Spruch:
Ein natürlicher Wasserablauf kann nicht Inhalt der Servitut des Wasserleitungsrechtes sein.
Entscheidung vom 25. Februar 1948, 1 Ob 58/48.
I. Instanz: Bezirksgericht Mistelbach; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien.
Text
Das Erstgericht gab dem auf Einwilligung in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Wasserabflusses und Durchleitung desselben von der Parzelle 599/54 des Gb. N. über den Rand der Parzelle 599/47, EZ. 320 Gb. N., u. zw. von der klägerischen Toreinfahrt bis zur Straße in der Breite von 1 m ob dem Grundstück 599/49, EZ. 320 Gb. N., als dienendem und ob dem Grundstück 599/54 ebenda als herrschendem Grundstück gerichteten Klagebegehren Folge.
Der Kläger brachte zur Begründung seines Begehrens vor, daß seine Parzelle 500/49 gegen das Einfahrtstor schräg abfalle, weshalb das Regenwasser seit jeher durch dieses Tor in die mit dem Beklagten gemeinsame Einfahrt und weiter auf die Straße abfließe. Die Beklagten hätten dieses Wasserabflußrecht bis zum heutigen Tage geduldet und erst am 7. Juli 1947, als große Niederschläge fielen, einen Damm in der Toreinfahrt errichtet, damit das Wasser von der klägerischen Parzelle nicht durch die Toreinfahrt abfließen könne. Sie weigerten sich, das klägerische Servitutsrecht anzuerkennen. Die Beklagten hatten die behauptete Ausübung eines Rechtes der Wasserableitung in Abrede gestellt. Das Erstgericht stellte auf Grund des vorgenommenen Augenscheines und der sonstigen Beweisergebnisse fest, daß wegen der natürlichen Bodengestaltung das Regenwasser durch das Tor und über das Grundstück der Beklagten in den Straßengraben abfließt und daß dieser Zustand seit über 30 Jahren unangefochten besteht. Es zog aus diesem Sachverhalt den rechtlichen Schluß, daß der Kläger die Dienstbarkeit des Wasserablaufes, bzw. Durchleitung des Wasserabflusses über die Parzelle der Beklagten (§ 497 ABGB.) ersessen habe, und gab darum dem Klagebegehren Folge.
Der Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, die erstgerichtlichen, von ihm übernommenen Feststellungen seien unbedenklich. Allein es sei in der Klage nicht behauptet, daß auch von den Klägern seit Menschengedenken in der angeführten Weise eine Durchleitung des Wasserablaufes vorgenommen und dadurch ein Durchleitungsrecht ersessen worden sei. Hiefür habe auch das Beweisverfahren nichts ergeben. Es handle sich um einen natürlichen Wasserablauf, der nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit sein könne. Letzteres treffe nur auf ein Durchleitungsrecht zu, für dessen Vorliegen aber die Voraussetzungen nicht festgestellt seien.
Die klägerische Revision hatte keinen Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:
Aber auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist vollkommen zutreffend.
Ein Servitut ist das dingliche Recht zur Benutzung einer fremden Sache. Sie verpflichtet den Eigentümer der dienenden Sache wohl zu keiner Leistung, setzt aber anderseits ein Tun auf Seite des Eigentümers der herrschenden Liegenschaft voraus, demnach einen Eingriff in fremde Eigentumssphäre, den ersterer ohne das Bestehen der Dienstbarkeit zu dulden nicht verpflichtet wäre, oder sie bemüßigt den Eigentümer der dienenden Liegenschaft zur Unterlassung der Nutzung seines eigenen Grundstückes in einer bestimmten Richtung. Stets also muß eine wirtschaftliche und rechtlich Beziehung zwischen den beiden Grundstücken hergestellt und geschaffen werden. Es ist nicht zur Begründung eines Servitutes hinreichend, daß durch die Einwirkung der Naturkräfte ohne jedes menschliche Tun oder Unterlassen eine solche Beziehung sich ergebe. Darum setzt auch § 489 ABGB. der das Recht der Dachtraufe regelt, voraus, daß der Eigentümer des herrschenden Grundstückes das Regenwasser auf das fremde Dach oder Grundstück frei oder durch Rinnen abfließen lasse. Dabei handelt es sich nicht um das Recht des natürlichen Abflusses, sondern um dessen Sammlung in Rinnen oder sonstige künstliche Ableitung, also um einen Eingriff in das fremde Eigentum. Für den natürlichen Wasserabfluß bedarf der Eigentümer keiner Dienstbarkeit (Klang I/2, S. 387). Dies gilt sinngemäß für die Ableitung oder Durchleitung des Regenwassers von einem ländlichen Grundstück auf das andere (Felddienstbarkeit der Wasserleitung, § 497 ABGB.), das allerdings dem Wesen der Sache nach sich in der Regel auf Nutz- oder Trinkwasser, nicht auf Regenwasser bezieht.
Die Ausführungen der Revision, die dahin gehen, wo schon die natürlichen Bodengestaltung den Wasserablauf bewirke, bedürfe es keines Beweises, daß die Kläger auch Anstalten getroffen haben, um für den Ablauf des Regenwassers über das Nachbargrundstück zu sorgen, verkennen also das Wesen der Dienstbarkeit.
Bedarf der Hauseigentümer somit auch keiner Dienstbarkeit zur Ermöglichung des natürlichen Ablaufes des Regenwassers, so kann der Nachbar dennoch, wie Klang, a. a. O. S. 387 hervorhebt, wenn er durch eine Dienstbarkeit nicht gebunden ist, auf seinem Gründe Vorkehrungen treffen, um den Ablauf fernzuhalten. Inwieweit ihm dies aus Gründen des öffentlichen Interesses verwehrt ist, regelt nicht das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, sondern das Wasserrechtsgesetz, § 35 des BGBl. II 1934, Nr. 316. Die Entscheidung solcher Streitigkeiten fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, sondern in jene der Wasserrechtsbehörde (§ 81 WRG.), denen die Regelung der natürlichen Abflußverhältnisse, hinsichtlich der auf dem Grundstück sich ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer vorbehalten ist.
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