OGH 1Ob686/86

OGH1Ob686/863.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ets. M***, Vaduz, Pradafant 7, Fürstentum Liechtenstein, vertreten durch Dr. Hans Freyborn, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei A*** E*** B*** Aktiengesellschaft, Wien 1, Schwarzenbergplatz 1, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.000,-- (= S 235.900,--) s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8.Juli 1986, GZ 1 R 95/86-131, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27.Dezember 1985, GZ 31 Cg 367/83-122, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.415,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 772,75 Umsatzsteuer und S 1.920,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei stellte über Ersuchen des Architekten Prof. Dipl.Ing. Dr. techn.Fritz P*** am 10.11.1978 in Wien eine schriftliche Garantieerklärung in englischer Sprache aus, die in deutscher Übersetzung nachstehenden Wortlaut hat:

"Wir, die S*** G*** A*** DE B*** AG garantieren

hiemit der Ets. M***, Pradafant 7, 9490 Vaduz, unwiderruflich den Betrag von 10.000,--, ohne jegliche Einwendungen zu erheben, auf erste Aufforderung bis spätestens 10.Jänner 1979 zu zahlen, falls die Firma S***, Societü Immobiliüre Hotel Afrique SA., Abidjan, Elfenbeinküste, den Betrag von $ 7,000.000,-- zu den im Vertrag vom 31.Oktober 1978 in London vereinbarten Bedingungen am 10. Jänner 1979 nicht akzeptiert. Diese Garantie findet nicht Anwendung, wenn das Projekt aus Gründen höherer Gewalt oder aufgrund politischer oder anderer Ereignisse, die sich der Einflußsphäre der Firma S*** entziehen, nicht zustande kommt und erlischt am 15. Jänner 1979."

Die klagende Partei begehrt die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von 10.000,-- zum Gegenwert in österreichischen Schilling nach dem für den Zahlungstag von der Österreichischen Nationalbank verlautbarten Wechselkurs samt 12 % Zinsen seit 12.1.1979 an sie; diesen Betrag schulde ihr die beklagte Partei aus der Bankgarantie vom 10.11.1978, nach deren Inhalt dieser Einwendungen verwehrt seien. Die dennoch erhobenen Einwendungen seien zudem unrichtig.

Die beklagte Partei wendete unter anderem ein, daß ihr die klagende Partei die Bankgarantie nicht ordnungsgemäß präsentiert habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte - soweit dies für die Erledigung der Revision noch bedeutsam ist - fest, die beklagte Partei sei eine Aktiengesellschaft des österreichischen Rechtes; sie sei mit ihrer Muttergesellschaft in Strassburg, deren übrigen Tochtergesellschaften und der "Zentrale" in Paris zwar wirtschaftlich eng verflochten, jedoch rechtlich selbständig. Die S*** Generale Alsacienne de Banque AG in Zürich (im folgenden kurz S*** Zürich) sei keinesfalls eine Zweigniederlassung oder Filiale der beklagten Partei, die ihre Bank- und Kreditgeschäfte überhaupt im eigenen Wirkungskreis nur in Österreich betreibe. Die eingangs im Wortlaut wiedergegebene Bankgarantie sei innerhalb der in dieser Erklärung bestimmten Frist von Hermann F*** und Walter R*** der S*** Zürich zur Zahlung vorgelegt worden. Da die Erklärung von der beklagten Partei in Wien ausgestellt worden sei, habe ein Sachbearbeiter der Bank in Zürich bei der beklagten Partei fernmündlich angefragt, was es mit der vorgelegten Bankgarantie für eine Bewandtnis habe. Der Vorstandsdirektor der beklagten Partei Dr. Manfred K*** habe dem Anrufer bedeutet, man möge die Bankgarantie auf keinen Fall liquidieren, weil sie strittig sei. Daraufhin habe der Schalterbedienstete der S*** Zürich Hermann F*** und Walter R*** die vorgelegten Urkunden wieder ausgehändigt, worauf sich die beiden entfernt hätten. Innerhalb der in der Garantieerklärung genannten Frist sei die Bankgarantie der beklagten Partei nicht zur Zahlung präsentiert worden. Erst nach deren Ablauf habe sie die klagende Partei schriftlich zur Zahlung aufgefordert. Es sei nicht "hervorgekommen", daß die S*** in Zürich von der beklagten Partei zur Einlösung der Garantieerklärung ermächtigt worden sei.

