OGH 1Ob614/88

OGH1Ob614/8828.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wilfried H***, Rechtsanwalt, Salzburg, Pfeiffergasse 6, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma A***-BAU Allgemeine Wohnungs-, Industrie- und Straßenbau-Gesellschaft mbH, wider die beklagte Partei S*** K***- UND W*** AG,

Salzburg, Makartplatz 3, vertreten durch Dr. Gerald Jahn, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Anfechtung (restlicher Streitwert S 2,312.264,77) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29. März 1988, GZ 4 R 81/88-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. Dezember 1987, GZ 8 a Cg 12/86-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei war die Hausbank der späteren Gemeinschuldnerin. Am 11. September 1968 räumte sie der Firma A***-BAU Allgemeine Wohnungs-, Industrie- und Straßenbau-Gesellschaft mbH (im folgenden kurz: Firma A***-BAU) einen Kontokorrentkredit von S 400.000, einen Avalkredit von S 200.000 und einen Wechselkredit von S 100.000 ein. Mit 4. Oktober 1974 wurde der Kontokorrentkredit auf S 500.000, am 18. Juli 1978 auf S 1,000.000 und am 15. Oktober 1979 auf S 1,5 Mill. erhöht. Am 17. November 1981 wurde im Korrespondenzweg zwischen der Firma A***-BAU und der beklagten Partei ein Zessionsvertrag abgeschlossen, der folgenden wesentlichen Inhalt hat: "Im Rahmen der zwischen Ihnen und uns bestehenden Geschäftsverbindung stehen Ihnen uns gegenüber Forderungen aus Kreditgewährung (insbesondere Kontokorrent-, Wechsel- und Avalkredite) zu. Zur Sicherstellung und Abdeckung aller Forderungen samt Zinsen und sonstigen Nebenkosten, die Ihnen uns gegenüber aus einer Kreditgewährung oder einem sonstigen Rechtsgrunde zustehen oder künftig zustehen werden, treten wir Ihnen hiemit alle unsere Forderungen, die uns aus dem laufenden ordentlichen Geschäftsbetrieb zustehen, in vollem Umfang ab. Diese Abtretung bezieht sich daher sowohl auf die zum Zeitpunkt der Annahme dieses Abtretungsanbotes bereits existent gewordenen Kundenforderungen als auch auf alle Kundenforderungen, die im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebes in Zukunft entstehen. Wir verpflichten uns, diese Abtretungen in unseren Büchern derart vorzumerken, daß wir bei jeder einzelnen an Sie abzutretenden Forderung den Vermerk anbringen, daß diese an Sie zediert wurde. Gleichzeitig verpflichten wir uns, Ihnen mit Zustandekommen dieser Abtretungserklärung eine vollständige Kundenliste über die zu diesem Zeitpunkt bereits existent gewordenen Kundenforderungen beizuschließen, in welcher Name und Adresse dieser Schuldner, die Höhe des geschuldeten Betrages und die Fälligkeit der Faktura angeführt sind. Weiters verpflichten wir uns, Ihnen allmonatlich eine Liste über sämtliche angefallenen Kundenforderungen aus unserem normalen Geschäftsbetrieb zu übermitteln, in welcher gleichfalls Name und Adresse der Schuldner, Höhe des Fakturenbetrages und Fälligkeit desselben angeführt sind. Diese monatlich vorzulegenden Listen sind Bestandteil der vorliegenden Abtretungserklärung. Wir verpflichten uns, auf sämtlichen Fakturen, die im Rahmen der normalen Geschäftsgebarung an Kunden ausgesandt werden, den Vermerk anzubringen, daß Zahlungen auf den Fakturenbetrag ausschließlich auf das Konto Nr. 0/058498/000 bei der Salzburger Kredit- und Wechselbank Aktiengesellschaft zu erfolgen haben. Wir nehmen zur Kenntnis, daß Sie vorläufig von der Verständigung der Kunden über die erfolgte Forderungsabtretung Abstand nehmen. Es steht Ihnen aber jederzeit ohne Angabe von Gründen, besonders aber im Falle der Nichterfüllung der Abtretungsbedingungen durch uns frei, die Kunden über die erfolgte Forderungsabtretung zu verständigen und von diesen direkte Zahlung zu begehren. Für diese Abtretung gelten Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die uns bekannt sind. Wann immer aus dieser Abtretung eine Gebühr zu entrichten ist, geht diese zu unseren alleinigen Lasten." Schließlich wurde mit Brief und Gegenbrief vom 27. Jänner/19. Februar 1982 der vereinbarte Kontokorrentkreditrahmen mit einer Laufzeit des Kreditmehrbetrages bis auf weiteres von S 1,5 Mill. auf S 3 Mill. erhöht, der Kredit war beiderseits jederzeit dreimonatig aufkündbar, längstens aber fünf Jahre ab Anbotsannahme. Es galt als vereinbart, daß die Firma A***-BAU während der Laufzeit dieser Kreditvereinbarung alle ihre Bankgeschäfte über die beklagte Partei abwickelt und dieser alljährlich die Bilanzen samt Gewinn- und Verlustrechnung und eine Abschrift der Bilanzen der Firma Ing. E*** KG, Baugeräteverleih Salzburg, übergibt. Die beklagte Partei sollte berechtigt sein, die Kredite jederzeit mit sofortiger Wirkung ohne nähere Angabe von Gründen aufzukündigen, wenn Bestimmungen des Vertrages nicht erfüllt würden oder wenn andere wichtige Gründe wie etwa unrichtige Vermögensangabe, erhebliche Vermögensgefährdung, bevorstehende Insolvenz und ähnliches sie dazu veranlassen sollte. Die Firma A***-BAU verpflichtete sich, für die Dauer des Kreditverhältnisses ohne vorherige schriftliche Zustimmung der beklagten Partei bei keiner anderen Bank oder sonstigen Geldgebern mit Ausnahme von Warenkrediten neue Kredite aufzunehmen.

