Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 16.520,85 (darin S 1.501,89 Umsatzsteuer) und den Nebenintervenienten auf seiten der klagenden Partei die mit S 19.002,29 (darin S 1.727,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Nebenintervenienten mieteten mit Vertrag vom 7. Juli 1976 die im Haus Wien 1., Singerstraße 8/XIII, gelegenen Räume (ein Geschäftslokal im Parterre und einen Geschäftsraum im Hochparterre) zum Betrieb des Detailhandels mit Herrenbekleidung und Schuhen. Sie investierten in die Ausgestaltung des Geschäftslokals ca. S 500.000,--. Da die Nebenintervenienten auch noch in Wien 1., Wallnerstraße, ein Herrenmodengeschäft betrieben, das sie vergrößern wollten, beschlossen sie, das in den gemieteten Räumen betriebene Unternehmen für zwei Jahre zu verpachten. Die Pächterin führte das Geschäft unter der Geschäftsbezeichnung "Lemmon". Nach Ablauf der Pachtzeit im Jahre 1980 führten die Nebenintervenienten das Unternehmen weiter. Sie investierten einen weiteren Betrag von ca. S 500.000,-- und statteten das Geschäft mit einem rosa Marmorboden, einer Video- und Stereoanlage aus, bespannten die Wände des Lokals mit Seidenstoffen und brachten eine Spiegelverkleidung an. Als ein angestellter Verkäufer während der Hauptsaison kündigte, faßten die Nebenintervenienten den Entschluß, das Unternehmen neuerlich auf einige Zeit zu verpachten. Sie schalteten am 11. Dezember 1980 folgende Anzeige in die Tageszeitung Kurier ein: "1 Geschäftslokal, Nähe Kärntnerstraße, 25 m2 und 1. Stock 40 m2, Luxusausstattung, langfristig zu verpachten an Textil-, Leder- oder Pelzbekleidung ab 1. April 1981, S 28.000,-- monatlich". Die Beklagte, die in Wien, Neubaugasse, ein Damenmodengeschäft mit eigener Gewerbeberechtigung führte, trat mit dem Nebenintervenienten Karl M*** in Verbindung. Am 17. Dezember 1980 bzw. 13. Februar 1981 kam es zur Unterfertigung eines Vertrages, mit dem die Nebenintervenienten das am Standort Wien 1., Singerstraße 8/13, betriebene Unternehmen (Detailhandel mit Herren- und Damenbekleidung sowie Schuhen) an die Beklagte verpachteten (Pkt.I). Als Beginn des Pachverhältnisses war der 1. April 1981 vorgesehen (Pkt.VII), tatsächlich übernahm die Beklagte den Geschäftsbetrieb aber bereits Mitte Februar 1981. Als Pachtzins wurde für die Zeit vom 1. April 1981 bis 31. März 1982 ein Betrag von S 25.300,--, ab 1. April 1982 ein wertgesicherter Betrag von S 26.300,-- zuzüglich Umsatzsteuer und Heizkosten vereinbart (Pkt.II). Im Pkt.IV des Vertrages ist festgehalten: "Die Pächterin ist zum Betrieb des pachtgegenständlichen Unternehmens verpflichtet". Pkt.VII des Vertrages sieht vor, daß beide Vertragsteile auf eine Aufkündigung des Vertrages vor dem 31. März 1991 verzichten, daß das Vertragsverhältnis aber mit sofortiger Wirkung mittels eingeschriebenen Briefes zur Auflösung gebracht werden kann, wenn die Pächterin mit der Bezahlung des monatlichen Pachtschillings samt Wertsicherungs- und Umsatzsteuerbetrag länger als einen Monat im Rückstand ist und der Rückstand mit eingeschriebenem Brief unter Setzung einer achttägigen Nachfrist eingemahnt wurde. Die Beklagte betrieb das Unternehmen unter der Geschäftsbezeichnung "Bibi". Mit Wirksamkeit vom 1. April 1985 veräußerten die Nebenintervenienten das Unternehmen an den Kläger. Ab 1. April 1985 sollte der Pachtzins an den Kläger bezahlt werden, doch übernahm es der Nebenintervenient Karl M***, die Beträge namens des Klägers in Empfang zu nehmen.
