OGH 1Ob661/88

OGH1Ob661/8811.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache Christoph T***, geboren 8.Oktober 1969, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gerhard T***, Geschäftsführer, Brunn am Gebirge, Jubiläumstraße 7/9, vertreten durch Dr.Helene Klaar, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 10. August 1988, GZ 43 R 456/88-53, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 17.März 1988, GZ 17 P 149/87-47, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11.Dezember 1985, 1 Cg 288/85-3, gemäß § 55 Abs 2 EheG geschieden. Es wurde ausgesprochen, daß das Verschulden an der Zerrüttung den Ehemann trifft. Der Sohn befindet sich bei der Mutter. Sein Vater wurde zuletzt mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 6.März 1985, 44 R 3122/85-34, ab 1.Oktober 1984 verpflichtet, ihm einen Unterhaltsbetrag von monatlich S 6750 zu bezahlen.

Am 16.Dezember 1987 beantragte der Vater, ihn ab 1.Jänner 1988 von seiner Unterhaltspflicht zu entbinden. Er müsse davon ausgehen, daß sein Sohn derzeit keine Schule besuche bzw. ein allfälliger Schulbesuch zu keinem positiven Ergebnis geführt habe, so daß der Sohn mit Rücksicht auf sein Alter von 18 Jahren mangels zielführender Ausbildung oder Studientätigkeit als selbsterhaltungsfähig zu behandeln sei. Für die Zeit ab Februar 1986 gebe es keinen Nachweis eines Schulbesuches oder einer sonstigen Ausbildung.

Die Mutter wendete ein, der Sohn besuche seit September 1986 den Vorbereitungslehrgang zur Ablegung einer Externistenreifeprüfung an der Volkshochschule WiedenMagareten-Meidling, er werde voraussichtlich 1990 zur Reifeprüfung antreten.

