Normen
HGB §171
KO §37 Abs3
HGB §171
KO §37 Abs3
Spruch:
Wird über das Vermögen einer Kommanditgesellschaft während eines von einem Gesellschaftsgläubiger gegen einen Kommanditisten eingeleiteten Verfahrens, in dem die persönliche Haftung des Kommanditisten bis zur Höhe seiner Einlage in Anspruch genommen wird (§ 171 Abs. 1 HGB), der Konkurs eröffnet, kann der Masseverwalter in das Verfahren eintreten
OGH 30. Juni 1982, 1 Ob 653/82 (LG Feldkirch R 145/82; BG Bregenz 2 C 1781/80)
Text
Mit Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Montafon vom 14. 5. 1980, C 70/80 -2, wurde die H-Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG rechtskräftig schuldig erkannt, Sepp T für Erdarbeiten den Betrag von 17 700 S samt 9.5% Zinsen zuzüglich 18% Umsatzsteuer aus dem Zinsenbetrag seit 1. 7. 1979 und die mit 2267.54 S bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Rudolf S war mit einer Haftungseinlage von 3 Mill. S Kommanditist der H-Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG in P. Über das Vermögen der Kommanditgesellschaft und das der Komplementärgesellschaft wurde am 7. 4. 1981 zu S 6 und 7/81 des Landesgerichtes Feldkirch der Konkurs eröffnet.
Mit der am 10. 12. 1980 eingebrachten Klage begehrte Sepp T, gestützt auf die Vorschriften der §§ 171 f. HGB, den Zuspruch des Betrages von 19 967.54 S samt Anhang. Rudolf S habe seine Haft- und Pflichteinlage nicht vollständig einbezahlt. In einer zwischen Rudolf S und der H-Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG abgeschlossenen Vereinbarung vom 25. 1. 1978, mit der Rudolf S gegen Bezahlung eines Betrages von 2 300 000 S auf ihm eingeräumte Sonderrechte verzichtete, sei zumindest teilweise eine verdeckte Rückzahlung seiner Einlage zu erblicken.
Die beklagte Partei wendete ein, Rudolf S habe teils durch Einzahlung seiner Einlage, teils durch Befriedigung anderer Gläubiger weit mehr als 3 Mill. S geleistet. Eine verdeckte Rückzahlung der Einlage sei nicht erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 14. 10. 1981 trat der Masseverwalter im Konkurs der Firma H-Betriebsgesellschaft mbH & Co KG gemäß § 171 Abs. 2 HGB an die Stelle des bevollmächtigten Vertreters Sepp Ts in den Prozeß ein und erklärte, in Vertretung des Klägers den Prozeß fortzusetzen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es stellte fest, unter Berücksichtigung der Einzahlungen des Rudolf S auf seine Kommanditeinlage in der Zeit vom 6. 8. 1973 bis 12. 12. 1980 wäre zum Zeitpunkt der Auftragserteilung der Kommanditgesellschaft an Sepp T die Einlage des Rudolf S zur Gänze einbezahlt gewesen. Nach Überweisung eines Betrages von 2 390 000 S am 24. 1. 1978 vom Kapitalkonto der Firma J und R S, deren persönlich haftender Gesellschafter Rudolf R damals gewesen sei, sei aber auf Grund einer Rechnung vom 9. 1. 1978 am 25. 1. 1978 von der Kommanditgesellschaft auf ein Konto der Firma J & R S ein Betrag von 2 Mill. S überwiesen worden.
Bei der Koinzidenz der beiden Überweisungen vom bzw. auf dasselbe Konto, und der im Vergleich zur Summe lapidaren Rechnung vom 9. 1. 1978 läge es nach den Regeln der Beweislast bei der beklagten Partei, zu behaupten und zu beweisen, mit der Überweisung des Betrages von 2 Mill. S sei eine echte Leistung angemessen abgegolten worden. Dieser Beweis sei nicht hergestellt worden. Das Begehren sei daher berechtigt.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Schon die Rechtsrüge erweise sich als berechtigt. § 171 Abs. 2 HGB schaffe eine Sonderregelung für die Dauer des Konkurses der Kommanditgesellschaft. Auch während des Konkurses der Gesellschaft hafte der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage. Die Haftung sei sachlich die gleiche wie außerhalb des Konkurses. Während der Dauer des Konkursverfahrens aber werde das den Gesellschaftsgläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB zustehende Recht durch den Masseverwalter ausgeübt. § 171 Abs. 2 HGB nehme den Gesellschaftsgläubigern nach Konkurseröffnung das Recht, sich persönlich an den Kommanditisten zu halten, weil die Hafteinlage des Kommanditisten im Konkurs, soweit sie noch nicht geleistet sei, zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung stehen solle. Deshalb könne während des Konkurses nur der Masseverwalter die sich aus der beschränkten persönlichen Haftung des Kommanditisten