OGH 1Ob71/00y

OGH1Ob71/00y28.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Heinz H*****, vertreten durch Czerwenka & Partner, Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Jutta H*****, vertreten durch Dr. Otto Kern, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterfertigung eines Kaufvertrags (Streitwert 500.000 S) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 29. Dezember 1999, GZ 13 R 108/99v-14, womit infolge Rekurses der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Mai 1999, GZ 23 Cg 94/99h-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss wiederhergestellt wird.

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens - vorbehaltlich eines Kostenersatzanspruchs im Hauptverfahren - vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden kurz: Beklagte) ist Eigentümerin einer Liegenschaft in Langenzersdorf, die aus den Grundstücken 1196/1 Baufläche (begrünt) und 308 Baufläche besteht. Sie verhandelte mit der klagenden und gefährdeten Partei (im Folgenden kurz: Kläger) schon seit Juni 1998 über den Verkauf einer Teilfläche dieser Liegenschaft. Noch 1998 einigten sich die Streitteile auf einen Preis von 5.000 S je m2. Am 29. Jänner 1999 legten sie den Kaufpreis - nach Vorliegen des Teilungsplans und Feststehen der Aufschließungskosten - schriftlich einvernehmlich mit 3,650.000 S fest. Mit Schreiben vom 10. Juli 1998 räumte die Beklagte dem Kläger das Vorkaufsrecht an jener Teilfläche der Liegenschaft ein, die nach dem Teilungsplan in ihrem Eigentum verbleiben sollte. Die Beklagte verweigerte sodann die Unterfertigung des erstellten Kaufvertragsentwurfs, weil sie nicht bereit war, die Verbücherung eines Vorkaufsrechts zu akzeptieren. Nachdem sich deshalb "der Abschluss eines schriftlichen Kaufvertrags" verzögert hatte, kündigte die Beklagte "sowohl gegenüber der Maklerin als auch durch ihren Anwalt ... an, dass sie die Liegenschaft eventuell an einen anderen Interessenten verkaufen würde". Der Wortlaut des Schreibens des Beklagtenvertreters vom 20. April 1999 (Beilage ./E) lautet insofern wie folgt:

"Meine Mandantin ist nicht bereit, eine weitere Verzögerung des Abschlusses des Kaufvertrages zu akzeptieren. Dies auch deshalb, weil ihr von anderer Seite bereits die Kaufabsicht signalisiert wurde."

Am 28. April 1999 verfasste der Klagevertreter folgenden Aktenvermerk (Beilage ./H):

"Telefonische Besprechung mit ... (dem Beklagtenvertreter) ... .

Dieser teilt mit, dass (er) mit seiner Mandantin noch nicht

gesprochen hat, allerdings davon ausgeht, dass sie nicht damit

einverständen ist, dass der Kaufvertrag mit ... (dem Kläger) ...

abgeschlossen wird. ... (Der Beklagtenvertreter) ... meint, dass sie

den Kaufvertrag wahrscheinlich mit einem anderen Interessenten abschließen wird."

Der Kläger begehrt den "Abschluss" eines Kaufvertrags (gemeint wohl: die Unterfertigung einer Kaufvertragsurkunde) über einen bestimmten Teil einer Liegenschaft der Beklagten. Das Kaufobjekt sei bereits in einem Teilungsplan individualisiert und entspreche 739/1618 Anteilen an der Gesamtliegenschaft. Die Willenseinigung der Streitteile beziehe sich nicht nur auf das Kaufobjekt und dessen Preis, sondern auch auf ein zu verbücherndes Vorkaufsrecht des Klägers an der im Eigentum der Beklagten verbleibenden weiteren Teilfläche der betreffenden Liegenschaft. Die Beklagte weigere sich nunmehr, eine verbücherungsfähige Kaufvertragsurkunde samt dem vereinbarten Vorkaufsrecht zu unterfertigen. Sie habe vielmehr den Verkauf an einen anderen Interessenten angekündigt, wodurch die Realisierung des Übereigungsanspruchs aufgrund des Kaufvertrags und des vereinbarten Vorkaufsrechts konkret gefährdet sei. Deshalb bedürfe es zur Anspruchssicherung der bücherlichen Anmerkung eines Veräußerungs- und Belastungsverbots nach § 382 Z 6 EO, das die noch ungeteilte Gesamtliegenschaft erfasse.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens ohne Anhörung des Beklagten. Es hielt den Hauptanspruch, aber auch seine konkrete Gefährdung durch die Absicht der Beklagten, das streitverfangene Kaufobjekt an einen anderen Interessenten ein weiteres Mal zu verkaufen, für bescheinigt. Der auf einen bestimmten Liegenschaftsteil bezogene Übereignungsanspruchs könne nach ständiger Rechtsprechung durch die Erlassung eines die Gesamtliegenschaft erfassenden Veräußerungs- und Belastungsverbots gesichert werden.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Sicherungsantrag ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht erwog es, dass der Verfügungswerber nach § 389 Abs 1 EO alle für den Sicherungstatbestand maßgebenden Tatsachen zu behaupten und zu bescheinigen habe. Eine einstweilige Verfügung gemäß § 381 EO sei nur dann zu erlassen, wenn die Realisierung des Hauptanspruchs konkret gefährdet sei. Eine bloß abstrakte oder theoretische Gefährdung genüge nicht. Vielmehr müssten Umstände vorliegen, die - in Ermangelung einer Sicherungsverfügung - eine Beeinträchtigung des Anspruchs oder des Anspruchsberechtigten wahrscheinlich machten. Die gefährdete Partei müsse also eine konkrete Anspruchsgefährdung dartun. Im Anlassfall könne "nicht gesagt werden, dass die Beklagte bereits konkrete Schritte zur Veräußerung oder Belastung des verfahrensgegenständlichen Liegenschaftsteiles unternommen oder ins Auge gefasst" habe, die eine wahrscheinliche Beeinträchtigung des Klageanspruchs befürchten lasse. Die Ankündigung der Beklagten, "die Liegenschaft eventuell an einen anderen Interessenten" zu verkaufen, belege noch keine konkrete Veräußerungsgefahr. Der ordentliche Revisionsrekurs sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu lösen gewesen sei.