In rechtlicher Hinsicht schloß das Erstgericht unter anderem auch, daß die Bankgarantie mangels fristgemäßer Präsentation erloschen und damit die Zahlungspflicht der beklagten Partei zu verneinen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es könne auf sich beruhen, ob die strittige Garantieerklärung eine echte oder unechte Bankgarantie sei. Entscheidend sei allein, ob die Präsentation der Bankgarantie bei der S*** Zürich eine Verbindlichkeit der beklagten Partei begründet habe. Die klagende Partei beharre nach wie vor auf ihrem Standpunkt, daß der Begünstigte die Bankgarantie auch bei einer anderen Bank einlösen könne, sofern nur die Garantiebank hievon rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden sei; das sei hier durch den Anruf geschehen. Dieser Auffassung sei jedoch mit der Lehre entgegenzuhalten, daß die Bankgarantie auf jeden Fall bei der in der Garantieerklärung genannten Bank in Anspruch genommen werden müsse. Könne eine Bankgarantie nicht einmal bei einer anderen Zweigniederlassung oder Filiale der ausstellenden Bank wirksam präsentiert werden, so gelte dies umso mehr von der Vorlegung bei einer rechtlich selbständigen Schwestergesellschaft. Sei aber die beklagte Partei nicht fristgerecht und damit auch nicht wirksam zur Zahlung aufgefordert worden, so schulde diese der klagenden Partei auch keine Leistung. Auf die anderen in der Berufung aufgeworfenen Rechtsfragen müsse somit nicht mehr eingegangen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die von der klagenden Partei gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhobene Revision ist nicht berechtigt. Das Rechtsmittel ist zulässig, weil die klagende Partei die vom Gericht zweiter Instanz entschiedene Rechtsfrage, daß die wirksame Inanspruchnahme einer Bankgarantie deren Vorlegung bei der Garantiebank (oder deren Bevollmächtigten) zur Voraussetzung habe, bekämpft und zu dieser Rechtsfrage Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Soweit die klagende Partei die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit geltend macht, führt sie damit ausschließlich Feststellungsmängel ins Treffen, die bei der Erledigung der Rechtsrüge zu erörtern sind.