für die Gesellschaftsgläubiger ergebenden Ansprüche geltend machen. Während der Dauer des Gesellschaftskonkurses sei somit die unmittelbare Haftung der Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern aufgehoben. Die Gesellschaftsgläubiger könnten Befriedigung nur aus der Konkursmasse erlangen. Die Haftung des Kommanditisten äußere sich nur darin, daß er seine noch nicht geleistete Einlage an die Konkursmasse zu leisten habe. Bei Ausübung des Rechtes nach § 171 Abs. 2 HGB handle der Masseverwalter nicht als Vertreter des Gemeinschuldners oder der Gesellschaft, sondern übe ein selbständiges, ihm vom Gesetz übertragenes Recht aus. Er fordere die ausstehende Kommanditeinlage im Interesse der Gläubigerschaft als Gesamtheit ein. Im Rahmen dieser Befugnis übe er ein fremdes Recht im eigenen Namen für Rechnung derjenigen Gläubiger aus, denen das Recht zustehe. Der einzelne Gesellschaftsgläubiger könne sich danach während des Konkurses der Gesellschaft nur an die persönlich haftenden Gesellschafter und an die Gesellschaft halten; den Anspruch gegen die Gesellschaft mache er gegen die Konkursmasse durch Anmeldung seiner Forderung geltend. Vom Kommanditisten könne er unmittelbar Befriedigung nicht mehr fordern. Wenn zur Zeit der Konkurseröffnung die Klage eines Gläubigers gegen den Kommanditisten aus dessen Haftpflicht anhängig sei, so trete durch die Konkurseröffnung eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein, da keine der Prozeßparteien sich im Konkurs befinde. Der Rechtsstreit sei jedoch in der Hauptsache erledigt. Der Anspruch des einzelnen Gesellschaftsgläubigers gegen die Kommanditisten auf unmittelbare Befriedigung sei mit der Konkurseröffnung und während der Dauer des Konkursverfahrens hinfällig geworden. Selbst wenn daher die Feststellungen des Erstgerichtes zuträfen, könne der Gesellschaftsgläubiger seine Ansprüche nicht in der von ihm gewählten Form gegen die beklagte Partei durchsetzen. Durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Kommanditgesellschaft sei der klagenden Partei die Möglichkeit genommen, von Rudolf S als Kommanditisten dieser Gesellschaft Befriedigung zu fordern. Dieses Recht sei auf den Masseverwalter übergegangen. Dieser müßte das Recht im eigenen Namen für diejenigen Gläubiger ausüben, denen das Recht an sich zustehe. Der Masseverwalter könne aber nicht als Vertreter des Klägers in diesen Prozeß eintreten. Da während des Gesellschaftskonkurses der Masseverwalter allein zur Geltendmachung der Haftung des Kommanditisten befugt sei, könne auch die Fortführung eines anhängigen Prozesses durch einen einzigen Gläubiger nicht mit Zustimmung des Masseverwalters erfolgen. Der Masseverwalter könne seine Befugnis nicht einem einzelnen Gläubiger übertragen oder einen allfälligen Anspruch freigeben. Zur Zeit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der H-Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG am 7. 4. 1980 sei der Rechtsstreit des Gesellschaftsgläubigers Sepp T gegen den Kommanditisten Rudolf S aus dessen Haftpflicht anhängig und mit der Eröffnung des Konkurses in der Hauptsache erledigt gewesen. Ab diesem Zeitpunkt hätte somit Sepp T sein Begehren auf Prozeßkostenersatz einschränken müssen. Da er diese Einschränkung nicht vorgenommen habe, sei sein Begehren abzuweisen.
Über Revision des Masseverwalters im Konkurs der Firma H Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG hob der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach § 171 Abs 1 HGB haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar. Die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. Wurde die Einlage an den Kommanditisten zurückgezahlt, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet (§ 172 Abs. 4 HGB). Ist über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet, so wird während der Dauer des Verfahrens das den Gesellschaftsgläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB zustehende Recht durch den Masseverwalter ausgeübt (§ 171 Abs. 2 HGB). Während des Konkurses können demnach Gesellschaftsgläubiger die unmittelbare Haftung der Kommanditisten nicht in Anspruch nehmen, sondern nur aus der Konkursmasse bzw. aus der aus den Einlagen der Kommanditisten gebildeten Sondermasse Befriedigung erlangen. Der Masseverwalter ist durch das Gesetz zum Vertreter der gemeinsamen Gläubigerrechte bestimmt.
