OGH 1Ob589/93

OGH1Ob589/9321.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Bernice K*****, geboren am 3. April 1992 in G*****, in Obsorge der Mutter Gabriele Sch*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft G***** als Sachwalterin, wider die beklagte Partei Norbert P*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Feststellung der außerehelichen Vaterschaft und Unterhalts, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 28. April 1993, GZ R 383/93-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 25. Jänner 1993, GZ 1 C 42/92-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die mj. Klägerin begehrte die Feststellung, der Beklagte sei ihr Vater, und einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.670 von ihrer Geburt an.

Der Beklagte gestand zwar zu, er habe mit der Mutter der Klägerin innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist mehrmals ohne Verwendung von Verhütungsmitteln geschlechtlich verkehrt, er wendete jedoch ein, er könne aufgrund der Verteilung der Blutmerkmale nicht der Vater der Klägerin sein. Die Mutter habe ihren Angaben zufolge innerhalb der Vermutungsfrist auch mit anderen Männern geschlechtlich verkehrt; er könne allerdings Konkubenten nicht nennen.

Nach Erstattung des serologischen Gutachtens beantragte der Beklagte noch die Durchführung einer DNA-Analyse.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte fest, die Mutter habe innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist nur mit dem Beklagten geschlechtlich verkehrt. Dieser könne aufgrund der Verteilung der vererbbaren Blutkörperchenmerkmale und Serumeigenschaften von der Vaterschaft zur Klägerin nicht ausgeschlossen werden.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Vaterschaftsvermutung gemäß § 163 Abs 1 ABGB treffe auf den Beklagten zu. Der ihm gemäß § 163 Abs 2 ABGB eröffnete Gegenbeweis sei ihm nicht gelungen, vielmehr spreche eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für dessen Vaterschaft.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, der Beklagte hätte die auf ihn unbestrittenermaßen zutreffende Vaterschaftsvermutung nur durch den Beweis einer solchen Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft entkräften können, die unter Würdigung aller Umstände gegen die Annahme spreche, daß er das Kind gezeugt hat. Der Beweis der „relativen“ Unwahrscheinlichkeit, seine Vaterschaft sei unwahrscheinlicher als die eines anderen Mannes, scheide schon deshalb aus, weil der Beklagte weder einen anderen Konkubenten bezeichnet, noch Gründe angegeben habe, weshalb dessen Vaterschaft wahrscheinlicher sei. Um die Vaterschaftsvermutung als entkräftet ansehen zu können, müßten Anhaltspunkte vorhanden sein, die die Vaterschaft des Beklagten völlig unglaubhaft machten, so daß der verbleibende ganz geringe Grad der Wahrscheinlichkeit bei Würdigung aller Umstände vernachlässigt werden könne. Nach Art. V Z 5 UeKindG habe das Gericht von Amts wegen zu sorgen, daß alle für die Entscheidung wichtigen Tatumstände vollständig aufgeklärt werden; im Abstammungsverfahren herrsche somit der Untersuchungsgrundsatz, ohne daß damit allerdings die Beweisregeln aufgehoben wären. Das Gesetz bringe zwar nicht unmittelbar zu Ausdruck, wer die Tatsachen aufklären müsse, dadurch aber, daß dem Gericht die Pflicht auferlegt sei, für deren Aufklärung zu sorgen, ergebe sich für das Gericht im Zusammenhang mit dem Fortfall der Beschränkungen gemäß § 183 Abs 2 ZPO und unter Berücksichtigung der strikten Gebote der §§ 182 und 432 ZPO die Pflicht, im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens alle wesentlichen Tatsachen zu prüfen und gegebenenfalls selbst solche Tatsachen zu berücksichtigen, die von den Parteien nicht ausdrücklich vorgebracht wurden. Aber auch bei Anlegung dieses strengen Maßstabs gebiete es der Untersuchungsgrundsatz nicht, sämtliche erdenklichen Beweise aufzunehmen. Die Unterlassung weiterer Beweisaufnahmen begründe nur dann einen Verfahrensmangel, wenn die Grenzen der amtswegigen Wahrheitserforschung bei Bedachtnahme auf das pflichtgemäße Ermessen verkannt werden. Angesichts der bisherigen Beweisergebnisse sei die Einholung eines weiteren Gutachtens entbehrlich: Zum einen habe sich kein konkreter Anhaltspunkt in der Richtung ergeben, daß die Mutter in der kritischen Zeit auch mit anderen Männern Sexualkontakte gepflogen habe, zum anderen habe sich die Behauptung des Beklagten, er könne aufgrund der Verteilung der Blutmerkmale nicht der Vater der Klägerin sein, als unrichtig herausgestellt. Es sei sogar im Gegenteil eine hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeit ermittelt worden. Das vom Beklagten als „Rettungsanker“ beantragte DNA-Gutachten sei bisher noch nicht ausreichend wissenschaftlich anerkannt worden. Auch Szilvássy (ÖA 1990, 34) halte zwar die DNA-fingerprinting-Methode für ein weiteres wertvolles Verfahren, verweise aber darauf, daß nach Ansicht der Internationalen Gesellschaft für forensische Hämogenetik vor seinem Einsatz noch einige Bedingungen erfüllt werden müßten, so daß in der Unterlassung der Einholung eines solchen Gutachtens kein Verfahrensmangel erblickt werden könne.

