Normen
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §42
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §66
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §76
HGB §133
HGB §140
HGB §142
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §42
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §66
Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung §76
HGB §133
HGB §140
HGB §142
Spruch:
Unzulässigkeit des Ausschlusses des Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wegen Verletzung wesentlicher Pflichten als Geschäftsführer und Gesellschafter. §§ 133, 140, 142 HGB. können nicht herangezogen werden.
Entscheidung vom 25. November 1953, 1 Ob 600/53.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin, die Gesellschafterin der Gesellschaft m. b. H. "D."
ist, begehrt die Ausschließung des Beklagten, des zweiten Gesellschafters, aus der Gesellschaft und die Übertragung seines Gesellschaftsanteils an sie, ohne daß eine Liquidation durchzuführen sei. Der Beklagte habe wesentliche Pflichten als Geschäftsführer und Gesellschafter grob verletzt.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Gesetz über Gesellschaften m. b. H. enthalte keine Bestimmung über den Ausschluß eines Gesellschafters, der seine Stammeinlage bezahlt habe. Der Ausschluß sei nur unter den Voraussetzungen des § 66 ausdrücklich für zulässig erklärt. Diese Bestimmung könne auf andere Fälle des Ausschlusses nicht angewendet werden. Denn es würde sich dabei um die Zurückzahlung der Stammeinlage handeln, was nach § 58 GesmbHG. nur in dem dort bezeichneten Fall zulässig sei. Es handle sich auch nicht um einen Fall, daß die Stammeinlage infolge Herabsetzung des Stammkapitals rückgezahlt werden könne. Die Ausschließung könnte nach Ansicht des Erstgerichtes nur von der Gesellschaft, nicht aber von einem Gesellschafter begehrt werden. Auch wenn die Gesellschaft, wie hier, nur aus zwei Gesellschaftern bestehe, handle es sich doch nicht um ein Recht eines Gesellschafters, sondern um einen Anspruch der Gesellschaft, die eine selbständige juristische Person sei und deren Vermögen und Rechte von denen eines Gesellschafters rechtlich und faktisch getrennt seien. Die Klägerin könne sich auch nicht auf den Generalversammlungsbeschluß vom 21. Dezember 1948 berufen, mit dem die Ausschließung eines Gesellschafters für den Fall vereinbart worden sei, daß einer der Gesellschafter seinen Pflichten zuwiderhandle. Denn die Bestimmungen des Gesetzes seien zwingend, soweit sich nicht aus dem Gesetzesinhalt die Vertragsfreiheit ergebe. Gegen die analoge Anwendung des § 142 HGB. spreche die Bestimmung des Gesetzes darüber, daß die Rückzahlung der Stammeinlage auf bestimmte Fälle beschränkt sei, sowie die von der offenen Handelsgesellschaft abweichende Natur der Gesellschaft m. b. H. mit ihrem besonderen Gläubigerschutz. Der Hinweis der Klägerin auf die in der deutschen Literatur und Rechtsprechung vertretenen Meinungen sei unzutreffend, weil gerade in der Frage der Auflösung das deutsche Gesetz mit dem österreichischen nicht übereinstimme. Was das Begehren auf Übertragung des Gesellschaftsanteils des Beklagten auf die Klägerin betreffe, sei es ebenfalls unzulässig und im Widerspruch zum Ausschließungsbegehren. Wenn das Übertragungsbegehren aber gesondert betrachtet zu werden hätte, fehlte es an einem privatrechtlichen Titel für die Klägerin. Selbst wenn man mit den Ausführungen der Klägerin die Voraussetzung der Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs. 1 ABGB. als gegeben annähme, hätte dies nur die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages mit der Wirkung ex tunc zur Folge. Wenn auch unbestreitbar sei, daß sich aus der derzeitigen gesetzlichen Regelung Schwierigkeiten für die Gesellschafter und die Gesellschaft ergeben könnten, dürfe dies doch nicht dazu führen, daß entgegen dem Gesetz die Ausschließung eines Gesellschafters zugelassen würde.
