Spruch:
Der "Rettungsaufwand" gehört zum positiven Schaden.
Entscheidung vom 11. April 1958, 1 Ob 68/58.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Am 18. Oktober 1955 brachten die Beklagten, und zwar der Erstbeklagte als Herausgeber, die Zweitbeklagte als Verlegerin, aus Anlaß der Wahl in Oberösterreich am 23. Oktober 1955 eine Zeitung mit dem Titel "Heimatruf" und dem Untertitel "Entgegnungen und Berichtigungen" heraus, welche der Zeitung "Heimatruf" äußerlich glich, die die Klägerin herausgab. Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 7. November 1956, 3 Ob 443, 444/56 (1 Cg 254/55 des Erstgerichtes) - 23, wurden
1. der Erstbeklagte zur Unterlassung der Herausgabe und Verbreitung einer Zeitschrift mit dem Titel "Heimatruf" verurteilt;
2. beide Beklagten schuldig erkannt, die zur widerrechtlichen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke der unter dem Titel "Heimatruf" mit dem Untertitel , Entgegnungen und Berichtigungen" erschienenen Zeitschrift zu vernichten;
3. die zweitbeklagte Partei allein verurteilt, die ausschließlich zur widerrechtlichen Vervielfältigung bestimmten Druckmittel unbrauchbar zu machen, und
4. die Klägerin berechtigt, den Urteilsspruch ohne Entscheidungsgründe binnen acht Tagen nach Rechtskraft in der periodisch erscheinenden Druckschrift "Oberösterreichische Nachrichten" im politischen Teil auf Kosten des Erstbeklagten zu veröffentlichen.
Dabei nahm der Oberste Gerichtshof einen Verstoß gegen § 80 UrhG. als gegeben an. Das ausschließlich auf § 87 Abs. 2 UrhG. gestützte Begehren auf Zahlung von 50.000 S wurde abgewiesen.
Die Klägerin hatte schon vorher gegen die beiden Beklagten am 20. Oktober 1955 zu 1 Cg 254/55-2 des Erstgerichtes eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach den Beklagten verboten wurde, die gefährdende Zeitschrift mit dem Titel "Heimatruf" und dem Untertitel "Entgegnungen und Berichtigungen" herauszugeben, zu verlegen und zu verbreiten. Die einstweilige Verfügung veröffentlichte die Klägerin am 22. Oktober 1955 in zwei Zeitungen, wofür ihr Kosten in der unbestrittenen Höhe von 11.620 S und 5385 S 60 g entstanden. Weiter brachte die klagende Partei am 20. Oktober 1955 die weitere Nummer 7 ihres "Heimatrufs" heraus, was sie unbestrittenerweise 21.431 S 20 g zuzüglich 9482 S für Postversand kostete, so daß sie insgesamt 47.918 S 80 g aufwendete.
Das Erstgericht verurteilte gemäß dem Begehren der Klägerin beide Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung dieses Betrages. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, es stehe fest, daß kein neuer "Heimatruf" vor den Wahlen herausgekommen wäre, wenn die Beklagten nicht die Fälschung herausgegeben hätten. Es habe eben wegen des falschen "Heimatrufes" eine Sonderschrift eingelegt werden müssen, und es sei auch notwendig gewesen, die Einschaltung in den beiden Zeitungen zu veranlassen und den Heimatruf durch die Post verteilen zu lassen. All dies wäre unnötig gewesen, wenn die Beklagten nicht einen gefälschten "Heimatruf" herausgegeben hätten. Man werde nicht im Ernst behaupten können, daß die Druck- und Verlagsanstalt G., welche gerichtsbekannt eine Einrichtung sei, welche in den Machtbereich der X-Partei gehöre, nicht gewußt hätte, daß sie eine gefälschte Werbezeitung ihrer Gegnerin, der Y-Partei, herausgebracht habe.
