OGH 1Ob596/92

OGH1Ob596/9225.8.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christa W*****, vertreten durch Dr. Theo Petter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl Herbert P*****, vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Februar 1992, GZ 48 R 128/92-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 13. Dezember 1991, GZ 9 C 1036/91d-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Aufkündigung des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 26. März 1991, GZ 9 K 57/91-1, als rechtswirksam erkannt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, die im Haus Wien 12, *****straße ***** gelegene Wohnung **********, bestehend aus Kabinett und Küche (23 m2) samt Zubehör der klagenden Partei geräumt zu übergeben.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.888,66 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz (darin S 725,76 Umsatzsteuer und S 534,-- Barauslagen), die mit S 2.412,48 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 302,08 Umsatzsteuer und S 600,-- Barauslagen) sowie die mit S 3.975,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 362,56 Umsatzsteuer und S 1.800,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist nebenberuflich etwa dreimal wöchentlich Nachttaxifahrer, um sein Studium in Wien und seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Vor etwa fünf Jahren mietete er von der klagenden Hauseigentümerin die nun aufgekündigte 23 m2 große Wohnung (Kabinett, Küche; WC am Gang) Wien 12, N*****straße ***** (im folgenden aufgekündigte Wohnung), in die später auch seine Lebensgefährtin, eine Schülerin, und das gemeinsame Kind einzogen. Zusätzlich mietete der Beklagte vor etwa eineinhalb Jahren die 43 m2 große Wohnung Wien 14, K*****gasse ***** (Vorraum, Wohnküche, Schlafkabinett und WC; im folgenden zweite Wohnung) um monatlich S 3.000,--. Da er sich diese zweite Wohnung nicht leisten konnte nahm er in diese einen befreundeten Tischler auf, der zumindest wochentags dort wohnt. Die Lebensgefährtin und das mittlerweile dreijährige Kind des Beklagten halten sich überwiegend in der zweiten Wohnung auf, die Lebensgefährtin des Beklagten benützt die aufgekündigte Wohnung etwa zweimal pro Woche, um in Ruhe lernen zu können. Aus dem gleichen Grund benützt der Beklagte die aufgekündigte Wohnung etwa drei - bis viermal pro Woche, weiters benützt er sie, um in Ruhe schlafen zu können, wenn er nach der Arbeit als Nachttaxifahrer um 06.00 Uhr nach Hause kommt. Kleidungsstücke und Hausrat des Beklagten sind auf beide Wohnungen aufgeteilt.

Die Vorinstanzen hoben ausgehend, von diesen Feststellungen, die auf § 30 Abs 2 Z 4 und Z 6 MRG gestützte Aufkündigung auf und wiesen das Räumungsbegehren ab. Der Beklagte benötige die aufgekündigte Wohnung während des beachtlichen Zeitraumes von einigen Tagen in der Woche. Die zweite Instanz ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Die außerordentliche Revision der Klägerin, die auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG nicht mehr zurückkommt, ist zulässig und gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG kann der Vermieter den Mietvertrag kündigen, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Mietbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs 3 MRG) regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist. Beweispflichtig für das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung ist der Vermieter (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 39 zu § 30 MRG). Voraussetzung für das Vorliegen dieses Kündigungsgrundes ist einerseits das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken und andererseits der Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen (Würth in Rummel, Rz 31 zu § 30 MRG). Nach ständiger Rechtsprechung erfüllt die Benützung zweier Wohnungen an sich noch nicht den genannten Kündigungsgrund, wenn der Mieter - oder eintrittsberechtigte Personen - die Wohnung wenigstens während eines beachtlichen Zeitraums im Jahr oder mehrere Tage in der Woche (MietSlg 40.458; Würth aaO, Rz 32 zu § 30 MRG) als wirtschaftlichen und familiären Mittelpunkt ausnützen (MietSlg 40.459, 38.464, 34.468 ua; Würth aaO, Rz 32 zu § 30 MRG; Würth-Zingher aaO, Rz 41 mwN; Medwed, Bietet § 30 Abs 2 Z 6 MRG eine echte Kündigungsmöglichkeit in ÖJZ 1985, 289 ff, 291 mwN). Die Wohnung darf nicht nur als gelegentliches Absteigquartier verwendet werden (MietSlg 34.468, 33.383 ua noch zur alten, aber mit Ausnahme des Hinweises auf § 14 Abs 3 MRG identen Norm des § 19 Abs 2 Z 13 MG; Würth-Zingher aaO Rz 41), das Interesse der Wohnung muß über das der bloßen Bequemlichkeit hinausgehen (MietSlg 34.468). Der Oberste Gerichtshof hat deshalb schon ausgesprochen, daß etwa gelegentliche einzelne Verrichtungen wie Baden, Wäschewaschen nicht ausreichen, um eine Benützung für Wohnzwecke anzunehmen (7 Ob 516/89). Wenn es auch für die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses genügen mag, daß die aufgekündigte Wohnung zumindest in mancher Beziehung noch Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Familienlebens des Mieters ist (so MietSlg 40.459), muß dies hier bei den festgestellten Wohnverhältnissen und der Art der Benützung der beiden Wohnungen durch den Beklagten verneint werden. Weder Studieren noch Schlafen nach Nachtarbeit allein bedeuten ein Wohnen in dem Sinn, daß die Wohnung Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit und des Familienlebens des hier beklagten Mieters wäre. Demnach sind die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Rechtswirksamerklärung der Kündigung abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO (bei der Addition des Verdienstes der Verfahrenskosten erster Instanz unterlief der klagenden Partei ein geringfügiger Additionsfehler), für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.

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