OGH 1Ob653/52

OGH1Ob653/5222.10.1952

SZ 25/268

Normen

ABGB §1325
ABGB §1326
ZPO §228
ABGB §1325
ABGB §1326
ZPO §228

 

Spruch:

Das Feststellungsbegehren des Beschädigten, der Schädiger sei für jeden Schaden, der dem Beschädigten aus einer Verletzung in Zukunft erwachsen sollte, schadenersatzpflichtig, ist auch bei Vorliegen eines verurteilenden Straferkenntnisses gegen den Schädiger trotz Fehlens der Einwendung des Mitverschuldens des Beschädigten zulässig.

Für die Zuerkennung der Entschädigung nach § 1326 ABGB. genügt die rein abstrakte Möglichkeit, daß das Fortkommen des Beschädigten durch die Verunstaltung gehindert wird.

Entscheidung vom 22. Oktober 1952, 1 Ob 653/52.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht hat der Klägerin das begehrte Schmerzengeld von 5000 S zugesprochen, statt der begehrten Entschädigung nach § 1326 ABGB. im Betrage von 10.000 S jedoch nur eine solche von 7000 S zuerkannt. Das Berufungsgericht hat auch in diesem Punkte dem Begehren der Klägerin voll entsprochen und auch die vom Erstgericht abgelehnte Feststellung vorgenommen, daß der Beklagte für jeden Schaden, der der Klägerin aus der ihr von ihm am 2. Dezember 1949 zugefügten schweren Verletzung des rechten Auges in Zukunft erwachsen sollte, schadenersatzpflichtig ist.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist wohl richtig, daß gelegentlich der Standpunkt vertreten wurde, bei der Bemessung des Schmerzengeldes seien die sozialen Verhältnisse des Beschädigten zu berücksichtigen, weil für den in beschränkteren Verhältnissen Lebenden schon ein geringerer Betrag geeignet ist, ein die Schmerzen aufwiegendes Gefühl der Lust zu bereiten. Doch hat der Oberste Gerichtshof diesen Standpunkt seit der Entscheidung SZ. XXIII/71 ständig abgelehnt. Es geht nicht an, die Schmerzen des in sozial beschränkteren Verhältnissen Lebenden durch geringere Geldbeträge abgelten zu lassen. Auch er kann sich um denselben Betrag nur dieselben Güter verschaffen wie der sozial Bessergestellte. Daß der Letztere abgestumpft durch den ihn sonst zur Verfügung stehenden höheren Lebensstandard diese Güter verhältnismäßig weniger schätzt, kann auf die Berechnung des Schmerzengeldes nicht von Einfluß sein. Der Oberste Gerichtshof schließt sich also der rechtlichen Würdigung der Untergerichte an und hält das Schmerzengeld von 5000 S für angemessen.

Für die Zuerkennung der Entschädigung nach § 1326 ABGB. genügt die rein abstrakte Möglichkeit, daß das Fortkommen des Beschädigten durch die Verunstaltung gehindert wird. Daß aber gerade die Verunstaltung des Blickes die Klägerin, ganz abgesehen von einer Einschränkung in der Erwerbsfähigkeit, in ihrem Fortkommen zu verhindern vermag, ergibt sich schon daraus, daß diese Verunstaltung nicht verborgen werden kann. Diese Verunstaltung wird also bei der Suche nach einer Anstellung, bei jedem Unternehmen und natürlich auch bei den Heiratsmöglichkeiten besonders leicht zu einer Beeinträchtigung der Klägerin führen. Es sind dies wohl nur Möglichkeiten, die durch andere Vorzüge kompensiert werden können. Doch spricht § 1326 ABGB. einen Entschädigungsbetrag schon bei der bloßen Möglichkeit einer Schädigung zu. Der Oberste Gerichtshof hält auch hier den vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrag nicht für überhöht.

Die Revision beschwert sich schließlich auch darüber, daß das Berufungsgericht dem Feststellungsbegehren mit der Begründung stattgegeben hat, es sei mit weiteren Schäden zu rechnen und es müsse auch schon für die Zukunft die Einrede eines Mitverschuldens abgewehrt werden, die wohl nicht erhoben, aber auf die auch nicht verzichtet wurde. Aber gerade der Umstand, daß der Beklagte diese Stellung bezogen hat, zeigt, daß die Klägerin ein Interesse daran hat, die Einwendung des Mitverschuldens für alle Zukunft abzuschneiden. Die Tatsache, daß ein Strafurteil vorliegt und die Einwendung eines Mitverschuldens bisher nicht erhoben wurde, vermag die Wirksamkeit einer rechtskräftigen Feststellung nicht zu ersetzen.

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