Das Erstgericht enthob den Vater mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1988 von der ihm auferlegten Unterhaltsverpflichtung. Der Sohn sei 18 1/2 Jahre alt und könne keine Erfolge seit Beendigung der Pflichtschule vorweisen. Seit September 1986 besuche er zwar die Volkshochschule zwecks Ablegung einer Externistenreifeprüfung, habe aber dort noch keine Prüfung abgelegt. Es dränge sich daher die Vermutung auf, daß der Sohn die Schule lediglich deshalb besuche, damit er weiter Anspruch auf Unterhaltszahlungen seines Vaters habe. Der Vater habe jedoch nur dann zur weiteren Ausbildung seines Sohnes beizutragen, wenn dieser die zum Studium erforderlichen Fähigkeiten besitze und das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibe. Davon könne im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Minderjährigen, vertreten durch seine Mutter als gesetzlichen Vertreter, Folge. Es änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag des Vaters abwies. Es stellte fest: Der Minderjährige habe im Schuljahr 1984/85 die 5. Klasse des Naturwissenschaftlichen Realgymnasiums Wien 21 besucht. Infolge fünf Nichtgenügend sei er zum Aufsteigen nicht berechtigt gewesen. Im Schuljahr 1985/86 habe er das Bundesrealgymnasium und Bundesoberstufenrealgymnasium Wien 22 besucht. In der Schulnachricht nach dem ersten Semester sei er in zwei Fächern nicht beurteilt worden, in sechs Fächern habe er die Beurteilung Nichtgenügend aufgewiesen. Ein Abschlußzeugnis habe er nicht erhalten. Am 1.Juli 1986 habe er sich an der Volkshochschule WiedenMagareten-Meidling zur A-Matura angemeldet. Mit Entscheidung der Externistenprüfungskommission vom 16.Februar 1988 sei er zur Externistenreifeprüfung zugelassen worden. Er könne zur Hauptprüfung frühestens zum Sommertermin 1990 antreten. Seit September 1987 besuche er den Vorbereitungslehrgang an der Volkshochschule. Am 24. März 1988 habe er eine Prüfung aus Geographie positiv abgelegt, für die Maturaprüfung in Geschichte am 14.September 1988 sei er angemeldet. Es entspreche der Lebenserfahrung und werde in der einschlägigen Fachliteratur wiederholt ausgeführt, daß schwere familiäre Belastungen eines Kindes, insbesondere im pubertären Alter, zu großen Schwierigkeiten im Reifungsprozeß führen könnten. Massive Schulschwierigkeiten seien die Folge. Es sei ersichtlich, daß die gravierenden schulischen Mißerfolge im zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung der Eltern stehen. Die Rechtsprechung, wonach die Unterhaltsverpflichtung des Vaters dann erlischt, wenn das unterhaltsberechtigte Kind keine zielführenden Schritte zur Absolvierung einer Schule im Zuge seiner Ausbildung aufweise, gehe davon aus, daß dieses Verhalten dem Kind zurechenbar sei. Dies sei aber bei erkennbaren und auf die familiären Verhältnisse der Eltern bedingten Probleme einer verzögerten Reife nicht der Fall. Die jetzige Entwicklung lasse erkennen, daß eine Konsolidierung im Gange sei. Es dürfe allerdings nicht übersehen werden, daß die Zeitspanne, für die schulischen Mißerfolge des unterhaltsberechtigten Kindes noch nicht zu einer Enthebung des Vaters von seiner Unterhaltsverpflichtung führen, begrenzt sei. Es sei zu beachten, daß nur eine solche schulische Weiterbildung des unterhaltsberechtigten Kindes als gerechtfertigt anzusehen sei, bei der die Erreichung eines bestimmten Ausbildungszieles in seiner Altersstufe zu erwarten sei, die vom sonst für diese Stufe üblichen Alter nicht allzu weit entfernt sei. Zu große Verzögerungen beim künftigen Eintritt in das Berufsleben entsprächen im allgemeinen nicht dem Wohl des Kindes. Der Minderjährige werde daher sehr wohl vor dem frühestmöglichen Termin der Hauptprüfung weitere Vor- bzw. Teilprüfungen abzulegen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zwar zulässig, weil über die Ermöglichung einer bestimmten Berufsausbildung durch den Besuch einer bestimmten Schule zu entscheiden ist (EFSlg 52.724, 49.367, 47.182/2 uva), er ist aber nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber konzediert, daß der Zerfall der Familie trotz bereits früher gegebener Spannungen eine Belastung des Kindes dargestellt hat. Wenn der Sohn daher gerade in jenem Jahr den Besuch einer allgemeinbildenden höheren Schule abbrach, in dem die Ehe der Eltern geschieden wurde, ist entgegen den Rekursausführungen der Schluß naheliegend, daß dieser schulische Mißerfolg aus der psychischen Belastung des Minderjährigen erklärbar und damit auch weitgehend entschuldbar ist. Der erkennende Senat sprach in seiner Entscheidung SZ 51/90 aus, daß selbst ein aus Verschulden des Kindes erloschener Unterhaltsanspruch bei grundsätzlicher Änderung der charakterlichen Einstellung und Aufnahme einer ein besseres Fortkommen ermöglichenden schulischen Ausbildung wieder aufleben kann. Dies muß umso mehr dann gelten, wenn der schulische Mißerfolg weitgehend auf das Verhalten der Eltern zurückzuführen ist. Der Sohn strebt nunmehr die Ablegung der Externistenreifeprüfung nach dem Lehrplan eines Oberstufenrealgymnasiums an. Er schlägt damit einen in § 42 SchUG ausdrücklich normierten Bildungsweg ein, dem nach der RV, 345 BlgNR 13.GP 51, angesichts der steigenden Anforderungen des modernen Lebens steigende Bedeutung zukommt. Der Vater bestreitet nicht, daß sein Sohn den intelligenzmäßigen Anforderungen einer solchen Ausbildung gewachsen wäre. Solange der Sohn daher diesen Bildungsweg zielstrebig verfolgt und die vorgeschriebenen Vorprüfungen zügig ablegt, muß er sich nicht wie ein Selbsterhaltungsfähiger behandeln lassen. Sein Unterhaltsanspruch ist daher nicht erloschen. Ob der Vater in früheren Jahren erfolgreich den Antrag hätte stellen können, von seiner Unterhaltspflicht enthoben zu werden, steht hier nicht zur Debatte. Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.

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