Nach wie vor steht die klagende Partei auf dem Standpunkt, die Präsentation der von der beklagten Partei ausgestellten Bankgarantie bei deren Schwestergesellschaft in Zürich sei als rechtswirksame Inanspruchnahme der Garantieerklärung zu beurteilen, weil die beklagte Partei von der S*** in Zürich hievon fernmündlich in Kenntnis gesetzt worden sei und dieser zu Unrecht die Einlösung untersagt habe. In welcher Weise die beklagte Partei aus ihrer Garantieerklärung in Anspruch zu nehmen war, ist nach österreichischem Recht zu beurteilen, weil die Streitteile dieses Recht ausdrücklich bestimmt haben (§ 35 Abs.1 IPRG); im übrigen handelt es sich bei der vorliegenden Garantieerklärung um ein Bankgeschäft (Schwimann in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 38 IPRG), das nach dem Recht des Staates zu beurteilen ist, in dem das Kreditunternehmen seine Niederlassung hat (§ 38 Abs.1 IPRG), so daß auch ohne Rechtswahl inländisches Recht anzuwenden wäre. Die Garantieerklärung war bis (einschließlich) 15.Jänner 1979 befristet. Da die Inanspruchnahme der Garantie, sofern sie die Annahme der Offerte ist, eine Willenserklärung und sonst eine Willensmitteilung ist, bedarf sie zu ihrer Wirksamkeit des Zugangs (§ 862a ABGB); für die Fristwahrung ist demnach der Zugang beim Garanten maßgebend (Koziol, Der Garantievertrag, 47). Nach herrschender Lehre (Graf von Westphalen, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr, 119ff; Zahn-Eberding-Ehrlich, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel 6 , Rz 9/105; vgl. auch Canaris, Großkomm. HGB 3 III/3, 2.Bearb., Rz 1126), die auf den internationalen Gepflogenheiten beruht und daher auch der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Falles zugrundezulegen ist, hat der Begünstigte die Bankgarantie frist- und formgerecht bei der in der Garantieerklärung genannten Bank in Anspruch zu nehmen; dies gilt sowohl für die Anforderung der Garantiesumme als auch für die Erfüllung aller die Zahlungspflicht der Garantiebank auslösenden zusätzlichen Voraussetzungen (zB urkundliche Nachweise). Hat demnach eine bestimmte Zweigniederlassung oder Filiale einer Bank die Garantieurkunde zugunsten des Begünstigten ausgefertigt, so ist die in dieser Urkunde bezeichnete Zweigniederlassung oder Filiale ausschließlicher Adressat der Inanspruchnahme. Andere Zweigniederlassungen oder Filialen derselben Bank kommen deshalb auch als Empfangsboten oder gar als Stellvertreter nicht in Betracht. Dies gilt unabhängig von der rechtlichen Qualifikation der Zweigniederlassung oder der Filiale, weil es im Hinblick auf die Rechtsnatur der im Außenhandel gebräuchlichen Bankgarantien schon wegen der damit verbundenen Förmlichkeiten (vgl. hiezu Graf von Westphalen aaO 122ff) vor allem auf die formelle Übereinstimmung zwischen dem Inhalt der Garantieurkunde und jenem der Inanspruchnahme ankommt. Verfügt somit eine Garantiebank über ein verzweigtes Filialnetz, so kommt es für die fristgerechte Inanspruchnahme doch darauf an, daß die erforderlichen Erklärungen bzw. urkundlichen Nachweise innerhalb der vereinbarten Frist jener Geschäftsstelle zugegangen sind, die die Garantieerklärung ausgestellt hat. Diese formstrengen Anforderungen an die Inanspruchnahme der Bankgarantie sind aus dem Grundsatz der formalen Garantiestrenge, wonach die Erklärung, daß der Garantiefall eingetreten sei, in der Weise und mit dem Inhalt abgegeben werden muß, wie dies die Garantieurkunde umschreibt, abzuleiten. Auch bei einer Bankgarantie auf erstes Anfordern hat die Garantiebank, um allfälligen Einwendungen des Auftraggebers im Regreßweg vorzubeugen, zu prüfen, ob der Begünstigte sein frist- und formgerechtes Zahlungsbegehren gegenüber der Garantiebank eindeutig zum Ausdruck gebracht hat (Zahn-Eberding-Ehrlich aaO Rz 9/108). Zu einer solchen präzisen Prüfung ist in aller Regel nur jene Geschäftsstelle, von welcher die Garantieerklärung herrührt, befähigt; die Garantiebank hat angesichts der vor allem bei Bankgarantien im Auslandsverkehr eminenten Gefahr, daß ihre Pflichten gegenüber dem Begünstigten schon wegen der bestehenden Rechtsverschiedenheiten anders beurteilt werden könnten als ihre Rechte gegen den Auftraggeber, Anspruch auf präzise, ja nachgerade pedantisch genaue Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen (Canaris aaO Rz 1133).

Im vorliegenden Fall steht fest, daß die S*** in Zürich ein rechtlich selbständiges Unternehmen, keinesfalls aber eine Zweigniederlassung oder Filiale der beklagten Partei ist. Die Züricher Bank war von der beklagten Partei zur Einlösung der Bankgarantie weder bevollmächtigt noch auch nur ermächtigt. Es wäre daher, nach Ablehnung der Einlösung der Bankgarantie Sache der klagenden Partei gewesen, die Garantieerklärung bei der beklagten Partei innerhalb der ihr noch offen gestandenen Frist formgerecht zur Zahlung zu präsentieren; das hat sie unterlassen, so daß die Bankgarantie, wie die Vorinstanzen zu Recht angenommen haben, erloschen und eine Zahlungspflicht der beklagten Partei nicht entstanden ist.

Soweit sich die klagende Partei auch noch in der Revision auf andere internationale Gepflogenheiten beruft, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie den Bestand eines solchen Handelsbrauches nicht unter Beweis zu stellen vermochte; ein solcher ist auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Revision der klagenden Partei ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Nach dem Vermerk der Einlaufstelle des Erstgerichtes wäre die Revisionsbeantwortung zwar verspätet eingebracht worden; die beklagte Partei hat jedoch durch Vorlage des Postaufgabescheines nachgewiesen, daß die Revisionsbeantwortung am 24.10.1986 und damit am 28.Tag nach der Zustellung der Revisionsschrift zur Post gegeben worden war.

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