Die Revision des Beklagten ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Da die Vaterschaftsvermutung (§ 163 Abs 1 ABGB) unbestrittenermaßen auf den Beklagten zutrifft und dieser keinen anderen Konkubenten nannte, aber auch keine Gründe anführte, daß die Vaterschaft eines anderen Mannes wahrscheinlicher sei als die seine, kann er diese gesetzliche Vermutung nur durch den Beweis einer solchen Unwahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft entkräften, die unter Würdigung aller Umstände gegen die Annahme spricht, daß er das Kind gezeugt hat (§ 163 Abs 2 erster Halbsatz ABGB). Die Vaterschaftsvermutung wird aber nur durch Anhaltspunkte entkräftet, die die Vaterschaft des Beklagten völlig unglaubhaft erscheinen lassen, so daß der verbleibende ganz geringe Grad der Wahrscheinlichkeit den Umständen nach vernachlässigt werden kann (RZ 1978/104 ua). Durch die serologische Begutachtung ist im vorliegenden Fall die Vaterschaftsvermutung nicht entkräftet worden: Die Vaterschaft des Beklagten kann trotz einer Ausschlußchance von 98,9 % nicht ausgeschlossen werden; die Vaterschaftswahrscheinlichkeit beträgt immerhin 95,5 %.

Als die Ergebnisse dieses Gutachtens vorlagen, beantragte der Beklagte zur Entkräftung der gegen ihn gerichteten Vaterschaftsvermutung die Durchführung einer DNA-Analyse und schlug hiezu unter Vorlage einer Informationsbroschüre des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern dessen Leiter als Sachverständigen vor. Diesen Beweisantrag wies das Erstgericht mit der Begründung ab, angesichts einer Irrtumsrate von bloß 4,5 % sei das beantragte Gutachten nicht „zielführend“. Das Gericht zweiter Instanz hingegen erblickte in der Unterlassung der begehrten Begutachtung angesichts deren mangelnden wissenschaftlichen Anerkennung weder einen Verfahrensmangel noch die Verletzung des pflichtgemäßen Ermessens bei der gebotenen amtswegigen Wahrheitsforschung. Dieser Auffassung kann jedoch bei Würdigung aller Umstände nicht beigetreten werden:

Gemäß Art. V Z 5 UeKindG hat das Gericht im Streit über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind von Amts wegen dafür zu sorgen, daß alle für die Entscheidung wichtigen Umstände vollständig aufgeklärt werden; Streitigkeiten dieser Art werden, anders als im Zivilverfahren sonst, vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (EFSlg 60.925 uva; Fasching, LB2 Rz 662), bei dessen Wahrnehmung sich das Gericht ausschließlich von pflichtgemäßem, im Instanzenzug nachprüfbarem Ermessen leiten lassen darf (JBl 1958, 282 uva) und daher alle Beweise aufzunehmen hat, von welchen eine weitere Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts erwartet werden kann (RZ 1991/12). Solche Beweisaufnahmen sind selbst durchzuführen, wenn sie von keiner Partei beantragt wurden, ja selbst dann, wenn sich die Parteien dagegen ausgesprochen haben; auch etwa mit der Beweisaufnahme verbundene hohe Kosten können nicht gegen deren Durchführung ins Treffen geführt werden (EFSlg 46.713).