In den vom Erstgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Beträge von S 37.777,-- s.A. (48 C 387/85), S 70.674,-- s.A. (48 C 448/85) und S 70.674,-- s.A. (48 C 547/85) zu bezahlen sowie das am Standort Wien 1., Singerstraße 8, Tür 13, betriebene gewerbliche Unternehmen zu räumen und geräumt zu übergeben (48 C 422/85). In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 14. Jänner 1986 dehnte der Kläger im führenden Akt (48 C 387/86) das Klagebegehren um S 70.674,-- s.A. und in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17. April 1986 um S 112.131,-- s.A. aus. Der Kläger führte zur Begründung aus, die Klägerin schulde an Pachtzins den Klagsbetrag. Das Vertragsverhältnis sei, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 23. Juli 1985 zur Zahlung des rückständigen Pachtzinses aufgefordert worden war, im Hinblick auf den Pachtzinsrückstand mit Schreiben vom 8. August 1985 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Der mit den Nebenintervenienten abgeschlossene Vertrag sei kein Pachtvertrag, sondern ein Untermietvertrag, weil ihr weder Betriebsmittel noch ein Warenlager, Kundenstock oder eine Gewerbeberechtigung übergeben worden seien. Demnach sei auch die getroffene Entgeltvereinbarung unwirksam. Sie habe in den letzten drei Jahren ein den gesetzlichen Bestandzins übersteigendes Entgelt bezahlt, so daß ein Mietzinsrückstand nicht bestehe. Der Erstrichter gab dem Räumungsbegehren statt und erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger den Betrag von S 351.330 s.A. zu bezahlen; das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies er ab.
Der Erstrichter stellte fest:
Nach Ablauf des Pachtvertrages im Jahre 1980 sei das Umternehmen von den Nebenintervenienten unter der Bezeichnung "Old Bond" geführt worden. Die Nebenintervenienten hätten in ihrem Unternehmen zu 70 % Herren- und zu 30 % Damenbekleidung geführt. Die Verpachtung des Unternehmens an die Beklagte sei nur für einige Zeit beabsichtigt gewesen. Der Beklagten sei von den Nebenintervenienten keine Handelsware übergeben worden. Die Beklagte habe die Nebenintervenienten bei Vertragsabschluß darauf hingewiesen, daß sie nur Damenbekleidung führen werde; der Anregung der Nebenintervenienten, auch Herrenbekleidung zu führen, habe sie nicht entsprochen; ebenso habe sie es abgelehnt, bereits vorhandene Ware in Kommission zu übernehmen oder von den Nebenintervenienten bestellte Ware entsprechend der Anlieferung zu bezahlen. Im Vertrag sei auch keine Regelung über die Zurverfügungstellung einer Gewerbeberechtigung seitens der Nebenintervenienten getroffen worden. Der Nebenintervenient Karl M*** sei davon ausgegangen, daß die Gewerbeberechtigung der Nebenintervenienten Gegenstand des Pachtvertrages sei. Nach Aufnahme des Geschäftsbetriebes habe die Beklagte der Gewerbebehörde die Verlegung des Standortes ihres Gewerbebetriebes angezeigt. Eine Stammkundenkartei habe nicht bestanden, da das Geschäft vorwiegend von Laufkundschaft frequentiert worden sei. Der Nebenintervenient Karl M*** habe im April 1985 der Beklagten mitgeteilt, daß das Unternehmen dem Kläger verkauft worden sei und der Pachtschilling an ihn zu leisten sei. Die Beklagte habe den Pachtzins für die Monate Juli 1985 bis April 1986 im Betrag von S 332.970,-- sowie das Heizkostenpauschale für Jänner 1986 bis April 1986 von monatlich S 2.040,-- nicht bezahlt. Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der zwischen den Nebenintervenienten und der Beklagten abgeschlossene Vertrag als Pachtvertrag zu qualifizieren sei. Entscheidend sei die vertraglich vereinbarte Betriebspflicht; diese Vertragsbestimmung könne auch nicht als Leerfloskel verstanden werden. Demgegenüber falle es nicht ins Gewicht, daß sich die Beklagte nicht zur Übernahme von Waren bereit gefunden habe und daß über die Zurverfügungstellung einer Gewerbeberechtigung keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen worden sei. Auch die Verlagerung des Angebotes nach Übernahme des Unternehmens sei nicht entscheidend. Die Aktivlegitimation des Klägers sei zufolge des Verkaufs des Unternehmens an ihn gegeben. Die Übergabe des Unternehmens sei durch Besitzanweisung erfolgt. An rückständigem Pachtzins samt Heizkostenpauschale hafte ein Betrag von S 351.330,-- aus. Im Hinblick auf den eigetretenen Pachtzinsrückstand sei auch das Räumungsbegehren gerechtfertigt. Die im Vertrag vorgesehene Mahnung sei jedenfalls durch die Klage erfolgt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes im Verfahren 48 C 422/85 S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht erklärte die Revision in den Verfahren 48 C 387/85, 48 C 448/85 und 48 C 547/85 als zulässig. Das Berufungsgericht billigte die Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung des Erstrichters.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung nicht zu.
