Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Prozeßkosten.
Text
Begründung
Die Stadt Wien ist Eigentümerin des Grundstückes 1460/19 (EZ 5723) KG Leopoldstadt. Die Klägerin ist Bestandnehmerin dieses Grundstückes. Am 14. Juli 1982 gab sie dem Beklagten mit Zustimmung der Stadt Wien eine Teilfläche dieses Grundstückes im Ausmaß von 64 m2 zur Errichtung eines Superädifikates in Miete. Der Klägerin war bekannt, daß der Beklagte auf diesem Grundstücksteil sein nach der Idee "Kugelmugel" in Katzelsdorf errichtetes Bauwerk, das er abtragen mußte, auf diesem Grundstücksteil aufstellen werde. Mit Unterstützung der Stadt Wien wurde dieses Bauwerk nach Wien transferiert und auf der in Bestand genommenen Fläche erneut aufgestellt. Dieses Superädifikat dient dem Beklagten als Maler und Architekten zu kulturellen und künstlerischen Zwecken. Die Klägerin kündigte dem Beklagten diese Grundfläche zum 31. Dezember 1988 auf. Sie brachte vor, der Bestandgegenstand unterliege nicht dem Mietrechtsgesetz.
Der in erster Instanz rechtsanwaltlich nicht vertretene Beklagte brachte u.a. vor, mit diesem Vertrag sollten zwingende Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes umgangen werden.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf. Da durch das Mietrechtsgesetz grundsätzlich die Raummiete geregelt werde, sei fraglich, ob das vorliegende Rechtsverhältnis überhaupt den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliege. Dies werde aber von Lehre und Rechtsprechung übereinstimmend bejaht. Gemäß § 30 Abs 1 MRG könne der Mietgegenstand dann aber nur aus wichtigen Gründen gekündigt werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Aufkündigung für wirksam erklärte und dem Räumungsbegehren stattgab. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige und die Revision zulässig sei. Die Grundstücksmiete zur Errichtung eines Geschäftsraumsuperädifikates falle durch analoge Anwendung in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes. Im vorliegenden Fall seien für den dem beklagten Künstler, dem nach eigenen Angaben Sponsoren für die Übersiedlung von "Kugelmugel" fehlten, über spontane Initiative des damaligen Wiener Kulturstadtrates nicht nur die sehr günstige Vermietung einer Grünfläche im Wiener Volksprater, sondern auch Sponsoren für die Übersiedlung gefunden worden. Damit habe der Beklagte seine Schöpfung, das bereits allgemein bekannte, nicht nur architektonische Kuriosum Kugelmugel, sondern damit auch seine Originalität und Philosophie in Wien darbieten können. Nach der Entstehungsgeschichte sei daher nicht die geschäftliche Nutzung der über der Grünfläche zu errichtenden Räume, sondern die Aufstellung, besser gesagt die Darbietung des Kunstwerkes Zweck des Vertrages gewesen. Die Vermietung von Freiflächen zur Ermöglichung der Aufstellung eines Kunstwerkes oder eines Denkmals, mögen diese auch zufällig zur Benutzung geeignete Hohlräume enthalten, falle wie jede andere Vermietung von Freiflächen nicht in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist berechtigt.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre, daß die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG analog auf Bestandverträge über Grundstücke anzuwenden sind, wenn nach dem Willen der vertragschließenden Parteien auf der Bestandfläche ein Superädifikat errichtet wurde, das als Wohnung oder Geschäftsraum dienen soll (MietSlg 38.485, 38.256, 37.223; SZ 58/25; SZ 57/194 ua; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 28 zu § 1 MRG; Schilcher in Korinek-Krejci, HBzMRG 53 ff). Die analoge Anwendung der Kündigungsschutzbestimmungen scheitert nicht daran, daß es sich im Gegensatz zur angeführten Vorjudikatur um einen Untermietvertrag handelt, fallen doch auch Untermietverhältnisse unter die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG.
Der Begriff des Geschäftsraumes im § 1 MRG ist weit gefaßt. Nach der beispielsweisen Aufzählung des Gesetzes fallen u.a. Werkstätten und Arbeitsräume darunter. Das Atelier eines akademischen Malers ist ein Geschäftsraum (MietSlg 3.761). Würde die im Raum ausgeübte Tätigkeit bloß eigenen privaten Zwecken (zB Ausübung eines Hobbys) dienen, läge allerdings ein Geschäftsraum nicht vor (MietSlg 23.227; Swoboda, Kommentar zum MG2 85). Es muß vielmehr im Sinn des § 1 Abs 2 KSchG eine auf Dauer angelegte Organisation bestehen, selbst wenn sie nicht auf Gewinn gerichtet wäre (Bernat in Korinek-Krejci aaO 105; Würth-Zingher aaO Rz 30). Das Erstgericht stellte nun zwar fest, daß der Beklagte das Haus zu "künstlerischen und kulturellen Zwecken" benützte; es hat aber nicht erörtert und festgestellt, ob diese vom Beklagten verfolgten Zwecke über seine Privatsphäre hinausgingen, vor allem aber, ob diese Art der Benützung vom Vertragszweck her bestimmt war (MietSlg 35.369, 34.371, 32.260 ua; Würth-Zingher aaO). Eine einseitige spätere Änderung der vereinbarten Verwendungsart durch den Mieter könnte aus einem Ausstellungsobjekt keinen dem Mietrechtsgesetz unterliegenden Geschäftsraum schaffen (vgl. MietSlg 35.369 mwN). Nach dem Inhalt des schriftlichen Vertrages war Zweck die Aufstellung des Superädifikates. Ob über das Aufstellen des Superädifikates hinaus nach dem Parteiwillen der damit geschaffene Innenraum des Superädifikates zu über Privatzwecke des Beklagten hinausgehende künstlerische und kulturelle Geschäftszwecke im Sinn des § 1 MG bzw. § 1 MRG dienen sollte, wird zu prüfen und festzustellen sein. Nur in diesem Fall unterläge das Untermietverhältnis den Kündigungsschutzbestimmungen des Mietrechtsgesetzes. Da die Vorinstanzen von anderen Rechtsansichten ausgehend diese erheblich scheinenden Feststellungen nicht getroffen haben, sind in Stattgebung der Revision ihre Urteile aufzuheben. Die Rechtssache ist gemäß § 510 Abs 1 ZPO an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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