Die Bilanzen der Firma A***-BAU, die jeweils das Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober bis 30. September umfaßten, wiesen laufend Verluste auf, nämlich zum 30. September 1979 S 648.355,59, zum 30. September 1980 S 649.097,23, zum 30. September 1981 S 665.334,63, zum 30. September 1982 S 645.260,25 und zum 30. September 1983 S 147.226,09. Der Reinverlust zum 30. September 1983 einschließlich aller Verlustvorträge betrug S 3,603.709,25. Die Abschreibungen in diesen fünf Geschäftsjahren betrugen insgesamt S 651.423. Der Stand des Kontokorrentkreditkontos betrug am 30. September 1979 S 2,363.231,68, zum 30. September 1980 S 3,099.248, zum 30. September 1981 S 3,651.000,94, zum 30. September 1982 S 4,326.345,28 und zum 30. September 1983 S 4,194.528,24. Die Firma A***-BAU war seit 30. September 1978 handels- und steuerbilanzmäßig überschuldet. Dies war der beklagten Partei seit Herbst 1980 bekannt, als sie die Bilanz zum 30. September 1978 erhielt. Ab Ende 1980 war bei der Firma A***-BAU eine ertragslose überschuldete Wirtschaftslage gegeben, die es auf Dauer nicht mehr zuließ, die zur rechtzeitigen Zahlung der Schulden nötigen Geldmittel unter der Voraussetzung ordnungsgemäßer Geschäftsführung zu beschaffen. Zur Abdeckung der Verluste waren jeweils weitere Kreditausweitungen erforderlich.

Entsprechend der Zessionsvereinbarung übermittelte die Firma A***-BAU in unregelmäßigen Abständen an die beklagte Partei Zessionslisten. Im Rahmen der Globalzessionsvereinbarung vom 17. November 1981 erfolgten in der Zeit vom 4. Dezember 1984 bis 26. April 1985 Eingänge auf dem Kontokorrentkreditkonto in der Höhe von S 5,397.708,11. Im selben Zeitraum erfolgten Belastungen des Kontokorrentkreditkontos von S 3,085.443,34, wodurch sich der Saldo um S 2,312.264,77 auf S 655.792,70 verringerte.

