Spruch:
Die Benachteiligung muß nicht gerade der Zweck der anfechtbaren Handlung gewesen sein, Bewußtsein genügt.
Die Anfechtung ist auch dann begrundet, wenn seinerzeit die Absicht bestand, andere Gläubiger als den nun anfechtenden zu benachteiligen oder diesen in bezug auf eine andere Forderung als diejenige, wegen der die Anfechtung erfolgt.
Entscheidung vom 23. Juli 1952, 1 Ob 625/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Klagenfurt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Das Erstgericht hat die Anfechtungsklage, durch welche die Exekution für eine Forderung der Klägerin im Betrage von 1138 S gegen den Gatten der Klägerin auf eine von diesem den Beklagten verkaufte Liegenschaft für zulässig erklärt werden sollte, abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat das Urteil unter Vorbehalt der Rechtskraft aufgehoben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem neuerliche Entscheidung über die Berufung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Erstgericht meinte, es fehlten für die Anfechtung schon die Voraussetzungen des § 8 AnfO., weil der Gatte der Klägerin die Befriedigung der Forderung in Raten zu 100 S angeboten hätte und dieser auch nicht von Gläubigern bedrängt werde. Doch kommt es nach § 8 nicht darauf an, was der Schuldner zu zahlen versprach, und ob er von anderen Gläubigern bedrängt wird, sondern darauf, ob anzunehmen ist, daß eine Exekutionsführung zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen werde. Die Klägerin hat auf eine erfolglos geführte Mobiliarexekution verwiesen. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich, daß mit einem anderen Vermögen nicht zu rechnen ist. Es wäre nun Sache der Beklagten wenigstens zu behaupten, daß ein solches doch besteht. Dies ist jedoch nicht geschehen. Das Erstgericht hat lediglich die Arbeitsfähigkeit des Gatten der Klägerin festgestellt und seine derzeitige Beschäftigung als Hilfsmaler. Es hat aber nicht festgestellt, wieviel der Gatte der Klägerin verdient, innerhalb welcher Zeit bei Berücksichtigung des Existenzminimums Befriedigung der vollen Forderung im Wege einer Lohnpfändung erfolgen könnte und ob irgendwelche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Gatte der Klägerin den Posten als Hilfsarbeiter dauernd behalten wird. Die rechtliche Folgerung des Erstgerichtes, daß schon die Voraussetzung des § 8 nicht gegeben sei, muß also mit dem Berufungsgericht als unbegrundet bezeichnet werden.
Das Erstgericht hat weiter festgestellt, daß der Gatte der Klägerin bei dem Verkauf der Liegenschaft an die Beklagten nicht in Benachteiligungsabsicht gehandelt hätte. Das Berufungsgericht beschäftigt sich mit der Auslegung dieses Begriffes und der Oberste Gerichtshof schließt sich seiner Meinung an, die Benachteiligung müsse nicht gerade der Zweck der anfechtbaren Handlung gewesen sein, es genüge das Bewußtsein einer solchen. Der Auslegung des Berufungsgerichtes wäre noch beizufügen, daß die Anfechtung auch dann begrundet ist, wenn seinerzeit die Absicht bestand, andere Gläubiger als den nun anfechtenden zu benachteiligen, oder diesen in bezug auf eine andere Forderung als diejenige, wegen welcher die Anfechtung erfolgt.
Diese Rechtsausführungen setzen sich nicht in Gegensatz zur Auffassung des Erstgerichtes. Dieses hat aber als tatsächliche Feststellung eine Benachteiligungsabsicht auch in diesem Sinne in Abrede gestellt. Das Berufungsgericht erklärt, der Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht folgen zu können und führt aus, welche Erwägungen des Erstgerichtes ihm nicht zutreffend erscheinen, welche im Beweisverfahren hervor gekommenen Umstände im Urteil nicht entsprechend verwertet wurden, bei welchen Feststellungen Erörterungen darüber fehlen, warum der einen Aussage mehr Glaube geschenkt wurde als der anderen. Fehler in der Beweiswürdigung bilden aber keinen Grund zur Aufhebung des Urteils. Das Berufungsgericht kann dem Erstgericht nur eine bestimmte Rechtsansicht, aber nicht Grundsätze der Beweiswürdigung vorschreiben. Glaubte es der Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht folgen zu können, so hätte es nach Wiederholung der erforderlichen Beweise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes durch die eigene Beweiswürdigung ersetzen sollen.
