Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Aufkündigung vom 11.11.1988, 48 K 139/88, des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.127,-- bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 514,50 Umsatzsteuer und S 40,-- Barauslagen) und der auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin an Prozeßkosten und Kosten der Rechtsmittelverfahren den Betrag von S 22.949,60 (darin enthalten S 3.471,60 Umsatzsteuer und S 2.120,-- S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die 1966 geborene Nebenintervenientin ist ein Enkelkind der am 9.11.1987 im Pflegeheim der Stadt Wien-Baumgarten verstorbenen Theresia H***. Theresia H*** war Hauptmieterin der nunmehr aufgekündigten Wohnung. Eva H*** verbrachte bis Oktober 1986 ein Jahr in den USA, vorher wohnte sie in der Eigentumswohnung ihrer Eltern in St.Johann in Tirol. Im Oktober 1986 zog Eva H*** zu ihrer Großmutter in die aufgekündigte Wohnung. Grund dafür war, daß sie an der Universität Wien ein Studium begann. Eva H*** plante jedenfalls, während der Dauer ihres Studiums in der aufgekündigten Wohnung zu wohnen. Für die Zeit nach Abschluß ihres Studiums hatte sie noch keine konkreten Pläne. Sie wußte auch nicht, ob und wie lange sie nach Beendigung ihres Studiums in der aufgekündigten Wohnung wohnen werde. Es gab zwischen ihr und Theresia H*** keine Vereinbarung, wie lange sie in der aufgekündigten Wohnung wohnen werde. Zwischen Oktober 1986 und Mai 1987 lebten Eva und Theresia H*** gemeinsam in der Wohnung. In diesem Zeitraum bestand in der aufgekündigten Wohnung eine gemeinsame Haushaltsführung. Die bis dahin gesunde Theresia H*** erlitt im Mai 1987 einen Schlaganfall. Sie kam in ein Krankenhaus. Zunächst war vorgesehen, daß sie nach ihrem Krankenhausaufenthalt wieder in die aufgekündigte Wohnung ziehen werde. Es stellte sich aber im Juli 1987 heraus, daß ein Pflegefall vorlag. Da eine Pflege mangels geeigneter Betreuungspersonen in der aufgekündigten Wohnung nicht möglich war und der behandelnde Arzt meinte, eine Pflege sei in der Wohnung nicht sinnvoll, kam Theresia H*** im Juli 1987 in das Pflegeheim der Stadt Wien, wo sie am 9.November 1987 starb. Da Theresia H*** zuletzt nicht mehr in der Lage war, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern, wurde ihr Sohn Dipl.Ing. Werner H*** mit Beschluß vom 31.8.1987 des Bezirksgerichtes Hietzing zu 1 SW 75/87 zu ihrem einstweiligen Sachwalter bestellt. Eva H*** verfügt über keine andere Wohnmöglichkeit in Wien. Die klagende Partei kündigte die Wohnung gemäß § 30 Abs 2 Z 5 MRG auf. Es habe sich nur um eine für die Zeit des Studiums begrenzte vorübergehende Haushaltsgemeinschaft gehandelt. Die beklagte Verlassenschaft und die auf ihrer Seite dem Verfahren beigetretene Nebenintervenientin wendeten ein, der seit Oktober 1986 bestehende gemeinsame Haushalt sei nicht nur für die Zeit des Studiums, sondern auf Dauer berechnet gewesen. Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es könne nicht festgestellt werden, daß die konkreten Umstände in der Zeit zwischen Juli 1987 und dem Tod Theresia H*** im November 1987 deren Rückkehr in die aufgekündigte Wohnung hätten erwarten lassen. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, die Behauptung der klagenden Partei, daß niemals die Absicht bestanden habe, auf Dauer eine Wohngemeinschaft zu errichten, sei nicht zutreffend, weil Eva H*** jedenfalls für die Dauer ihres Studiums in der aufgekündigten Wohnung hätte wohnen sollen, während sie für die Zeit danach noch keine konkreten Pläne gehabt habe. Das reiche aus, um eine auf Dauer berechnete Haushaltsgemeinschaft zwischen ihr und ihrer Großmutter anzunehmen. Es sei allerdings zu berücksichtigen, daß Theresia H*** ab Mai 1987 bis zu ihrem Tod im November 1987 nicht mehr in der aufgekündigten Wohnung gewohnt habe. Solange sich Theresia H*** noch im Krankenhaus zur Behandlung ihres Schlaganfalles aufgehalten habe, könne von einer bloß vorübergehenden Abwesenheit ausgegangen werden, die die Haushaltsgemeinschaft nicht aufgehoben habe. Für die Zeit danach sei jedoch zugrunde zu legen, daß Theresia H*** ein Pflegefall geworden sei und aus diesem Grunde ab Juli 1987 in einem Pflegeheim gelebt habe, wo sie auch verstorben sei. Bei dieser Sachlage habe eine Rückkehr Theresia H*** in die aufgekündigte Wohnung nicht angenommen werden können, sodaß zumindest seit Juli 1987 die Haushaltsgemeinschaft aufgehoben gewesen sei und im Zeitpunkt des Todes im Pflegeheim nicht mehr bestanden habe. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Nebenintervenientin keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige; die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Es übernahm die auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes. Als Fälle nicht dauernder Trennung seien ua auswärtige Studien, Krankheits- und Erholungsaufenthalte und auch befristete Aufenthalte im Altersheim angesehen worden. Anders verhalte es sich bei der Unterbringung in einem Pflegeheim; bei diesem könne anders als bei einem Spitalsaufenthalt, der grundsätzlich noch nicht als Aufgabe des eigenen Haushaltes gewertet werden könne, nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß es sich um eine bloß vorübergehende Abwesenheit handle und eine Rückkehr in absehbarer Zeit zu erwarten sei, zumal nach der Lebenserfahrung der überwiegende Teil der dort untergebrachten Pflegefälle das Heim bis zum Lebensende nicht mehr verlasse. Daß der Aufenthalt doch nur vorübergehender Art gewesen sei, müsse von demjenigen behauptet und unter Beweis gestellt werden, der ein Eintrittsrecht in Anspruch nehme. Sei weder behauptet noch der Beweis einer im Zeitpunkt des Todes des Mieters bestehenden konkreten Rückkehrabsicht in absehbarer Zeit erbracht worden, sei davon auszugehen, daß durch Abwesenheit des Mieters aus der aufgekündigten Wohnung eine frühere Haushaltsgemeinschaft mit den Angehörigen unterbrochen worden sei. Denn auch ein Aufenthalt im Pflegeheim unterbreche den gemeinsamen Haushalt nur dann nicht, wenn er nicht auf Dauer berechnet gewesen sei. Ob der Plan der Nebenintervenientin, jedenfalls während der Dauer ihres Studiums in der Wohnung zu wohnen, wobei für die Zeit danach noch keine konkreten Pläne bestanden hätten, überhaupt ausreichte, dem Erfordernis der auf Dauer gerichteten Absicht des gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens zu entsprechen, könne somit dahingestellt bleiben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Nebenintervenientin ist zulässig und berechtigt. Nach § 14 Abs 3 MRG ist nach dem Tod des Hauptmieters dessen Enkelkind berechtigt, in den Mietvertrag einzutreten, wenn es schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt hat und ein dringendes Wohnbedürfnis besteht. Die klagende Partei wiederholt in ihrer Revisionsbeantwortung die Ansicht, eine gemeinsame Haushaltsführung zwischen Eva und Theresia H*** habe schon deswegen nicht bestanden, weil der gemeinsame Haushalt nur für die Dauer des Studiums berechnet gewesen sei. Die Vorinstanzen verneinen ein Eintrittsrecht der Nebenintervenientin jedenfalls aus dem Grund, weil der Mieter in einem Pflegeheim gelebt habe und dort verstorben sei, so daß zum Zeitpunkt des Todes eine Haushaltsgemeinschaft nicht mehr bestanden habe.
Beiden Ansichten kann nicht gefolgt werden. In der in der Revisionsbeantwortung zitierten Entscheidung MietSlg 22.396 verneinte der Oberste Gerichtshof das Eintrittsrecht des Enkels, der beabsichtigt hatte, nur während seines Hochschulstudiums beim Großvater zu wohnen. Ob diese Ansicht auch nach Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes, das in seinem § 29 Abs 2 MRG für die Dauer des Hochschulstudiums den Abschluß bedingter Mietverträge ermöglichte, weiterhin aufrechterhalten werden kann, muß nicht näher geprüft werden, weil der vorliegende Sachverhalt anders gelagert ist. § 14 Abs 3 MRG setzt nur voraus, daß der gemeinsame Haushalt auf Dauer berechnet ist (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 15 zu § 14 MRG; Würth in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 14 MRG je mwN). Theresia H*** nahm ihr Enkelkind zwar aus Anlaß des Beginnes des Universitätsstudiums in den gemeinsamen Haushalt auf, diese Aufnahme war aber unabhängig von der Dauer des Studiums auf unbestimmte Zeit gedacht. Weder hatte die Mieterin die Aufnahme in die Wohngemeinschaft für die Dauer des Studiums begrenzt, noch bestanden konkrete Pläne der Nebenintervenientin für die Zeit nach ihrem Studium. Damit lag aber eine Aufnahme der Nebenintervenientin auf unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit in die Haushaltsgemeinschaft mit ihrer Großmutter vor; daß die Aufnahme in die Haushaltsgemeinschaft unwiderruflich sein müßte, wird vom Gesetz nicht verlangt (MietSlg 17.508).