Auch wenn der Untersuchungsgrundsatz das Gericht - selbstverständlich - nicht verpflichtet, alle nur erdenklichen - also auch von vornherein als überflüssig erkannte - Beweise aufzunehmen, so ist doch die Ermessensübung des Gerichtes vor allem dann einer besonders strengen Prüfung zu unterziehen, wenn der mit der in § 163 Abs 1 ABGB verankerten Vaterschaftsvermutung belastete Beklagte weitere Beweise zu deren Entkräftung beantragt, weil das serologische Gutachten seinen Ausschluß von der Vaterschaft nicht erbrachte: Er hat häufig genug selbst keine Gewißheit, daß er - auch wenn er der Mutter während der kritischen Zeit bewohnte - Vater des Kindes ist, hat aber stets die schwerwiegenden Folgen zu tragen, wenn ihm die Entkräftung der Vaterschaftsvermutung mißlingt. Vor allem aber muß stets oberstes Ziel des Paternitätsprozesses die Ermittlung und Feststellung des wirklichen biologischen Vaters sein. Soweit das Erstgericht die Ablehnung des Beweisantrages damit begründete, die begehrte Beweisaufnahme sei angesichts der geringen Irrtumsrate der ermittelten biostatistischen Vaterschaftswahrscheinlichkeit nicht zielführend, übersieht es - wie der erkennende Senat bereits früher unter Berufung auf einschlägige Fachliteratur ausgeführt hat (RZ 1991/12) - , daß solche Berechnungen nur statistisch begründete Wahrscheinlichkeitsgrade ergeben und somit schon rein theoretisch mit gewissen Unsicherheiten behaftet sind: So führe etwa Herbich (in RZ 1978, 124) Fälle an, in welchen ungeachtet eines serologischen Ausschlusses eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit bis zu 99,97 % ermittelt wurde, und mahnt deshalb bei Beurteilung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit zu größter Vorsicht.

Das Gericht zweiter Instanz hat die Mängelrüge des Beklagten unter Berufung auf Szilvássy (in ÖA 1990, 31, 34) damit erledigt, die DNA-Analyse sei in der Wissenschaft noch nicht ausreichend anerkannt: Der Autor gelangte dort zum Schluß, die DNA-fingerprinting-Methode sei zwar für die Feststellung einer Vaterschaft bzw deren Ausschluß deshalb ein weiteres wertvolles Verfahren, weil es Polymorphismen auf dem Niveau der genetischen Substanz selbst verwende, die Internationale Gesellschaft für forensische Hämogenetik meine aber, bevor diese Methode zum Einsatz komme, sollten noch einige Bedingungen erfüllt werden, wie etwa die Durchführung von Familien- und Populationsstudien. Auch sollten die beim Fingerprinting verwendeten Sonden allgemein zugänglich sein, damit zwei Gutachter die Methode anwenden bzw überprüfen könnten; überdies sollten alle übrigen Methoden vorher ausgeschöpft worden sein.

Gunzer schildert in RZ 1989, 241 ff, unter dem Titel „DNA-fingerprinting, der 100 %ig sichere Vaterschaftstest“, das wesentliche dieser Methode; sie gelangt zum Ergebnis, der herkömmliche Bluttest könne die Vaterschaft bloß ausschließen, mit der neuen Methode könne dagegen die Vaterschaft mit absoluter Sicherheit bestätigt oder ausgeschlossen werden.

In der vom Beklagten zur Stützung seines Beweisantrags vorgelegten Informationsbroschüre des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern wird zunächst der Ablauf einer DNA-Anaylse erläutert und ausgeführt, das DNA-Profil des Menschen werde ausschließlich aus jenen Abschnitten des DNA-Moleküls erstellt, die zwischen den eigentlichen Genen liegen. Es sei deshalb - wie ein Fingerabdruck - wertneutral. Seine Einzigartigkeit liege darin begründet, daß jede Person - mit Ausnahme eineiiger Zwillinge - eine unterschiedliche Abfolge der chemischen Bausteine aufweise. Die DNA (Desoxyribonukleinsäure) des Kindes stamme je zu Hälfte aus der Eizelle der Mutter und der Samenzelle des Vaters, so daß es von jedem genetischen Merkmal zwei Kopien - eine von der Mutter und eine vom wahren biologischen Vater - besitze. Da sich die Kopien mittels DNA-Analyse auf einem Röntgenfilm als Banden darstellten, könne die Vererbung der genetischen Merkmale von den biologischen Eltern auf das Kind direkt sichtbar gemacht werden. Zunächst seien die Bandenmuster von Kind und Mutter zu vergleichen, wodurch jene Bande des Kindes identifiziert werden könne, die von der Mutter herrührt; jene Bande, die nicht von der Mutter stammt, müsse daher zwingend vom wahren biologischen Vater vermittelt worden sein. Besitze der Belangte diese Bande nicht, sei er als Erzeuger auszuschließen, besitze er sie indessen, sei er der Erzeuger des Kindes. Solche Bandenvergleiche würden an zumindest vier voneinander unabhängigen vererbten genetischen Merkmalen durchgeführt; bestehe an allen genetischen Merkmalen eine Übereinstimmung zwischen einer Bande des Belangten und jener des Kindes, die zwingend vom wahren biologischen Vater stammen müsse, werde in der Regel eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von mehr als 99,99 % erreicht. Die Vaterschaft des Belangten sei damit praktisch erwiesen. Im umgekehrten Fall - finde sich also an zumindest zwei Merkmalen keine Übereinstimmung - sei dessen Vaterschaft mit Sicherheit auszuschließen.