Das Erstgericht hat weiter festgestellt, daß die Beklagten, wenn der Gatte der Klägerin eine Benachteiligungsabsicht gehabt hätte, diese nicht kannten. Es hat weiter die von ihm festgestellte Sachlage rechtlich dahin beurteilt, daß die Beklagten die Benachteiligungsabsicht auch nicht kennen mußten. Das Berufungsgericht übernimmt in dieser Hinsicht im allgemeinen die Feststellungen des Erstgerichtes und bemängelt die erstrichterliche Beweiswürdigung nur in zwei Punkten. Es spricht jedoch aus, daß schon die vom Erstgericht festgestellten Gründe, den rechtlichen Schluß rechtfertigen, die Beklagten hätten die Benachteiligungsabsicht kennen müssen.
Der Oberste Gerichtshof kann dieser Meinung folgen. Es ist wohl richtig, daß das Verhalten des Gatten der Klägerin, der den Beklagten sagte, sie sollten vor Durchführung des Verkaufes seiner Gattin von ihrer Absicht nichts sagen, an sich geeignet war, Bedenken erregen. Doch konnten die Beklagten einen hinreichenden Grund für dieses Verhalten darin sehen, daß der Gatte der Klägerin im Begriffe war, ihr das von ihr bewohnte Haus über den Kopf weg zu verkaufen und daß sie ihnen als zänkisch geschildert wurde. Ehescheidungsverfahren haben wohl oft Alimentationsansprüche im Gefolge, doch finden diese in der Regel im Einkommen des Gatten ihr Ausmaß und ihre Deckung.
Was die Punkte anbelangt, in welchem das Berufungsgericht dem Erstgericht nicht zu folgen vermag, so kann die abstrakte Auskunft des Dr. Z., die Beklagten sollten sich darum kümmern, ob der Verkäufer nicht verschuldet sei, ihre Diligenzpflicht hinsichtlich des Kennenmüssens einer Benachteiligungsabsicht nicht erhöhen. Was aber den Verkaufspreis anbelangt, so kommt es überhaupt nicht auf einen Vergleich zwischen dem vereinbarten Preis und dem später von einem Sachverständigen in einem anderen Verfahren festgestellten Preis, sondern nur darauf an, ob den Vertragschließenden bei Abschluß des Verkaufes bewußt war, daß der Gatte der Klägerin um einen viel zu niedrigen Kaufpreis verkauft. Aber auch dieser Umstand konnte für die Beklagten seine Erklärung schon darin finden, daß der Kläger sein Haus nicht selbst bewohnt und daß der Verkauf vorwiegend zu Lasten der Klägerin geht. Auch das Bewußtsein eines niedrigen Preises mußte den Beklagten also noch nicht einen Fingerzeig dafür geben, daß der Gatte der Klägerin in der Absicht handelt, Gläubiger bei Einbringung von Forderungen zu benachteiligen. Der Umstand, daß die Beklagten aber wußten, daß der Gatte der Klägerin dieser heimlich das Dach über dem Kopf wegverkaufen wollte, vermag die vom Gesetz geforderte Benachteiligungsabsicht nicht zu ersetzen.
Beide Untergerichte haben angenommen, es sei der Nachweis nicht erbracht, daß die Beklagten die Benachteiligungsabsicht des Klägers gekannt hätten. Da die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichtes, die Beklagten hätten eine etwa gegebene Benachteiligungsabsicht des Gatten der Klägerin kennen müssen, vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt wird, ergibt sich schon daraus, daß der Anspruch der Klägerin nicht begrundet sein kann. Es besteht also keine Notwendigkeit festzustellen, ob der Gatte der Klägerin in Benachteiligungsabsicht gehandelt hat, eine Feststellung, die allerdings nach den obigen Ausführungen, wenn sie erforderlich wäre, nicht vom Erstgericht, sondern vom Berufungsgericht zu treffen gewesen wäre. Es besteht also auch keine Notwendigkeit, das Urteil der ersten Instanz aufzuheben. Das Berufungsgericht wird daher über die Berufung neuerlich zu erkennen haben.
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