Den Vorinstanzen kann nicht gefolgt werden, daß die bestehende Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit der Unterbringung der Mieterin in einem Pflegeheim beendet worden sei. Eine durch die Lebensumstände bewirkte Unterbrechung des Zusammenlebens hebt den gemeinsamen Haushalt dann nicht auf, wenn die Absicht bestand, bei Änderung der Sachlage die erzwungene Trennung zu beenden (SZ 58/126; MietSlg. 39.300, 18.453, 9.717, 4.040 ua; zuletzt 4 Ob 515/90 und 1 Ob 542/89; Würth-Zingher aaO Rz 17; Würth aaO Rz 9). Ob die Abwesenheit vorübergehend oder auf Dauer ist, bestimmt sich daher maßgeblich nach der Willensrichtung der Betroffenen, die Verwirklichung der Rückkehr darf nur nicht schlechthin ausgeschlossen sein (MietSlg 39.300). Es trifft allerdings denjenigen, der behauptet, eintrittsberechtigt zu sein, die Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen für den Eintritt gegeben sind (MietSlg 33.377, 33.372 ua, zuletzt 4 Ob 515/90; Würth aaO Rz 4). Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß Feststellungen über die Absichten Theresia H*** auf Grund deren Krankheitsbildes offenbar deshalb nicht getroffen werden konnten, weil sie nicht mehr in der Lage war, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Dies kann aber nicht zu Lasten des Eintrittsberechtigten gehen. Es widerspräche wohl den Intentionen des Gesetzgebers, wollte man einem Ehegatten, der jahrzehntelang im gemeinsamen Haushalt mit seinem Ehepartner in der von diesem gemieteten Wohnung lebte, das Eintrittsrecht nur deswegen versagen, weil dieser nach Aufnahme in eine Krankenanstalt und späterer Überstellung in ein Pflegeheim schicksalhaft nicht mehr in der Lage war, seinem Willen zur Rückkehr in seine Wohnung für den Fall der Besserung Ausdruck zu verleihen. Liegen keine dagegensprechenden Willensbekundungen des Mieters, vor Eintritt der Krankheit, etwa die Anmeldung in einem Pensionistenheim, Äußerungen, die Mietrechte aufgeben zu wollen, den Haushalt zu liquidieren oder ähnliches vor, ist davon auszugehen, daß jeder Kranke bei Änderung der Umstände in die von ihm vor Ausbruch der Krankheit kraft Mietrechtes benützte Wohnung zurückkehren will. Daß die Rückkehr Theresia H*** in ihre Wohnung schlechthin (objektiv) ausgeschlossen gewesen sein sollte, stellte das Erstgericht nicht fest. Ja selbst das Berufungsgericht geht nur davon aus, daß der überwiegende Teil von Pflegeheiminsassen das Heim nicht mehr lebend verläßt, womit es einräumt, daß objektiv nicht ausgeschlossen werden könne, daß ein Pflegeheiminsasse wegen Änderung der Verhältnisse (Besserung seines Leidenszustandes, Möglichkeit der Pflege nunmehr im Familienverband oder ähnliches) in die von ihm früher benützte gemietete Wohnung zurückkehrt.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen bestand daher auch noch im maßgeblichen Todeszeitpunkt ein gemeinsamer Haushalt. Die Eintrittsberechtigung der Nebenintervenientin ist zu bejahen, ihrer Revision ist Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, daß die Aufkündigung aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen wird.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten und die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die dem Verlassenschaftskurator in erster Instanz entstandenen Kosten sind ihm bereits rechtskräftig zuerkannt worden. Den beiden Rechtsanwälten, die die beklagte Partei und die auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenientin vertraten, gebührt gemäß § 15 RAT kein Streitgenossenzuschlag (3 Ob 550/82, 5 Ob 131/74 ua); die einen Beweisantrag enthaltende Beitrittserklärung ist nach TP 2 zu honorieren; für die Tagsatzung vom 27.2.1989 gebührt nur eine Erhöhung um die Hälfte der Entlohnung.
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