OGH 1Ob610/93

OGH1Ob610/9329.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz K*****, vertreten durch Dr.Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagte Partei Franz F*****, vertreten durch den Sachwalter Dr.Volkmar Ternulz, Rechtsanwalt in Mureck, wegen S 218.575,-- sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 24.Juni 1993, GZ 2 R 13/93-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 16.November 1992, GZ 23 Cg 243/87-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Zwischenverfahrens.

Text

Begründung

Gegen den Beklagten erging ein Versäumungsurteil, welches im Wege der Ersatzzustellung am 30.7.1987 zugestellt wurde. Am 9.9.1987 bestätigte das Erstgericht die mit 28.8.1987 eingetretene Rechtskraft des Urteils.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Mureck vom 21.3.1988, ***** wurde Dr.Volkmar Ternulz für den Beklagten zum einstweiligen Sachwalter und mit Beschluß vom 10.8.1988 zum Sachwalter bestellt. Mit seiner für den Betroffenen zu ***** des Erstgerichtes am 28.Juni 1988 eingebrachten Nichtigkeitsklage begehrte der Sachwalter die Aufhebung des Versäumungsurteils und die Abweisung des Klagebegehrens, da der nunmehrige Kläger nicht geschäftsfähig gewesen sei. Aufgrund eines im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens stellte das Erstgericht fest, daß der nunmehrige Kläger im Zeitpunkt der Ausstellung des Wechsels sowie der Erlassung und Zustellung des Versäumungsurteiles partiell geschäftsfähig gewesen sei und wies das Klagebegehren ab. Aus Anlaß der dagegen erhobenen Berufung hob das Gericht zweiter Instanz das angefochtene Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren auf und wies die Nichtigkeitsklage zurück. Solange das Versäumungsurteil mangels ordnungsgemäßer Zustellung an den Sachwalter nicht in Rechtskraft erwachsen sei, sei die Nichtigkeitsklage unzulässig, was in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrgenommen werden müsse.

Im zur Entscheidung vorliegenden Titelverfahren stellte der Beklagte daraufhin den Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit gemäß § 7 EO. Diesen Antrag wies das Erstgericht ab, da sich aus dem im Verfahren über die Nichtigkeitsklage eingeholten Sachverständigengutachten die partielle Geschäftsfähigkeit des Beklagten ergebe und somit feststehe, daß die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt sei. Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten Folge und änderte den erstinstanzlichen Beschluß dahin ab, daß es die hinsichtlich des Versäumungsurteils erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung aufhob. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig. Das Gericht zweiter Instanz führte im wesentlichen aus, daß ausschließlich von dem im Verfahren über die Sachwalterbestellung eingeholten Sachverständigengutachten auszugehen sei, aus welchem sich ergebe, daß der Beklagte schon seit mindestens vier bis fünf Jahren geschäftsunfähig gewesen sei. Der Zustellvorgang sei daher fehlerhaft gewesen, was die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung zur Folge habe. Auf das im Nichtigkeitsverfahren eingeholte Gutachten dürfe nicht Bedacht genommen werden, weil das Verfahren aufgehoben worden sei und demnach als nicht mehr existent betrachtet werden müsse.

Rechtliche Beurteilung

Dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs des Klägers kommt Berechtigung zu.

Gemäß § 7 Abs.3 EO ist die gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit von dem Gerichte, das sie erteilt hat, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten durch Beschluß aufzuheben. Eine Bestätigung ist zunächst nicht gesetzwidrig oder irrtümlich im Sinne dieser Gesetzesstelle, wenn sie formell der Aktenlage entsprach. Sie entspricht aber dann nicht mehr dem Gesetz, wenn sich herausstellt, daß ihr ein der Wirklichkeit nicht entsprechender Sachverhalt zugrundegelegt ist, so etwa, wenn der Exekutionstitel dem Titelschuldner nicht rechtswirksam zugestellt worden war und daher die Vollstreckbarkeit des Titels tatsächlich nicht eingetreten ist (JBl. 1964, 213; 3 Ob 542/76; EvBl. 1977/176; 4 Ob 590/82). Das Verfahren nach § 7 Abs.3 EO ist nach den für das Titelverfahren bestehenden Vorschriften durchzuführen. In diesem Verfahren sind auch strittige, nicht aktenkundige Tatsachen festzustellen, da das Verfahren amtswegig zu führen und der Sachverhalt daher, wie etwa bei Zustellmängeln, in jeder geeigneten Richtung zu erheben ist (EvBl. 1977/176; Heller-Berger-Stix 209). Da bei Prüfung der Richtigkeit der Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht allein auf die Aktenlage abzustellen ist, sich aus dem im Sachwalterbestelungsverfahren eingeholten Gutachten aber eine bereits länger zurückliegende Beeinträchtigung ergibt, ist, sofern man diesem Gutachten folgt, die Bestätigung auch schon im Zeitpunkt ihrer Erteilung irrig gewesen (vgl. EvBl. 1970/181; 4 Ob 590/82). Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers kann auch keine Rede davon sein, daß der Beklagte durch die Abweisung seines Antrages auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung durch das Erstgericht nicht beschwert gewesen wäre, da ihm ein schützenswertes Interesse zuzubilligen ist zu verhindern, daß der Gegner eine unrichtige Bestätigung zur Erreichung einer Exekutionsbewilligung verwendet (Heller-Berger-Stix 209).

Allerdings kann dem Gericht zweiter Instanz darin nicht beigepflichtet werden, daß es auf das im Verfahren über die Nichtigkeitsklage erstattete Gutachten nicht Bedacht zu nehmen gehabt hätte. Wie bereits dargelegt, ist im amtswegigen Verfahren der Sachverhalt in jeder Richtung zu prüfen, sodaß auch ein dem Gericht bekanntes, in einem anderen Verfahren aufgenommenes Gutachten, nicht unberücksichtigt bleiben darf. Da das Rekursverfahren in diesem Umfang mangelhaft geblieben ist, wird das Gericht zweiter Instanz sich mit beiden aktenkundigen Gutachten auseinanderzusetzen und zu entscheiden haben, ob das spätere Gutachten lediglich eine Ergänzung und Präzisierung des ersten Gutachtens darstellt, oder ob Widersprüche vorliegen, die die Zuziehung eines weiteren Sachverständigen erforderlich machen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO, wobei in Anbetracht des nunmehrigen Einschreitens des Klägers vom Vorliegen eines Zwischenstreits auszugehen ist (vgl. Heller-Berger-Stix 212).

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