OGH 1Ob678/85

OGH1Ob678/8513.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Christine A, Angestellte, Friedrich Knauer-Gasse 1-3/11/16, 1100 Wien, vertreten durch Dkfm.Dr. Heinrich Jandl, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Siegfried A, Angestellter, Franzensbrückenstraße 22/2/20, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Rudolf Friedrich Stiehl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 23.Mai 1985, GZ 43 R 262/85-57, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 14.Dezember 1984, GZ 7 F 3/83-45, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Fole gegeben.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil vom 18.März 1982, rechtskräftig seit 22.April 1982, aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Der Ehe entstammt der am 14.Dezember 1977 geborene Sohn Christoph. Die Elternrechte zu diesem Kind wurden nach der Scheidung der Antragstellerin zuerkannt; der Antragsgegner wurde zunächst zu Unterhaltsleistungen von 500 S monatlich (inzwischen erhöht auf 900 S monatlich) verpflichtet.

Die geschiedene Ehegattin beantragte (zuletzt), ihr die Mietrechte an der Ehewohnung - allenfalls gegen Auferlegung einer Ausgleichszahlung - allein zu übertragen und ihr vom Hausrat "Einbauschränke oder (sonstige) Sachen", die mit der Wohnung fest verbunden sind, zuzuweisen.

Der Antragsgegner beantragte, dem Antrag nicht Folge zu geben und brachte vor, daß die Antragstellerin ohnehin eine andere Wohnmöglichkeit habe. Eventuell sei er mit einer Ausgleichszahlung von 300.000 S einverstanden.

Das Erstgericht wies die Ehewohnung sowie einen Wandverbau und einen Einbaukasten der Antragstellerin zu, legte ihr eine Ausgleichszahlung von 100.000 S, zahlbar binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Beschlusses, auf und trug dem Antragsgegner auf, innerhalb derselben Frist die Ehewohnung zu verlassen. Das Erstgericht stellte fest, daß die Parteien während aufrechter Ehe etwa zu gleichen Teilen zur Bestreitung des ehelichen Haushalts finanziell beigetragen hätten, da auch die Antragstellerin - mit Ausnahme eines Zeitraumes von etwa drei Jahren - stets berufstätig gewesen sei. Die Ehewohnung sei 113,65 m 2 groß und abgewohnt. Ihr Wert betrage 243.000 S. Von den von den Ehegatten während aufrechter Ehe aufgenommenen und aufgestockten Krediten habe die Antragstellerin den bei der B aushaftenden Kredit seit September 1983 zur

(weiteren alleinigen) Rückzahlung übernommen. Sie bezahle monatlich 1.800 S auf den am 5.November 1984 noch mit ca. 66.000 S aushaftenden Kredit zurück. Der Antragsgegner sei seit Juni 1983 arbeitslos und beziehe eine Notstandsunterstützung von 3.526 S monatlich (laut eigenen Angaben AS 152 2.526 S monatlich; laut Akt 6 P 152/84, Bezirksgericht Favoriten, AS 91 betrug die Notstandsunterstützung zunächst 4.840 S monatlich, seit 30.Juni 1983 5.320 S monatlich und seit 1.Jänner 1984 193,70 S täglich). Ersparnisse haben die Ehegatten während der Ehe nicht angesammelt. Sie sind vermögenslos.

Das Erstgericht nahm bei der Zuweisung der Ehewohnung darauf Bedacht, daß die Ehegatten zur Bestreitung der Kosten des Ehelebens mit etwa gleich hohen Geldmitteln beigetragen hätten, die Antragstellerin den gemeinsamen Haushalt geführt und das Kind versorgt habe. Für die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin spreche das Kindeswohl sowie der Umstand, daß der Antragsgegner derzeit außerstande sei, die Kosten der Wohnung aufzubringen, so daß die Gefahr bestehe, daß die Wohnung infolge Nichtzahlung des Mietzinses beiden Ehegatten verlorengehe. Der Antragstellerin sei eine Ausgleichszahlung in einer Höhe aufzuerlegen, die den Antragsgegner in die Lage versetze, sich eine entsprechende Wohnung anzuschaffen. Bei der Bemessung der Höhe dieser Ausgleichszahlung sei auf den Wert der Ehewohnung sowie darauf Bedacht zu nehmen, daß die Antragsgegnerin die gemeinsamen Schulden der Ehegatten bei der B begleiche.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht, wohl aber dem Rekurs der Antragstellerin Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes in den angefochtenen Punkten dahin ab, daß es der Antragstellerin die weiteren, mit der Wohnung fest verbundenen Einrichtungsgegenstände zuwies, die von der Antragstellerin zu leistende Ausgleichszahlung auf 70.000 S verminderte und die Zahlungsfrist für einen Betrag von 50.000 S auf acht Wochen und für den Rest von 20.000 S auf ein Jahr verlängerte. Das Rekursgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Das Rekursgericht war der Ansicht, daß bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung nicht nur auf die von beiden Ehegatten getätigten Investitionen Bedacht zu nehmen, sondern auch darauf Rücksicht zu nehmen sei, daß sich der Antragsgegner eine entsprechende Wohnmöglichkeit anschaffen könne. Zur Befrieidgung des Wohnbedürfnisses des alleinstehenden Antragstellers seien aber geringere Mittel erforderlich, als es seinen bisherigen Verhältnissen als Familienvater entsprochen habe. Zu berücksichtigen sei aber auch die von der Antragstellerin übernommene Kreditrückzahlung. Die Antragstellerin habe zwar ein bestimmtes Begehren auf Gewährung längerer Zahlungsfristen für die Ausgleichszahlung nicht gestellt. Die nunmehr festgesetzten Zahlungsfristen entsprächen aber sowohl der Leistungsfähigkeit der Antragstellerin als auch den Bedürfnissen des Antragsgegners.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs des Antragsgegners, mit dem er nur die Herabsetzung der Ausgleichszahlung auf 70.000 S und die Verlängerung der der Antragstellerin hiefür gewährten Zahlungsfrist bekämpft, ist nicht berechtigt.

