Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die gefährdete Partei (Antragstellerin) und der Gegner der gefährdeten Partei (Antragsgegner) hatten „miteinander eine Beziehung". Nach deren Auflösung durch die Antragstellerin wurde diese vom Antragsgegner - der dies zunächst nicht zur Kenntnis nehmen wollte - durch eine körperliche Attacke sowie in der Folge durch Anrufe und SMS behelligt. Die Streitteile wohnen in derselben Straße und begegnen einander deshalb zwangsläufig gelegentlich. Bei einem zufälligen Zusammentreffen im in der Nähe ihrer Wohnsitze gelegenen Schwimmbad schrie der Antragsgegner die Antragstellerin vor allen Leuten an und bedrohte sie und andere mit dem Umbringen. Rund zwei Monate danach schrie der Antragsgegner die Antragstellerin, als diese das nächstgelegene Lebensmittelgeschäft verließ, neuerlich an und machte ihr Vorhaltungen.
Die Antragstellerin begehrte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382g EO.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Gegners der gefährdeten Partei, wobei dem Antragsgegner die persönliche Kontaktaufnahme und die Verfolgung der Antragstellerin verboten wurde. Die Sicherheitsbehörden wurden mit dem Folgevollzug - jeweils auf Ersuchen durch die Antragstellerin - beauftragt.
Das Erstgericht wies den Widerspruch des Antragsgegners gegen diese einstweilige Verfügung ab. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem dagegen erhobenen Rekurs - unter Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses - nicht Folge. § 382g EO diene dem Schutz der Privatsphäre. Diese werde auch dann verletzt, wenn zwar das Zusammentreffen ursprünglich zufällig erfolgt, vom Antragsgegner aber - wie hier - jedes Mal ein unzumutbares Verhalten an den Tag gelegt worden sei. Es mache nämlich für das Opfer von Stalking in der Praxis keinen Unterschied, ob es damit rechnen müsse, dass ihm der Täter auflauere, oder ob es jederzeit bei einer zufälligen Begegnung Folgen wie die zuvor beschriebenen erwarten müsse.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Antragsgegner dagegen erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2006 wurde nicht nur der neue Straftatbestand der „Beharrlichen Verfolgung" (§ 107a StGB) geschaffen, sondern auch die zivilrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten für Stalking-Opfer verbessert. § 382g EO, dessen Anknüpfungspunkt der Schutz der Privatsphäre ist, ergänzt die Regelungen der §§ 382b ff EO über einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt in der Familie (Wolfrum/Dimmel, Das „Anti-Stalking-Gesetz", in ÖJZ 2006, 475 [481]). Grundlage des zivilrechtlichen Schutzes vor Eingriffen in die Privatsphäre sind und waren schon vor dieser neuen Bestimmung die §§ 16 und 1328a ABGB. Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist eine drohende Gefährdung der Privatsphäre des Opfers, nicht aber ein Verschulden des Gegners oder dass sein Verhalten gemäß § 107a StGB strafbar ist (Kodek in Angst2 § 382g EO Rz 2 f mwN).
Der Revisionswerber macht in seinem Rechtsmittel geltend, dass die festgestellten Handlungsweisen („Schreiereien und Drohungen") nicht das Tatbild des § 107a StGB erfüllten. Dies ist aber - wie oben ausgeführt - nicht erforderlich. Ein zivilrechtlich relevanter Eingriff ist auch in jenen Fällen möglich, in denen die Schwelle des § 107a StGB noch nicht überschritten ist (8 Ob 155/06m mwN; Kodek aaO; Caroline Hager-Rosenkranz, in EF-Z 2006, 115 [118]).
Der Umstand, dass der Antragsgegner die Antragstellerin jeweils „zufällig" traf, ändert nichts daran, dass die in unmittelbarem Anschluss erfolgten Handlungsweisen als „Verfolgung" iSd § 382g Abs 1 Z 1 EO zu qualifizieren sind. Der Antragsgegner hat zwar nicht dem Verbot der persönlichen Kontaktaufnahme zuwidergehandelt, den zufälligen Kontakt aber jeweils dazu benutzt, die Antragstellerin anzuschreien, zu beschimpfen und zu drohen. Derartige Eingriffe in die Privatsphäre stellen Verfolgungshandlungen iSd § 382g Abs 1 Z 1 EO dar, die einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen, wobei dessen Sicherung mittels einstweiliger Verfügung geboten ist.
Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 2 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.
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