Er handelt insoweit nicht in Vertretung des Gemeinschuldners, also der Gesellschaft, er übt vielmehr, berufen durch das Gesetz, ein selbständiges Recht aus. § 171 Abs. 2 HGB begrundet somit keinen gesetzlichen Forderungsübergang; dem Masseverwalter wird vielmehr die Alleinbefugnis übertragen, im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung die Interessen jener Gläubiger zu wahren, denen außerhalb eines Konkurses ein direkter Anspruch gegen die Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 zustunde. Der Inhalt des dem Masseverwalter übertragenen Rechtes bestimmt sich nach dem sachlichen Inhalt der Gläubigerrechte. Der einzelne Gläubiger hat seine Ansprüche im Konkursverfahren anzumelden, von den Kommanditisten kann er unmittelbare Befriedigung nicht mehr fordern (Schilling in Großkommentar HGB[3] II/2, Anm. 36 zu § 171 HGB; Düringer - Hachenburg - Flechtheim, HBG[3] II/2, 1132 f.; Schlegelberger - Geßler[4] II 1385; Lehmann - Dietz, Gesellschaftsrecht[3] 206 f.).
Eine Regelung, was rechtens sein soll, wenn während des vom Gesellschaftsgläubiger gegen den Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB eingeleiteten Prozesses über das Vermögen der Kommanditgesellschaft der Konkurs eröffnet wurde, enthält das Gesetz nicht. Auch in dem § 171 Abs. 2 HGB nachgebildeten Fall, daß Ansprüche der Gläubiger einer Aktiengesellschaft gegen Aktionäre wegen Empfanges verbotener Zahlungen nach § 56 Abs. 2 AktG (so auch der seinerzeitige § 217 Abs. 2 HGB) geltend gemacht werden können, ordnet das Gesetz zwar an, daß während der Dauer des Konkurses über das Vermögen der Aktiengesellschaft das Recht der Gesellschaftsgläubiger gegen die Aktionäre der Masseverwalter ausübt, der Fall, daß bei Konkurseröffnung über das Vermögen der Aktiengesellschaft ein Prozeß eines Gesellschaftsgläubigers gegen einen Aktionär bereits anhängig ist, erfährt aber gleichfalls keine Regelung. Wie Schiemer, Handkommentar zum Aktiengesetz 170 f., überzeugend nachwies, ist die in der Unterlassung einer Regelung zu erblickende Gesetzeslücke durch eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 37 KO (Einzelanfechtungsbefugnis bei anhängigem Rechtsstreit) zu schließen. Auch durch die Regelung des § 37 KO soll der Grundsatz des Zuvorkommens eines anfechtungsberechtigten Einzelgläubigers im Falle der Eröffnung des Konkurses durch den dieses Verfahren beherrschenden Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger zurückgedrängt werden. Aus diesem Grund verliert der Einzelanfechtungsgläubiger während der Konkursdauer grundsätzlich die Ausübungsbefugnis seines Anfechtungsrechtes. Mit der im Gesetz vorgesehenen Eintrittserklärung des Masseverwalters macht dieser von seiner ausschließlichen Einziehungsermächtigung namens der Konkursmasse Gebrauch. Diese Erklärung bewirkt einen Parteiwechsel ex lege; mit der Eintrittserklärung ist auch die Änderung des Klagebegehrens auf Leistung der Anfechtungsschuld an die Masse zu verbinden, die Vorschrift des § 235 ZPO ist auf diese Klageänderung nicht anzuwenden (Schiemer aaO; Petschek - Reimer - Schiemer, Insolvenzrecht 421 f., 425 f., Fasching II 776, III 103). Wendet man die Vorschrift des § 37 Abs. 3 KO über die Eintrittsbefugnis des Masseverwalters analog auf den Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Kommanditgesellschaft bei anhängigem Prozeß eines Gesellschaftsgläubigers gegen einen Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB an, wird vermieden, daß der Masseverwalter, dem dem Inhalte nach dieselben Rechte wie den Gesellschaftsgläubigern zustehen, gezwungen wird, einen neuen Rechtsstreit zu beginnen. Auch in der deutschen Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre wird für die Fälle des § 171 Abs. 2 HGB und § 62 dAktG (früher § 217 Abs. 2 HGB) die Ansicht vertreten, daß der Konkursverwalter in den anhängigen Prozeß eintreten und damit die Rechte der Gesamtheit aller auf die Einlage des Kommanditisten angewiesenen Gläubiger wahrnehmen kann (RG JW 1935, 8301; Schilling aaO, Anm. 43 zu § 171 HGB; Staub - Pinner HGB[14], Anm. 3 zu § 217 HGB; Lutter im Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Rdz. 33 zu § 62 dAktG; Barz in Großkommentar-AktG[3], Anm. 13 zu § 62 dAktG; Godin - Wilhelmi, AktG[3] I 308; Ritter, Aktiengesetz[2] 179; anderer Ansicht Schlegelberger - Geßler aaO 1385; Düringer - Hachenburg - Flechtheim aaO II/2, 1134, 1136; III/1, 99 a).
Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes trat der Masseverwalter, wenn er sich auch undeutlich ausdrückte, in das anhängige Verfahren kraft seiner ihm durch § 171 Abs. 2 HGB, auf welche Vorschrift er sich ausdrücklich berief, eingeräumten Rechtsstellung ein.
Da sich das Berufungsgericht, ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht, mit den übrigen geltend gemachten Berufungsgrunden nicht auseinandersetzte, wird es dies nun nachzuholen haben.
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