Zu einer wesentlich kritischeren Betrachtung der DNA-Methode gelangen Hummel-Mutschler in NJW 1991, 2929 ff: Wohl gehe aus einem Fingerprint-Test dann ein glaubwürdiger Vaterschaftsausschluß hervor, wenn beim Kind mehrere Banden in Erscheinung treten, die weder beim Belangten noch bei der Mutter zu beobachten sind, doch dürfe nicht unerwähnt bleiben, daß beim Kind gelegentlich mutativ entstandene „Extrabanden“ Verwirrung stifteten; sie träten - je nach verwendeter Sonde - mit Häufigkeiten zwischen unter 1 % und mehreren Prozenten in Erscheinung. Die „Extrabanden“ ergäben keinen Ausschluß des Putativvaters, sofern ihr mutativer Ursprung ausreichend gesichert sei. Mit der DNA-Analyse ermittelte Ausschlußkonstellationen - und zwar sowohl mit Multilocus- als auch mit Singlelocus-Sonden - seien daher kritisch zu bewerten, vor allem dann, wenn in dem betreffenden Fall aus einem vorangegangenen Blutgruppen- und HLA-Gutachten ein hoher Wahrscheinlichkeitswert ermittelt wurde. Nach weiteren eingehenden Ausführungen zum Vaterschaftsbeweis gelangen die beiden Autoren schließlich u.a. zum Ergebnis, der positive Beweis der Vaterschaft beim DNA-Gutachten geschehe ebenso wie im serologischen Gutachten über einen Wahrscheinlichkeitswert; angesichts der noch bestehenden Probleme bei Technik und Auswertung sollten DNA-Begutachtungen zumindest noch nicht allgemein Anwendung finden, sondern auf Sonderfälle beschränkt bleiben, in welchen das serologische Gutachten zu keinem urteilsrelevanten Ergebnis führe.

Den kontroversiellen Meinungsstand zur humangenetischen Abstammungsbegutachtung beleuchtet auch die im FamRZ 1992, 275 ff, geführte Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung dieser Methode in der Gerichtspraxis.

Der deutsche Bundesgerichtshof mißt der DNA-Begutachtung vor allem die Funktion eines ergänzenden Verfahrens zu: In JNW 1991, 749, verweist er auf die von Vertretern der medizinischen Wissenschaft gegen diese Methode angemeldeten Zweifel, daß deren praktische Anwendbarkeit bereits ausreichend gesichert und zuverlässig sei; so werde auf Schwierigkeiten bei der Durchführung und auf technische Fehlerquellen hingewiesen und vor unkritischer Anwendung gewarnt, zumal eine zuverlässige biostatistische Auswertung derzeit noch nicht gewährleistet sei. Es bestehe aber weitgehende Einigkeit, daß die DNA-Analyse nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft jedenfalls als ergänzendes Verfahren neben den herkömmlichen Methoden angewendet werden könne. Es seien keine stichhältigen Gründe zu finden, diese Methode, die durch den hohen Polymorphismusgrad der verwendeten hypervariablen DNA-Abschnitte einerseits hohe Ausschlußchancen für Nichtväter und andererseits - bei fehlendem Ausschluß - eine hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeit begründe und damit gerade für die Abstammungsuntersuchung besonders effizient sein könne, von einer Anwendung in diesem Bereich generell auszuschließen.