Infolge Berufung der Klägerin bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Die Gesellschaft m. b. H. sei kein Verein, aus dem ein mißliebig gewordenes Mitglied ausgeschlossen werden könne, sondern es komme ihr nach dem Gesetz die Eigenschaft eines von den Teilnehmern unabhängigen Zweckvermögens zu. Damit hänge es zusammen, daß das Gesetz über das Ausscheiden eines Gesellschafters, von § 76 GesmbHG. abgesehen, keinerlei Bestimmung enthalte und den Ausschluß eines Gesellschafters nur bei Verzug in der Einzahlung der Stammeinlage vorsehe (§ 66). Der Umstand, daß das Gesetz das Ausschließungsverfahren im Sinne des § 66 zwingend und detailliert regle, andere minder wichtige Ausschließungsfälle aber unerwähnt lasse, deute klar auf die Absicht des Gesetzgebers hin, andere Fälle des zwangsweisen Ausscheidenseines Gesellschafters der Bestimmung durch den Gesellschaftsvertrag nicht überlassen zu wollen. Wenn angenommen werden würde, daß der Generalversammlungsbeschluß vom 21. Dezember 1948 zulässig gewesen sei, mangle es dabei doch an der vorgeschriebenen notariellen Form (§§ 4, 49), sodaß durch ihn der Gesellschaftsvertrag nicht abgeändert worden sei. Im übrigen widerspräche diese Änderung auch den §§ 82, 81 und 76. Eine zwangsmäßige, einer Enteignung des Gesellschafters gleichkommende Übertragung des Gesellschaftsanteils des Klägers, wie sie die Klägerin in ihrem zweiten Begehren im Auge habe, sei dem Gesetz, den Fall des § 65 ausgenommen, fremd.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionswerberin verweist so wie in den Unterinstanzen in erster Linie darauf, daß die heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse mit ihren die Bestanddauer einer Gesellschaft m. b. H. einschränkenden und diese einer offenen Handelsgesellschaft angleichenden Tendenzen die Möglichkeit erheischten, einen seinen Verpflichtungen untreu gewordenen Gesellschafter auf Wunsch eines anderen aus der Gesellschaft auszustoßen. Deshalb sei es erforderlich, die Bestimmungen des Gesetzes über Gesellschaften m. b. H. durch allgemeine handelsrechtliche Regelungen, insbesonders durch die Bestimmungen über die offene Handelsgesellschaft §§ 133, 140, 142 HGB.) zu ergänzen. Das Streben der Gesetzgebung gehe dahin, einerseits das Zweckvermögen zugunsten der Gläubiger stärker zu binden, andererseits aber die Auflösung zu erleichtern und die Dauer der Gesellschaft zu beschränken. Das treuwidrige Verhalten eines Gesellschafters dürfe nicht dazu führen, daß der andere aus der Gesellschaft ausscheiden müsse und dadurch wirtschaftliche Werte für ihn verloren gingen.