Das Berufungsgericht bestätigte hinsichtlich eines Betrages von 30.000 S und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von 17.918 S 80 g ab. Es übernahm die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes. Zur Höhe des Schadens bemerkte das Berufungsgericht, es sei nicht notwendig gewesen, die einstweilige Verfügung auf den ganzen Seiten der Tagesblätter abzudrucken, und der "Heimatruf" Nr. 7 enthalte auch noch weitere Wahlpropaganda; gemäß § 273 ZPO. sei daher ein Schadenersatz von 30.000 S angemessen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Darauf, ob die Zweitbeklagte behauptete, die Fälschung des "Heimatrufes" sei ihr völlig unbekannt gewesen, oder ob sie nun ausführte, sie sei bei Durchführung des Druckauftrages in Unkenntnis der näheren Zusammenhänge und der damit verfolgten Absicht gewesen, kommt es ebensowenig wie darauf an, ob es in der Tat notorisch ist, daß die Zweitbeklagte eine Einrichtung darstellt, die in den Machtbereich der X-Partei gehört, bzw. ob sie völlig der politischen Werbung und Propaganda der X-Partei in Oberösterreich dient. In dieser Beziehung liegen weder eine wesentliche Aktenwidrigkeit noch ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Im Vorprozeß ist nämlich auch die Zweitbeklagte wegen eines Verstoßes gegen § 80 UrhG. in der oben berichteten Weise verurteilt worden. Gemäß § 87 Abs. 1 UrhG. hat derjenige, der durch eine Zuwiderhandlung gegen dieses Gesetz einen anderen schuldhaft schädigt, den Schaden zu ersetzen. Die Zuwiderhandlung gegen das UrhG. steht nun infolge des zwischen denselben Parteien ergangenen Urteiles im vorangegangenen Rechtsstreit fest. Im übrigen kann an einem Verschulden auch der Zweitbeklagten an der Veröffentlichung des gefälschten "Heimatrufes" nicht gezweifelt werden. Die Fälschung war so kraß, daß sie der Zweitbeklagten auch nur bei Anwendung der geringsten Aufmerksamkeit hätte auffallen müssen. Böse Absicht wird aber durch § 87 Abs. 1 UrhG. nicht erfordert, so daß es für den Bestand der Schadenersatzpflicht auch der Zweitbeklagten nicht darauf ankommt, ob auch - was der Oberste Gerichtshof in seiner Vorentscheidung übrigens bejaht hat - die Voraussetzungen des § 1295 Abs. 2 ABGB. gegeben sind.
Auch die in der Revision erhobene Rechtsrüge ist unstichhältig. Daß es sich auf seiten der klagenden Partei um einen Rettungsaufwand handelte, ist den Beklagten ohne weiteres zuzugeben. Der Rettungsaufwand, d. h. der Aufwand, der gemacht wurde, um eine Gefahr abzuwenden, gehört aber zum positiven Schaden (Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 38 f.; im Ergebnis ebenso Wolff in Klang 2. Aufl. VI 59). Die Gefahr, die durch den gefälschten "Heimatruf" der Beklagten für die klagende Partei herbeigeführt worden war, bestand in der Irreführung der Wähler und darin, daß die Wahlanstrengungen der klagenden Partei weitgehend fruchtlos gemacht werden sollten. Diese Gefahr abzuwenden, war die klagende Partei berechtigt. Den dafür gemachten Aufwand haben ihr die Beklagten als Schaden zu ersetzen. Die Verurteilung zur Urteilsveröffentlichung brauchte und konnte die klagende Partei bei der gegebenen Sachlage nicht abwarten, weil damit eine Abwehr des Schadens wegen Zeitablaufes keinesfalls hätte erreicht werden können. Was dann in der Revision noch zur Schädigungsabsicht ausgeführt wird, fällt ins Leere, weil die Beklagten ohnedies gemäß § 87 Abs. 1 UrhG. - wie oben bereits begrundet - auch für Fahrlässigkeit haften. Auch gegen die Anwendung des § 273 ZPO. und die Ausmessung des Schadenersatzes mit 30.000 S hegt der Oberste Gerichtshof keine Bedenken. Ausgegangen muß davon werden, daß die Beklagten durch die Fälschung des "Heimatrufes", wofür sie nicht weniger als acht Druckseiten aufwendeten, eine besonders krasse Form rechtswidriger Wahlwerbung gesetzt haben. Sie können sich daher nicht beschweren, wenn die klagende Partei auch ihrerseits in größerer Aufmachung, so durch zwei ganzseitige Veröffentlichungen der einstweiligen Verfügung und durch die Herausgabe einer Sondernummer des "Heimatrufes", den drohenden Schaden abzuwenden versuchte. Im übrigen ist zu der Sondernummer zu bemerken, daß sie ohnedies nur aus vier Seiten bestand und daß sie in einem wesentlich kleineren Umfang - zu denken wäre allerdings noch an ein Blatt gewesen - gar nicht hätte erscheinen können. So betrachtet ist der Zuspruch von 30.000 S von insgesamt unbestrittenermaßen aufgewendeten rund 48.000 S nicht zu hoch gegriffen. Die Voraussetzungen des § 273 ZPO. waren gegeben, zumal auch durch einen Sachverständigenbeweis die Höhe des Schadens, das ist des angemessenen Rettungsaufwandes, dessen Ausmessung weitgehend von der Festlegung der Grenzen der anpassenden Gegenwehr abhängt, nicht erweislich gewesen wäre.
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