OGH 1Ob673/86

OGH1Ob673/8617.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Margarete V***, Hausfrau,

Mozartplatz 4, 5020 Salzburg, 2.) Dr. Kurt A***, Rechtsanwalt,

Mozartplatz 4, 5020 Salzburg, 3.) Dr. Dorothea A***, Angestellte, Boschweg 6, 4020 Linz, 4.) Gertraud K***, Hausfrau, Joseph-Messner-Straße 7, 5020 Salzburg, 5.) Dr. Erwin M***, Facharzt, Josefstädter Straße 101, 1080 Wien, 6.) Prof. Herbert S***, Pensionist, Mozartplatz 4, 5020 Salzburg, alle vertreten durch Dr. Kurt Asamer, Dr. Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei B*** Carl S*** & Co., 5020 Salzburg, Schwarzstraße 1, und des Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei E. B*** Söhne Gesellschaft mbH, 1170 Wien, Halirschgasse 17, dieser vertreten durch Dr. Ernst Ploil und Dr. Robert Krepp, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung infolge Rekurses des Nebenintervenienten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 28. August 1986, GZ 32 R 125/86-10, womit infolge Berufung des Nebenintervenienten das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 14. Jänner 1986, GZ 18 C 1815/85-6, als nichtig aufgehoben, die Beitrittserklärung des Nebenintervenienten und dessen Einwendungen gegen die Aufkündigung zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neue Entscheidung über die Berufung des Nebenintervenienten unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger kündigten der beklagten Partei das von ihr im Hause Salzburg, Mozartplatz 4, gemietete Geschäftslokal zum 28. Februar 1986 auf und machten den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG geltend. Die Aufkündigung wurde der beklagten Partei am 28. Oktober 1985 zugestellt. Mit dem am 31. Oktober 1985 zur Post gegebenen Schriftsatz erklärte die Fa. E. B*** Söhne Gesellschaft mbH Wien den Beitritt als Nebenintervenient und erhob Einwendungen gegen die Aufkündigung. Sie machte geltend, daß die beklagte Partei nach dem mit den klagenden Parteien abgeschlossenen Mietvertrag zur Untervermietung des in Bestand gegebenen Geschäftslokals berechtigt sei.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam, weil der Bestandgegenstand gegen ein unverhältnismäßiges Entgelt weitergegeben worden sei. Die Erlaubnis der gänzlichen oder teilweisen Untervermietung umfasse nicht auch den Verzicht auf die Kündigung wegen Erzielung eines unverhältnismäßigen Entgelts. Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung des Nebenintervenienten das angefochtene Urteil und das vorangegangene Verfahren bis zur Zustellung der Aufkündigung als nichtig auf und wies die Beitrittserklärung des Nebenintervenienten und dessen Einwendungen gegen die Aufkündigung zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden habe, S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Voraussetzung für die Erklärung der Nebenintervention sei ein zwischen anderen Personen anhängiger Rechtsstreit, worunter Streitanhängigkeit zu verstehen sei. In den Fällen der besonderen Verfahrensarten wie dem Kündigungsverfahren trete Streitanhängigkeit erst mit der Erhebung von Einwendungen durch die beklagte (gekündigte) Partei ein. Vor Erhebung von Einwendungen sei noch kein Rechtsstreit gegeben, so daß einem solchen auch nicht beigetreten werden könne. Daraus ergebe sich, daß das Erstgericht mit nur einer Partei, nämlich den Klägern, ein kontradiktorisches Verfahren abgeführt und damit gegen einen der unabdingbaren Grundsätze der Zivilprozeßordnung verstoßen habe. Für die Nebenintervention durch den Untermieter vor Erhebung von Einwendungen gegen die Aufkündigung durch den Bestandnehmer bestehe auch kein praktisches Bedürfnis, weil der Untermieter gegen den Willen des Hauptmieters einen Kündigungsstreit nicht fortsetzen könne.

Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs des Nebenintervenienten, dem Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zulässig, weil die Interessenlage keine andere ist als bei Zurückweisung der Klage und die Entscheidung des Berufungsgerichtes eine abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes bedeutet (vgl. SZ 52/125; SZ 34/77). In der Sache selbst vermag der Oberste Gerichtshof die vom Berufungsgericht vertretene, auf die Ausführungen von Fasching gestützte Rechtsansicht nicht zu teilen. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung SZ 10/55 = JB 31 neu ausgesprochen, daß im Bestandverfahren die Nebenintervention des Untermieters auch dann zulässig sei, wenn der Aufgekündigte gegen die Aufkündigung keine Einwendungen erhebt. Dies wurde damit begründet, daß auch im Bestandverfahren die Streitanhängigkeit (§ 232 ZPO) durch die Zustellung der Aufkündigung an den Beklagten bewirkt werde und ab diesem Zeitpunkt daher auch eine Nebenintervention zulässig sei. Die Ansicht, daß im Bestandverfahren die Streitanhängigkeit nicht mit der Zustellung der Aufkündigung, sondern erst dann eintrete, wenn (vom Gekündigten) Einwendungen erhoben werden, wurde vom Obersten Gerichtshof abgelehnt. Es wurde darauf verwiesen, daß die im Spruch 255 vertretene Auffassung, wonach das gerichtliche Kündigungsverfahren bis zur Erhebung von Einwendungen ein außerstreitiges Verfahren sei, schon deshalb nicht aufrecht erhalten werden könne, weil niemand ernstlich daran gedacht habe, eine beim unzuständigen Gericht überreichte Aufkündigung dem zuständigen Gericht zu überweisen, oder auf die Entscheidung der Vorfrage, ob ein Bestandvertrag vorliege, den Untersuchungsgrundsatz und auf Rechtsmittel die Vorschrift des § 9 AußStrG anzuwenden. An dieser Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof auch in der Folge festgehalten (MietSlg. 19.555/17). Die Ausführungen von Fasching zu dieser Frage sind widersprüchlich. Er vertritt zunächst die Auffassung (Komm. II 212, 229), daß es dem Untermieter vor der Erhebung von Einwendungen durch den Hauptmieter verwehrt sei, im Rechtsstreit als Nebenintervenient aufzutreten, weil der Rechtsstreit erst durch die Einwendungen des Beklagten entstehe. Andererseits billigt Fasching die Entscheidung MietSlg. 19.555/17 und führt aus (Komm. IV 629), daß nur die Einordnung der Kündigung als prozeßeinleitender Parteiantrag und ihre Gleichstellung mit der Klage sowie die Wertung des Kündigungsverfahrens schon vor den Einwendungen als Zivilprozeß zur Beseitigung aller Schwierigkeiten, die sich für die Zulässigkeit der Nebenintervention, die Unterbrechung des Verfahrens (hiezu Komm. II 757) und die Streitanhängigkeit ergeben. Auch im Lehr- und Handbuch Rz 2140 erblickt Fasching unter Hinweis auf die Entscheidung SZ 10/55 = JB 31 neu in der Kündigung einen Akt des streitigen Verfahrens und knüpft daran die Folgerung, daß, ohne daß dies das Gesetz ausdrücklich erwähne, die Vorschriften über den Kostenersatz und die anderen Verfahrensvorschriften der Zivilprozeßordnung auf die Kündigung Anwendung zu finden haben. Stellt man aber die Aufkündigung, wie dies Fasching selbst postuliert, der Klage gleich, ist mit deren Zustellung an den Beklagten die Streitanhängigkeit gegeben und damit die Nebenintervention des Untermieters (§ 568 ZPO) zulässig. Für die Gleichstellung der Aufkündigung mit der Klage tritt auch Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht 2 358, ein; er hebt hervor, daß das Prozeßrechtsverhältnis mit der Zustellung der Kündigung entstehe. Auch Pollak, System 2 128 FN 47, 52, und Rechberger-Simotta, Zivilprozeßrecht 2 Rz 145, vertreten den Standpunkt, daß im Bestandverfahren die Nebenintervention bereits ab Zustellung der Aufkündigung an den Beklagten zulässig ist. Petschek-Stagel, Der österreichische Zivilprozeß 433, führen unter Hinweis auf die Entscheidung JB 31 neu aus, daß schon die Kündigung den Prozeßbeginn gebracht habe und damit die Möglichkeit zur Nebenintervention gegeben sei. Der Oberste Gerichtshof hält an der in der Entscheidung SZ 10/55 = JB 31 neu zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht fest.

Demzufolge ist dem Rekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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