OGH 1Ob619/88

OGH1Ob619/8819.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef B***, Gastwirt, Sonntagberg 9, vertreten durch Dr. Herbert Gradl, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei mj. Carl Christian Ludwig G***-B***, geboren am 24. Juli 1970, derzeit unbekannten Aufenthaltes, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Amstetten als Kollisionskurator, wegen Bestreitung der ehelichen Geburt infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 16. März 1988, GZ R 141/87-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Waidhofen an der Ybbs vom 10. Dezember 1986, GZ C 15/86 -14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und die Mutter des am 24. Juli 1970 geborenen Beklagten haben am 5. November 1965 die Ehe geschlossen, die mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichtes Stockholm vom 26. November 1974 geschieden wurde. Der Mutter des Beklagten Ragnhild Sunesdotter B*** wurde das Sorgerecht in Ansehung des Beklagten übertragen; der Kläger wurde verpflichtet, dem Beklagten bis einschließlich Jänner 1975 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 300 Schwedenkronen und ab Jänner 1975 bis zum vollendeten 18. Lebensjahr monatlich 500 Schwedenkronen zu bezahlen. Der Beklagte besaß im Zeitpunkt der Geburt gemäß § 7 Abs. 1 StbG 1965 die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist jetzt wie auch seine Mutter schwedischer Staatsbürger. Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger.

Mit Beschluß vom 19. Juli 1983, 3 Nc 3/83, bewilligte das Kreisgericht St. Pölten dem Beklagten zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes vom Oktober 1980 bis einschließlich April 1983 sowie der künftig fällig werdenden Unterhaltsbeträge die Fahrnisexekution. Mit der am 19. August 1984 beim Kreisgericht St. Pölten zu 3 Cg 155/83 eingebrachten Klage erhob der Kläger Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung und brachte vor, es habe sich schon im Zeitpunkt der Einstellung der Zahlungen durch ihn herausgestellt, daß der mj. Carl Christian Ludwig nicht sein leiblicher Sohn sei. Seine sichere Annahme, daß das Kind nicht von ihm stamme, beruhe einerseits darauf, daß keine Ähnlichkeit mit ihm bestehe, andererseits habe sich die Mutter des Kindes selbst dahin geäußert, daß das Kind von einem ihrer Bekannten, einem gebürtigen Ungarn, einem Spitalsarzt, gezeugt worden sei. Mit Rücksicht auf die gesamte familiäre Situation und unter Bedachtnahme auf das Wohl des Kindes habe er von einer sofortigen Klagsführung Abstand genommen. Am 21. Oktober 1983 regte der Kläger bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten die Erhebung einer Ehelichkeitsbestreitungsklage gegen den mj. Carl Christian Ludwig an. Er brachte vor, mit ziemlicher Sicherheit überzeugt zu sein, daß das Kind nicht von ihm stamme. Daß er sein Klagsrecht so verspätet durchsetzen wolle, liege daran, daß er die familiäre Einheit nicht habe stören und dem Kind keine unnötigen Schwierigkeiten habe machen wollen. Nun solle aber die Wahrheit an den Tag kommen. Im Zuge der von der Staatsanwaltschaft St. Pölten eingeleiteten Erhebungen wurde der Kläger am 22. Dezember 1983 vor dem Bezirksgericht Bludenz einvernommen. Er sagte dort aus, der letzte Geschlechtsverkehr mit der Mutter des Kindes habe im Jahr 1968 stattgefunden. Nach den Angaben der Mutter soll der Vater des Beklagten ein ungarischer Arzt sein, der in einem Krankenhaus in Stockholm beschäftigt sei. Am 24. Juli 1984 wurde die Mutter Ragnhild Sunesdotter B*** vor dem Amtsgericht Stockholm einvernommen. Sie gab an, daß es ab dem Herbst 1969 zu keinem Geschlechtsverkehr zwischen ihr und dem Kläger gekommen sei. Sie habe zu dieser Zeit ein Verhältnis mit einem anderen Mann gehabt, dessen Name sie nicht preisgeben wolle. Dieser Mann und nicht der Kläger sei der Vater des Kindes. Sie habe dem Kläger schon während der Schwangerschaft erzählt, daß sie ein Verhältnis mit diesem Mann habe und von ihm schwanger sei. Der Kläger habe erklärt, die Ehe weiterführen und die juristische Verantwortung für das Kind übernehmen zu wollen. Sie seien sich darüber einig gewesen, daß das Kind als ehelich geboren zu betrachten sei. Dieses Gerichtsprotokoll langte am 13. August 1984, die Übersetzung in die deutsche Sprache am 3. September 1984 beim Bezirksgericht Waidhofen an der Ybbs ein. Mit Schreiben vom 21. Februar 1985 verständigte die Staatsanwaltschaft St. Pölten den Vertreter des Kläger davon, die Mutter des Kindes habe am 24. Juli 1984 vor dem Amtsgericht Stockholm angegeben, daß der Kläger nicht der Vater des mj. Carl Christian Ludwig und beabsichtigt sei, die Klage zur Bestreitung der ehelichen Geburt beim Bezirksgericht Waidhofen an der Ybbs einzubringen; es werde um Vorlage verschiedener Urkunden ersucht. Der Kläger bestreitet mit der am 20. Februar 1986 beim Erstgericht eingebrachten Klage die eheliche Geburt des Beklagten. Er brachte zur Begründung vor, frühere Bedenken gegen die Ehelichkeit des Beklagten immer wieder zerstreut zu haben. Erst nachdem ihm die Aussage der Mutter vor dem Amtsgericht Stockholm mitgeteilt worden sei, sei für ihn die Unehelichkeit des Beklagten zur Gewißheit geworden.