Der Revisionsrekurs des Klägers ist, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergeben wird, zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Im angefochtenen Beschluss wurden die durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geprägten Grundsätze zur Gefährdung der Realisierung des Hauptanspruchs als Voraussetzung einer Sicherungsverfügung nach § 381 EO zutreffend dargelegt. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage und des festgestellten Verhaltens der Beklagten lässt sich jedoch - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - eine konkrete Gefährdung des Hauptanspruchs nicht verneinen.

Das Erstgericht stützte seine Feststellung, die Beklagte habe "sowohl gegenüber der Maklerin als auch durch ihren Anwalt" angekündigt, "die Liegenschaft eventuell an einen anderen Interessenten" zu verkaufen, auf die Urkunden Beilagen ./I (offenkundig richtig ./E) und ./H, deren für das Provisorialverfahren maßgebender Wortlaut eingangs wiedergegeben wurde. Daraus folgt aber eindeutig, dass die Beklagte die Verkaufsverhandlungen mit dem Kläger als gescheitert ansieht und konkret beabsichtigt, das Streitobjekt einem anderen, schon vorhandenen Interessenten zu verkaufen. In der auf die Person eines ernsthaften anderen Interessenten bezogenen Verkaufsabsicht der Beklagten ist aber eine drohende Vereitelung des Hauptanspruchs im Falle des Unterbleibens einer Sicherungsverfügung zureichend konkretisiert. Das verdeutlichen auch der Widerspruch und der Rekurs der Beklagten gegen die einstweilige Verfügung. Im Widerspruch wird bloß eine rechtsgeschäftliche Willenseinigung unter Einbeziehung des vom Kläger behaupteten Vorkaufsrechts in Abrede gestellt. Dagegen wird im Rekurs eine konkrete Absicht, den streitverfangenen Liegenschaftsteil an einen anderen Interessenten verkaufen zu wollen, gar nicht verneint, die Beklagte setzt sich dort unter Pkt. 8 vielmehr mit dem Argument zur Wehr, wegen der Provisorialmaßnahme "keinerlei Rechtsgeschäfte über die Liegenschaft abschließen" zu können.

Unter B) 3., 5. und 6. der Revisionsrekursbeantwortung wendet nun die Beklagte gegen die Gefahr einer Vereitelung des Hauptanspruchs ein, dass aus den bescheinigten Tatsachen eine konkrete Absicht, den streitverfangenen Liegenschaftsteil an einen anderen Interessenten als den Kläger zu verkaufen, nicht ableitbar sei. Außerdem sei der Urkunde Beilage ./H von den Vorinstanzen "keine Beweiskraft zuerkannt" worden. Dabei wird übersehen, dass das Erstgericht die Feststellung, die Beklagte wolle "die Liegenschaft eventuell an einen anderen Interessenten verkaufen", auf die Urkunden Beilagen ./I (offenkundig richtig ./E) und ./H stützte. Aus deren Wortlaut folgt jedoch die konkrete Gefahr einer Vereitelung des Hauptanspruchs.