Soweit eine (billige und tunliche) Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nach den §§ 18 ff EheG (sonst) nicht erzielt werden kann, hat das Gericht gemäß § 94 Abs. 1 EheG einem Ehegatten eine Ausgleichszahlung an den anderen aufzuerlegen. Die hiebei zu beachtenden Billigkeitsgrundsätze können den in § 83 Abs. 1 EheG enthaltenen Aufteilungsgrundsätzen (EF 38.904; RZ 1981/76; vgl. Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 94 EheG) sowie der Bestimmung des § 94 Abs. 2 EheG (EFSlg. 41.420) entnommen werden, sind aber nicht auf diese Kriterien beschränkt (EFSlg. 43.800). Es ist somit auch bei der Festsetzung der Höhe der Ausgleichszahlung auf Gewicht und Umfang des Beitrages jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens (und zur Ansammlung allfälliger ehelicher Ersparnisse) sowie auf das Wohl der Kinder Bedacht zu nehmen, weiter auf Schulden, die mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen, soweit sie nicht ohnedies nach § 81 EheG in Anschlag zu bringen sind (7 Ob 524/81). Im Rahmen der nach § 94 Abs. 1 EheG anzustellenden Billigkeitserwägungen ist auch darauf Rücksicht zu nehmen, daß nach dem konkreten Standard der beiderseitigen Lebensverhältnisse eine wirtschaftliche Grundlage der nunmehr getrennten Lebensführung für beide Teile, soweit dies möglich ist, gesichert bleibt (EFSlg. 43.801, 41.420, 38.907). Jede Zahlungsverpflichtung eines vormaligen Ehegatten, die ihn selbst in seiner wirtschaftlichen Lage nicht wohl bestehen ließe, widerspräche der nach § 94 Abs. 1 EheG zu beachtenden Billigkeit (EFSlg. 43.801, 41.423, 41.434, 38.907). Der Grundsatz der Billigkeit ist aber doch nicht dahin zu verstehen, daß dem Ausgleichspflichtigen nur jener Betrag auferlegt werden darf, den er bequem aufbringen kann. Strebt ein Teil die Übernahme eines Vermögenswertes an, muß man von ihm eine entsprechende Anspannung seiner Kräfte unter äußerster Einschränkung seiner Lebensbedürfnisse verlangen (EFSlg. 43.807, 41.424, 41.434; auch EFSlg. 38.906).

Die vom Rekursgericht festgesetzte Höhe der Ausgleichszahlung entspricht diesen Billigkeitserwägungen, weil die Antragstellerin nicht nur durch ihre Berufstätigkeit, sondern auch durch die Führung des gemeinsamen Haushaltes und die Pflege und Erziehung des mj. Christoph zur Anschaffung und Erhaltung der (gemieteten) Ehewohnung beigetragen hat; zudem hat sie noch erhebliche Kreditverpflichtungen aus der Zeit der aufrechten Lebensgemeinschaft zur alleinigen Rückzahlung übernommen und der Überlassung des gesamten Hausrates an den Antragsgegner (mit Ausnahme der eingebauten Möbel) zugestimmt. Darüber hinaus mußte sie wegen Säumigkeit des Antragsgegners mit der Zinszahlung für die Ehewohnung zur Sicherung der Mietrechte bereits für die Zeit vor der Zuweisung der Ehewohnung Zinszahlungen leisten. Unter diesen Voraussetzungen ist ihr eine höhere Ausgleichszulage auch bei äußerster Einschränkung ihrer Lebensbedürfnisse - sie hat ein Einkommen von nur etwa 10.000 S monatlich (AS 126; zitierter P-Akt AS 49) - nicht zumutbar und würde ihre sowie die Existenz des gemeinsamen Kindes der Parteien gefährden. Die festgesetzte Ausgleichszahlung ist auch ausreichend, um dem Antragsgegner die Beschaffung und weitere Einrichtung einer seinen nunmehrigen Bedürfnissen als Alleinstehender entsprechenden Mietwohnung zu erleichtern. Gemäß § 94 Abs. 2 EheG kann das Gericht eine Stundung der Ausgleichszahlung oder deren Entrichtung in Teilbeträgen anordnen, wenn dies für den Ausgleichspflichtigen wirtschaftlich notwendig und dem Ausgleichsberechtigten zumutbar ist. Diese Voraussetzungen sind gegeben, weil sich die Antragstellerin, wie oben dargelegt, bereits in einer äußerst angespannten finanziellen Situation befindet. Wenn auch der Antragsgegner vermögenslos ist und derzeit von einer Notstandsunterstützung lebt, so daß es ihm nicht möglich ist, die zur Beschaffung einer Ersatzwohnung erforderlichen Mittel durch eigene Kreditaufnahme vorzufinanzieren, so erhält er doch nach der von der zweiten Instanz getroffenen Anordnung den größten Teil der Ausgleichszahlung in so kurzer Frist, daß er damit für eine Wohnmöglichkeit Vorsorge treffen kann. Daß er den Restbetrag später bekommt, ist ihm zumutbar.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens stützt sich auf § 234 ZPO. Die Antragstellerin hat Kosten des Revisionsrekursverfahrens nicht verzeichnet.

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