Am 8. Mai 1985 wurde zu Sa 16/85 des Erstgerichtes über das Vermögen der Firma A***-BAU das Ausgleichsverfahren und am 18. Juni 1985 zu S 41/85 des Erstgerichtes der Anschlußkonkurs eröffnet.

Der klagende Masseverwalter ficht nach den §§ 30, 31 Abs 1 Z 2 erster und zweiter Fall KO die von der beklagten Partei durch "Einbehalt Zession Aufrechnung" der Einzahlungen von S 5,397.708,11 auf das Kontokorrentkreditkonto 0/058498/000 zum Zwecke der Abdeckung des am 8. November 1985 bereits aushaftenden Kreditsaldos vorgenommenen Rechtshandlungen insoweit, als damit nicht Zug um Zug eine Neukreditierung verbunden war, sohin mit dem Betrag von S 2,312.264,77, an. Bereits zum Abschluß der Globalzessionsvereinbarung vom 17. November 1981 sei die Firma A***-BAU zahlungsunfähig oder aber zumindest überschuldet gewesen. Wiewohl auf Grund der Frist des § 30 Abs 2 KO eine Anfechtung dieses Globalzessionsvertrages dem klagenden Masseverwalter verwehrt sei, seien die einzelnen auf Grund dieses Globalzessionsvertrages zustande gekommenen nachfolgenden Zessionen und oben geschilderten sonstigen Rechtshandlungen, die allesamt zu einem Zeitpunkt zustande gekommen seien, in denen sich nachfolgend die Vermögenslage der Gemeinschuldnerin immer nur noch weiter verschlechtert habe, inkongruent und damit anfechtbar. Die Globalzessionsvereinbarung vom 17. November 1981 sei innerhalb der kritischen Zeit des § 30 Abs 1 KO geschlossen worden. Ein Kontokorrentverhältnis sei dann, wenn das Zug-um-Zug-Prinzip nicht eingehalten werde, also die hereingenommenen Zessionen zur Abdeckung auch des alten, sechs Monate vor Konkurseröffnung bestehenden Saldos und nicht nur zur Abdeckung der zumindest gleichzeitig oder zukünftig ausgenützten Kreditgewährungen verwendet werde, anfechtbar. Es werde daher der Betrag, der zur Abdeckung des alten Kreditsaldos verwendet worden sei, angefochten. Darüber hinaus liege die Anfechtbarkeit nach dem zweiten Fall des § 31 Abs 1 Z 2 KO vor, da Zessionen zur Sicherung und Deckung von Verbindlichkeiten als typisch nachteilige Rechtsgeschäfte anzusehen seien.