2. Die Beklagte wendet sich überdies gegen ein die ganze Liegenschaft erfassendes Veräußerungs- und Belastungsverbot, beziehe sich doch der Klageanspruch nur auf einen - bereits abgrenzbaren - Liegenschaftsteil.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein auf den Grundbuchskörper als Ganzes bezogenes Veräußerungs- und Belastungsverbot auch bei einem Hauptanspruch wie hier zulässig, wenn es der Sicherungszweck erfordert (idS SZ 67/226; 1 Ob 629/92 je mwN). Die Verwirklichung dieser Prämisse ist im Anlassfall - entgegen der Ansicht der Beklagten - zu bejahen. Ihre Liegenschaft ist nach einer von ihr gar nicht bestrittenen Tatsachenbehauptung des Sicherungswerbers, die mit dem Grundbuchsstand (Abfragedatum 16. März 2000) übereinstimmt, nach wie vor ungeteilt. Es fehlt ferner an einer dem vorhandenen Teilungsplan entsprechenden bücherlichen Änderung der Größe der zum streitverfangenen Grundbuchskörper gehörenden Grundstücke. Eine solche Flächenänderung ist nach dem Grundbuchsstand erst "in Vorbereitung". Ob sie tatsächlich durchgeführt wird, ist noch unbestimmt. Der dem Kläger aufgrund der bescheinigten Tatsachen verkaufte Liegenschaftsteil entbehrt daher noch einer bücherlichen Individualisierung und Abgrenzung. Schon deshalb bedarf es zur Sicherung des eingeklagten Hauptanspruchs der primär beantragten, den gesamten Grundbuchskörper erfassenden Provisorialmaßnahme, weil sich die Verbotsanmerkung nicht auf einen nach dem Verhältnis der Größe der Liegenschaftsteile laut Teilungsplan errechneten Miteigentumsanteil an der Gesamtliegenschaft beziehen lässt, wie es dem Eventualantrag des Klägers entspräche. Ungeachtet der Frage nach der Richtigkeit einer solchen Berechnungsmethode hat der Kläger nach seinem Hauptbegehren keinen Anspruch auf Übertragung eines Miteigentumsanteils an der ganzen Liegenschaft, sondern nur einen solchen auf Übereignung eines bestimmten Liegenschaftsteils laut Teilungsplan durch Abschreibung vom Eigentum der Beklagten und Eröffnung eines neuen Grundbuchskörpers. Eine Verbotsanmerkung im Sinne des Eventualantrags überschritte demnach die durch den Hauptanspruch gezogene Verfügungsgrenze. Angesichts dieser Rechtslage muss nicht mehr erörtert werden, ob das auf den anderen Liegenschaftsteil bezogene Vorkaufsrecht des Klägers - aufgrund bescheinigter Tatsachen - eine Verbotserstreckung auf die ganze Liegenschaft gleichfalls rechtfertigen könnte.

Die Beklagte betont - wie schon im Rekursverfahren - auch noch im Verfahren dritter Instanz, die Verbotsanmerkung sei "einer Enteignung" gleichzuhalten, weil sie über ihr Eigentum nicht mehr "verfügen" könne. Diese unzutreffende Ansicht beruht auf einer unzulänglichen Prüfung der Rechtslage, kann doch die Beklagte gemäß § 384 Abs 3 EO trotz der Verbotsanmerkung bücherlich verfügen. Solche Verfügungen beeinträchtigen nur nicht die Rechtsstellung des Klägers, soweit ihm der gesicherte Anspruch zuerkannt werden sollte (NZ 1997, 398; 1 Ob 629/92 ua).

Überdies setzt sich die Beklagte noch gegen die Annahme einer Bescheinigung des Hauptanspruchs zur Wehr, sie missachtet dabei aber die maßgebenden Feststellungen. Aus diesen ist eine rechtsgeschäftliche Willenseinigung im Sinne der Klagebehauptungen abzuleiten. Die Klägerin hat im Widerspruchs- und im Hauptverfahren Gelegenheit, ihrer gegenteiligen Ansicht rechtliches Gehör zu verschaffen und den Mangel eines Kaufvertrags mit dem Kläger zu bescheinigen bzw zu beweisen.

3. Gemäß § 526 Abs 2 ZPO in Verbindung mit § 402 Abs 4 und § 78 EO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 528 Abs 1 ZPO nicht gebunden. Eine solche Rechtsfrage liegt etwa dann vor, wenn das Rekursgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs infolge einer gravierenden Fehlbeurteilung unzutreffend auf den zu beurteilenden Einzelfall anwendete. Nach den Erörterung unter 1. ist eine derartige Fehlbeurteilung aber in der Verneinung einer konkreten Gefährdung des Hauptanspruchs zu erblicken. Somit ist dem Revisionsrekurs des Klägers Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluss wiederherzustellen.

4. Gemäß § 393 Abs 1 EO fallen der gefährdeten Partei die mit der Erlassung einer Provisorialmaßnahme verbundenen Kosten - unbeschadet eines Ersatzanspruchs im Hauptverfahren - vorläufig selbst zur Last. Dieser Grundsatz erfasst auch die Kosten eines letztlich erfolgreichen Rechtsmittelverfahrens.

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