Der Vertreter des Beklagten beantragte Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, daß die Frist des § 156 ABGB verstrichen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, die Mutter des Beklagten habe dem Kläger bereits während ihrer Schwangerschaft Mitteilung davon gemacht, daß nicht er, sondern ein anderer Mann der Vater des Beklagten sei. Um die familiäre Einheit nicht zu stören, hätten sich die Eltern nach der Geburt des Kindes geeinigt, es als ehelich geboren zu betrachten. Der Kläger habe innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist keine geschlechtlichen Beziehungen zur Mutter des Beklagten gehabt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Kläger habe schon im Zeitpunkt der Geburt des Beklagten von hinreichend beweiskräftigen, für die Unehelichkeit des Kindes sprechenden Umständen Kenntnis gehabt, die die Bestreitungsfrist des § 156 Abs. 1 ABGB in Lauf gesetzt hätten. Unterlasse ein Ehemann die Bestreitungsklage, um die familiäre Einheit nicht zu stören, müsse er den Verlust des Klagerechtes in Kauf nehmen. Die Ehelichkeitsbestreitungsklage sei demnach verfristet. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung des Klägers, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, und gab ihr im übrigen nicht Folge. Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, gemäß § 50 IPRG sei auf die vorliegende Bestreitungsklage im Hinblick auf die Geburt des Beklagten vor dem 1. Jänner 1979 die Bestimmung des § 9 der 4. DVzEheG anzuwenden. Danach seien die eheliche Abstammung des Kindes und die Voraussetzungen der Bestreitung seiner Ehelichkeit nach österreichischem Recht zu beurteilen, wenn der Ehemann der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes die österreichische Staatsbürgerschaft besessen habe, wie dies hier zutreffe. Gemäß § 156 Abs. 2 ABGB beginne die Frist zur Bestreitung der ehelichen Geburt mit dem Zeitpunkt, in dem der Mann Kenntnis von den Umständen erlange, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen, frühestens jedoch mit der Geburt des Kindes. Nach ständiger Rechtsprechung setzten nur die Kenntnis genügend beweiskräftiger Umstände, die die Ehelichkeit des Kindes ernstlich in Frage stellen, die Bestreitungsfrist in Gang. Der Kläger habe innerhalb der kritischen Zeit keinen Geschlechtsverkehr mit der Mutter gehabt; die Mutter habe dem Kläger auch erklärt, von einem anderen Mann schwanger zu sein. Demnach habe für den Kläger kein Zweifel daran bestehen können, daß er nicht Vater des Kindes sei. Daß er die Bestreitungsklage zunächst deshalb unterlassen habe, um den Familienverband nicht zu zerstören, vermöge an der Verfristung des Klagerechts nichts zu ändern.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs. 3 letzter Satz ZPO).

Soweit sich die Revision gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wendet, mit dem die Nichtigkeitsberufung verworfen wurde, ist darauf zu verweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung die Bekämpfung eines solchen Beschlusses in dritter Instanz unzulässig ist. Angebliche Nichtigkeiten des erstinstanzlichen Verfahrens können im Revisionsverfahren nciht mehr geltend gemacht werden (SZ 54/190; EvBl. 1957/145;

JBl. 1955, 276 u.a.).

Das Berufungsgericht ging zutreffend davon aus, daß die Berechtigung des erhobenen Klagebegehrens nach österreichischem Recht zu beurteilen ist (EFSlg. 39.036; Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 50 IPRG). Gemäß § 156 Abs. 1 ABGB kann der Ehemann der Mutter die Ehelichkeit des Kindes binnen Jahresfrist bestreiten. Die Frist beginnt gemäß § 156 Abs. 2 ABGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Mann Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen. Sie beginnt frühestens mit der Geburt des Kindes. Nach ständiger, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung beginnt die Frist erst in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem diese Kenntnis zweifelsfrei ist. Dem bekannt gewordenen Sachverhalt muß eine so große Beweiskraft zukommen, daß der Mann die Unehelichkeit des Kindes als höchstwahrscheinlich ansehen muß und erwarten kann, seiner Beweispflicht im Bestreitungsprozeß nachkommen zu können (1 Ob 650/87; EFSlg. 43.300, 40.810, 38.328 u.v.a.; Wentzel-Plessl in Klang, Kommentar2 I/2, 111; Gschnitzer-Faistenberger, Familienrecht2 98; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu §§ 156 bis 159 ABGB). Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Kläger innerhalb der Frist des § 163 Abs. 1 ABGB mit der Mutter des Beklagten keinen Geschlechtsverkehr; die Mutter hatte dem Beklagten auch gesagt, von einem anderen Mann schwanger zu sein. Damit waren dem Kläger nicht nur zweifelhafte Verdachtsgründe bekannt, die seine Vaterschaft als unwahrscheinlich erscheinen ließen; vielmehr hatte er zweifelsfreie Kenntnis von Umständen, die für die Unehelichkeit des Beklagten sprechen. Daß der Kläger die Klagsführung unterlassen hat, um den Familienverband nicht zu zerstören, vermag an der Verfristung, wie das Berufungsgericht gleichfalls schon hervorgehoben hat, nichts zu ändern (EFSlg. 24.283). Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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