Die beklagte Partei wendete ein, eine Anfechtung nach § 30 KO scheitere schon daran, daß die Globalzessionsvereinbarung weit außerhalb der Jahresfrist des § 30 Abs 2 KO geschlossen worden sei. Die beklagte Partei habe daher Anspruch darauf, daß die aus der Globalzession vom 17. November 1981 auf dem Kreditkonto eingegangenen Beträge zu ihrer Befriedigung verwendet wurden. Was die Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO betreffe, sei in der kritischen Zeit weder eine Kreditausweitung erfolgt noch seien weitere Sicherheiten gegeben worden. Für den Bereich der Bankkredite und deren Sicherung seien alle Sicherheiten, die vor oder spätestens bei Kreditgewährung genommen worden seien, unanfechtbar. Die Sicherheiten seien bereits mit der Globalzession gegeben worden. Daraus ergebe sich deren Unanfechtbarkeit. Ein nachteiliges Geschäft im Sinne des zweiten Falles des § 31 Abs 1 Z 2 KO liege nur dann vor, wenn der Gläubiger bei seiner Vornahme auch vorhersehen habe können, daß sich dadurch die Befriedigungschancen der anderen Gläubiger verschlechtern könnten. Nicht die einzelnen angefochtenen Zahlungseingänge seien als Rechtsgeschäft zu qualifizieren, sondern die Globalzession vom 17. November 1981, bei der die einzelnen Forderungen schon hinreichend individualisiert worden seien. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Globalzessionen seien wirksam, die Globalzession vom 17. November 1981 sei auch hinreichend bestimmt. Unabhängig davon, ob die Firma A***-BAU zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Globalzession zahlungsunfähig bzw. überschuldet gewesen sei und die beklagte Partei dies gewußt habe, liege somit eine anfechtungsfreie Vereinbarung vor, weil ihr Abschluß weit außerhalb der Fristen des § 30 Abs 2 bzw. des § 31 Abs 4 KO liege. Nach dem Globalzessionsvertrag seien bereits für die Zukunft die entstehenden Kundenforderungen abgetreten worden. Die Übermittlung der Zessionslisten habe daher nur einen Vollzug dieses bereits abgeschlossenen Rechtsgeschäftes dargestellt. Sei die Besicherung nach § 30 Abs 1 Z 3 KO unanfechtbar, dann müsse folgerichtig auch die Befriedigung aus dieser Sicherheit anfechtungsfest sein, weil unanfechtbare Sicherheiten nur dann einen Sinn hätten, wenn sich der Gläubiger daraus anfechtungsfrei befriedigen könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des klagenden Masseverwalters nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Sämtliche Anfechtungstatbestände der Konkursordnung enthalten absolut zeitliche Schranken (sechs Monate bis zehn Jahre), die umso weiter gezogen sind, je schwerer der Verstoß des Anfechtungsgegners von der Rechtsordnung bewertet wird (Petschek, Das österreichische Insolvenzrecht 310). Die Rechtshandlung (Sicherstellung, Befriedigung) muß unabhängig davon, ob die anderen Tatbestandserfordernisse gegeben sind, um anfechtbar zu sein, innerhalb der gesetzlichen Frist vorgenommen worden sein. Die Einhaltung dieser Frist ist somit materiellrechtliches Erfordernis für die Anfechtbarkeit (Petschek aaO; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung Rz 238). Die Revisionswerberin konzediert, daß die Vereinbarung der Firma A***-BAU mit der beklagten Partei vom 17. November 1981 weit außerhalb der absoluten Fristen der §§ 30 Abs 2, 31 Abs 4 KO gelegen ist. Diese, wie auch von der Revisionswerberin zugegeben wird, eine zulässige Globalzession (SZ 55/170 ua) enthaltende Vereinbarung ist damit unabhängig davon, ob die sonst geltend gemachten Anfechtungsgründe gegeben wären, anfechtungsfest. Die Erfüllung anfechtungsfester Rechtsgeschäfte (gewährter Sicherheiten) ist aber selbst anfechtungsfest, weil unanfechtbare Sicherheiten nur dann einen Sinn haben, wenn sich der Gläubiger daraus anfechtungsfrei befriedigen kann (SZ 57/26). Die von der Revision angeführte Meinung Königs aaO Rz 241 FN 49 betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt: Dort wurde außerhalb der kritischen Frist des § 30 Abs 2 KO Anspruch auf Sicherheit erworben, der, wäre die Begünstigung innerhalb dieser Frist erfolgt, angefochten hätte werden können. Die Sicherstellung selbst wurde aber während der Jahresfrist vorgenommen. Im zu entscheidenden Fall liegt aber sowohl die Rechtshandlung als auch die gleichzeitig vorgenommene Begünstigung (Gewährung von Sicherheiten) außerhalb der absoluten Frist, deren Einhaltung ein materiellrechtliches Erfordernis des Anfechtungsanspruches ist.

Schon aus diesem Grund sind die Entscheidungen der Vorinstanzen zutreffend, der Revision ist der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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