansprüche, könne eine einstweilige Verfügung zur Sicherung solcher Ansprüche nicht bewilligt werden. Dazu komme, daß weder der Anspruch noch die subjektive oder objektive Gefährdung bescheinigt worden seien.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei Folge, hob die Beschlüsse der Untergerichte auf und beauftragte das Erstgericht, über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung neuerlich zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der in Frage stehende Anspruch der Klägerin ist darauf gerichtet, daß der Beklagte den Widerruf seiner Erklärung an das Finanzamt M. vom 15. April 1953 rückgängig mache. Es handelt sich daher um einen Leistungsanspruch, der auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist. Davon, daß es sich um einen Rechtsgestaltungsanspruch handle, kann nicht die Rede sein. Denn nicht der Ausspruch des Gerichtes soll die Rechtsgestaltung herbeiführen, sondern diese soll erst die weitere Folge der vom Beklagten geforderten Leistung sein. Die zu sichernde Forderung der klagenden Partei kann somit als "anderer Anspruch" im Sinne des § 381 EO. angesehen werden. Der Umstand, daß es sich beim Eventualbegehren um eine Feststellung handelt, spielt keine Rolle, weil es das Hauptbegehren ist, das in erster Linie gesichert werden soll.
Das Bedenken des Rekursgerichtes, das in Zukunft zu erlassende Leistungsurteil werde im Hinblick auf die Bestimmung des § 367 EO. keiner Exekution bedürfen und deshalb könne die Vollstreckung des Urteils nicht gesichert werden, wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt. Das Rekursgericht hat dabei die Rechtsprechung ins Treffen geführt, nach der es im allgemeinen eine Sicherung von Feststellungs- und Rechtsgestaltungsansprüchen nicht gebe. Die Entscheidungen weisen darauf hin, daß sich Feststellungs- und Rechtsgestaltungsansprüche gegen den Staat richten und als solche unter keinen Umständen sicherungsbedürftig oder -fähig seien. Hier handelt es sich aber um ein Leistungsbegehren. So wie gewöhnliche Ansprüche dieser Art zwangsweise durchgesetzt werden, müssen auch Urteile, die die Abgabe einer Willenserklärung zum Gegenstand haben, in die Tat umgesetzt werden. Nur bedarf es nicht der formellen Exekutionsbewilligung und des Tätigwerdens eines Vollstreckungsorgans, sondern es genügt die gesetzliche Anordnung des § 367 EO., daß die Willenserklärung mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils oder der Voraussetzungen für die Exekutionsbewilligung auf Grund eines anderen Exekutionstitels als abgegeben gilt. Die Erlassung eines derartigen Urteils bedeutet daher über die Zuerkennung des geltend gemachten Anspruches hinaus auch dessen zwangsweise Durchsetzung. So wie nach § 381 Z. 1 EO. bei gewöhnlichen Exekutionstiteln nicht die durchzuführende Exekution als solche gesichert werden soll - die Bewilligung der Exekution und der Ablauf des Exekutionsverfahrens ist ja unter allen Umständen möglich -, sondern der Erfolg der Exekution, ist dies auch bei Exekutionstiteln nach § 367 EO. der Fall. Der Zweck des Verfahrens besteht nicht darin, eine durch die zwischenweiligen Ereignisse ihrer Bedeutung beraubte Willenserklärung zu erzwingen. So wie der zur Zahlung eines Geldbetrages Verurteilte wirklich zahlen soll, hat der Beklagte im vorliegenden Fall nach dem Begehren der klagenden Partei den Widerruf seiner Erklärungen vom 15. April 1953 rückgängig zu machen, damit das Finanzamt das Steuerguthaben nicht ihm, sondern der Klägerin auszahle. Er soll also verhalten werden, eine Willenserklärung mit bestimmter Wirkung abzugeben. Dies soll das Ergebnis des in der Bestimmung des § 367 EO. gelegenen Zwanges sein. Um dieses Ergebnis zu sichern, kann eine einstweilige Verfügung der beantragten Art erlassen werden.
Die klagende Partei hat sich zur Bescheinigung ihres Anspruches auf die Klagebehauptungen und die Beweisanträge zwar nicht ausdrücklich berufen. Da sie aber den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung mit der Klage verbunden hat, muß angenommen werden, daß das Vorbringen zum Klageanspruch auch für den Sicherungsantrag gilt. Ohne die Vernehmung der Auskunftspersonen Adolf B. und Josef W. konnte nicht gesagt werden, daß der zu sichernde Anspruch nicht bescheinigt worden sei. Was die (nach § 381 Z. 1 EO. objektive) Gefährdung des Anspruchs betrifft, könnte die erhebliche Erschwerung bei der Verwirklichung des Anspruchs in der behaupteten Vermögenslosigkeit des Beklagten im Zusammenhang damit erblickt werden, daß ohne die einstweilige Verfügung an die Stelle der raschen Auszahlung des Steuerguthabens an die klagende Partei ein langwieriger Prozeß gegen den Beklagten auf Rückzahlung an die Klägerin treten müßte, wenn dieser sich das Geld vom Finanzamt auszahlen ließe. Auf die Vermögenslosigkeit des Beklagten käme es dabei nicht ausschließlich an.
Es erweist sich, daß mangels ausreichender Entscheidungsgrundlagen über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung noch nicht entschieden werden konnte. Es wird Sache des Erstgerichtes sein, das Verfahren zu ergänzen und sich dabei auch schlüssig zu werden, ob die Aktivlegitimation der klagenden Firma gegeben ist.
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