Gegen die Ausführungen der Revisionswerberin muß darauf verwiesen werden, daß die Marginalrubrik zum II. Hauptstück des Gesetzes über Gesellschaften m. b. H. "Rechtverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter", erster Abschnitt "Rechtsverhältnisse der Gesellschaft", zweiter Abschnitt "Die Stammeinlagen", dritter Abschnitt "Nachschüsse" und vierter Abschnitt "Die Geschäftsanteile" deutlich auf den Willen des Gesetzgebers hinweist, die bezeichneten rechtlichen Verhältnisse erschöpfend zu regeln. Wie die Untergerichte bereits ausführlich dargelegt haben, wurde die nach deutschem Recht (§ 61) zulässige Möglichkeit, auf Auflösung der Gesellschaft zu klagen, bei der Einführung des österreichischen Gesetzes bewußt nicht übernommen und die Ausschließung eines Gesellschafters auf den Fall beschränkt, daß dieser seine Stammeinlage nicht rechtzeitig einzahlte (§ 66). Die Tendenz des Gesetzes geht dahin, den Bestand der von den Gesellschaftern unabhängig und selbständig vorhandenen Gesellschaft zu erhalten, nicht minder aber auch den zwangsweisen Ausschluß einzelner Gesellschafter zu unterbinden, damit die Gesellschaft aufrecht und von finanziellen Erschütterungen, die durch einen solchen Ausschluß hervorgerufen werden könnten, verschont bleibe. Die bisherige Judikatur des Obersten Gerichtshofes, auf die das Berufungsgericht verwiesen hat (E. v. 12. September 1916, ZBl. 1917, Nr. 281, v. 17. März 1914, NotZ. 1917, S. 229, v. 26. August 1913, ZBl. 1916, Nr. 349), ließ einen über das Gesetz hinausgehenden Ausschluß eines Gesellschafters nicht zu und die Lehre bediente sich des Umkehrschlusses aus § 58, um nachzuweisen, daß die Zurückzahlung der Stammeinlage und damit auch der Ausschluß eines Gesellschafters nur in dem vom Gesetz vorgesehenen Fall möglich ist. Der Hinweis der Revisionswerberin auf die Tatsache, daß im vorliegenden Fall ja nicht Gesellschaftsmittel zur Rückzahlung verwendet werden sollen, sondern daß dies eine private Angelegenheit der Klägerin sei, die aus ihren Mitteln zahlen werde, ist nicht wirkungsvoll. Denn faktisch zöge der Beklagte im Falle des Ausschlusses seine Einlage aus der Gesellschaft und es wäre unsicher, ob und wann die Klägerin zur Bezahlung imstande wäre. Das Gesetz sieht aber auch nicht vor, daß ein Gesellschafter gezwungen werden könnte, seinen Geschäftsanteil an einen anderen Gesellschafter zu veräußern.
Der Oberste Gerichtshof sieht keinen Grund, von seiner Rechtsprechung abzugehen. Insbesonders ist die Begründung der deutschen Judikatur auf die österreichischen Verhältnisse nicht ohne weiters übertragbar und überdies nicht überzeugend. Im wesentlichen wird in den Entscheidungen (z. B. RG. v. 13. August 1942, RGZ. 169, S. 330, DBGH. v. 1. April 1953, NJW. 1953, S. 780) auf das in Deutschland angeblich bestehende dringende Bedürfnis, untragbar gewordene Gesellschafter zu entfernen, auf die Treuepflicht der Gesellschafter und die Billigkeit hingewiesen. Solche Gründe allgemeiner Art mögen für den Gesetzgeber Grund sein, das Gesetz unter Einbau der zum Schutz der Gläubiger erforderlichen Kautelen zu ändern. Solange dieses aber in seiner derzeitigen Fassung gilt, kann ein Recht des Gesellschafters, den Ausschluß eines anderen und die Übertragung von dessen Geschäftsanteil zu verlangen, nicht angenommen werden.
Auf die Frage, ob der Generalversammlungsbeschluß vom 21. Dezember 1948 die Ausschlußmöglichkeit vom Gesetz abweichend regeln durfte (vgl. § 4 Abs. 2), braucht nicht eingegangen zu werden. Denn es handelt sich dabei um einen Beschluß, der den Gesellschaftsvertrag abändern wollte und deshalb nach § 49 Abs. 1 wenn schon keines Notariatsaktes, so doch der notariellen Beurkundung bedurft hätte. Die Ansicht der Revisionswerberin, das Fehlen der Form tangiere das interne Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen nicht, ist unrichtig. Denn wenn das Gesetz zur Wirksamkeit eines solchen Beschlusses eine bestimmteForm verlangt, soll vor der Erfüllung der Formvorschrift keiner der Beteiligten gebunden sein. Dies gilt auch für Vorverträge, die ein notariell zu beurkundendes Rechtsgeschäft zum Ziel haben.
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