Auch in der Entscheidung NJW 1991, 2961, = FamRZ 1991, 426, ging der Bundesgerichtshof zwar zunächst davon aus, herkömmliche serologische Gutachten könnten den Tatrichter auch ohne Ergänzung durch DNA-Analysen bei entsprechend hohen Wahrscheinlichkeitswerten in die Lage versetzen, die volle Überzeugung von der Abstammung des Kindes zu erlangen, doch könne auch bei noch so hohen Wahrscheinlichkeitswerten aufgrund der serologischen Begutachtung (in casu: 99,9996 %) nicht ausgeschlossen werden, daß die DNA-Analyse einen Ausschluß des Belangten von der Vaterschaft erbringe. Ob der DNA-Analyse bei dem Ergebnis der serologischen Untersuchung jede Eignung zur Feststellung eines Vaterschaftsausschlusses abzusprechen sei, müsse von den Tatsacheninstanzen notfalls mit sachverständiger Hilfe beurteilt werden.

Dieser Auffassung ist beizutreten: Ist es Ziel der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung, die größtmögliche Übereinstimmung mit den wahren Abstammungsverhältnissen zu erreichen, muß ein Maximum und Optimum an richterlicher Ermittlungstätigkeit gefordert werden (Hummel-Mutschler aaO 2931; vgl auch RZ 1991/12). Das muß dann aber auch für die Entscheidung über den Beweiswert wissenschaftlicher Methoden der Vaterschaftsfeststellung als eine von den Tatsacheninstanzen mit Hilfe sachverständiger Begutachtung zu lösende Aufgabe (vgl BGH, NJW 1991, 749, 751) gelten.

Dem Erstgericht lag ein Antrag des Beklagten auf Einholung eines DNA-Gutachtens zum Beweis des ihm mit Hilfe des serologischen Gutachtens mißlungenen Ausschlusses von der Vaterschaft vor; die biostatistische Vaterschaftswahrscheinlichkeit errechnete der gerichtsärztliche Sachverständige mit 95,5 %, so daß die Irrtumserwartung immerhin noch 4,5 % beträgt. Die DNA-Analyse ist selbst, wenn die von den Gegnern in den Vordergrund gerückten Zweifel in Rechnung gestellt werden, nach der dargestellten deutschen Rechtsprechung jedenfalls als ein die herkömmlichen wissenschaftlichen Methoden ergänzendes Verfahren anwendbar, weil sie nicht nur höchste Ausschlußchancen für Nichtväter, sondern, wenn der Belangte danach nicht auszuschließen ist, auch hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeitswerte vermittelt. Selbst wenn man weiters berücksichtigt, daß auch mit dieser Methode ein 100 %iger positiver Vaterschaftsbeweis nicht möglich ist (siehe nur die vorgelegte Informationsbroschüre: „....liegt in der Regel über 99,99 %....“), gelingt es doch mit Hilfe dieser Methode, einen voll vertrauenswürdigen Vaterschaftsausschluß zuwege zu bringen; lassen sich die Blutgruppen- und HLA-Analysen nicht beliebig ausdehnen, ist deren Untersuchungsumfang also limitiert, so kann man mit einer oder zwei Multilocus-Sonden sowie - allein oder zusätzlich - mit einer bis zu fünf und mehr Singlelocus-Sonden arbeiten; dabei besitzt eine der letzteren etwa die Ausschluß- und biostatistische Leistung eines wirkungsvollen Blutgruppensystems (Hummel-Mutschler aaO 2930).

Angesichts des nach der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung verbliebenen Irrtumsrisikos (4,5 %) kann im vorliegenden Fall aus der Sicht des Rechtsanwenders keineswegs von vornherein eine weitere Aufklärung - also der Ausschluß des Beklagten von der Vaterschaft oder umgekehrt, bei dessen Nichtausschluß, eine wesentliche Steigerung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit - ausgeschlossen werden. Ob das im vorliegenden Fall in der Tat zutrifft, kann nur von den Tatsacheninstanzen mit Hilfe naturwissenschaftlicher Begutachtung geklärt werden.

Die Vorinstanzen haben das ihnen aufgetragene pflichtgemäße Ermessen nicht voll ausgeschöpft, was im Abstammungsverfahren als Verfahrensmangel auch noch in dritter Instanz wahrgenommen werden kann (SZ 49/34 uva). Es bedarf daher einer Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens durch Vernehmung eines gerichtsärztlichen Sachverständigen - tunlichst eines Vertreters einer der Institute für gerichtliche Medizin einer inländischen Universität - über den Beweiswert der DNA-Analyse bzw ob deren Durchführung im konkreten Fall voraussichtlich zu einer weiteren Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts beitragen kann; bei Bejahung dieser Fragen wird ein solches Gutachten im erforderlichen Umfang einzuholen und danach erneut über das Klagebegehren zu entscheiden sein.

In Stattgebung der Revision des Beklagten ist daher dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens im aufgezeigten Sinn aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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