Die Ausführungen zum Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs. 3 letzter Satz ZPO).
Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, lassen sich bei der Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht feste, allgemein anwendbare Regeln nicht aufstellen. Es kommt vielmehr auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles an (MietSlg. 37.125/7. 34.206, 32.162/23, 30.174, 28.128). Eine Unternehmenspacht liegt im allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des "good will" gehört (MietSlg. 37.125/7, 35.163, 34.206, 32.162/23, 30.174). Neben den Räumen muß dem Bestandnehmer im allgemeinen auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und seinem wirtschaftlichen Fortbestand gehört, also Betriebsmittel, Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeutet allerdings nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müßten. Weder die Beibringung der Gewerbeberechtigung durch den Bestandnehmer (vgl. MietSlg. 32.162/13, 28.118 f) noch das gänzliche oder teilweise Fehlen von Einrichtungsgegenständen (vgl. MietSlg. 34.205) muß gegen die Annahme eines Pachtverhältnisses sprechen. Fehlt es an einzelnen für die Unternehmensüberlassung charakteristischen Merkmalen, so kommt es darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (MietSlg. 37.125/7, 32.162/13, 25.113). Eines der wichtigsten Kriterien des Pachtvertrages stellt die Vereinbarung der Betriebspflicht dar (MietSlg. 37.125/7, 34.206, 32.262/13, 24.128; Klang in seinem Komm.2 V 28; Ehrenzweig, System2 II/1, 434). Es muß ein wirtschaftliches Interesse des Bestandgebers an der kontinuierlichen Weiterführung des übergebenen Unternehmens bestehen (MietSlg. 37.125/7, 34.204, 32.262/63, 29.334). Wird etwa ein für den Unternehmenszweck noch gar nicht eingerichteter Raum in Bestand gegeben, liegt grundsätzlich bloße Raummiete vor, auch wenn eine Betriebspflicht vereinbart wurde (MietSlg. 32.162/23, 28.128). Die Vereinbarung über die Betriebspflicht darf keine Leerfloskel sein, der kein echtes Substrat zugrundeliegt. (MietSlg. 29.334, 25.316). Auf der Grundlage dieser ständigen Rechtsprechung ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zu billigen. Da der Beklagten weder ein Warenlager noch auch ein fester Kundenstock übergeben wurde und die Zurverfügungstellung der Gewerbeberechtigung durch die Nebenintervenienten nicht erwiesen ist, kommt, wie schon das Berufungsgericht erkannte, der vereinbarten Betriebspflicht entscheidende Bedeutung zu. Nach der vom Erstgericht getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellung hatten die Nebenintervenienten die Absicht, das Unternehmen "einige Zeit" zu verpachten, was, wie der in Pkt.VII des Bestandvertrages vereinbarte Kündigungsverzicht für die Zeit bis 31. März 1991 zeigt, als längerfristige Verpachtung gedacht war. Daß die Nebenintervenienten den Geschäftsbetrieb aber keinesfalls mehr selbst weiterführen wollten, ist nicht festgestellt.
Die Beklagte macht im wesentlichen geltend, daß der vereinbarten Betriebspflicht keine Bedeutung zukomme, weil von einer Unternehmensfortführung im Hinblick auf die den Nebenintervenienten bei Vertragsabschluß bekanntgegebene Absicht der Änderung des Unternehmensgegenstandes nicht gesprochen werden könne. Dieser Ansicht ist jedoch nicht beizupflichten. Vor allem ist aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes MietSlg. 21.137 für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen. In dieser Entscheidung wurde ausgesprochen, daß dann, wenn bloß die Geschäftsräume und die Gewerbeberechtigung in Bestand gegeben und weder ein Warenlager noch ein Kundenstock übergeben wurde und der Bestandnehmer ein Unternehmen betreibt, dessen Gegenstand wesentlich vom Gegenstand des Unternehmens des Bestandgebers verschieden ist, ein Mietvertrag über Geschäftsräume und keine Unternehmenspacht vorliegt. Nach den getroffenen Feststellungen betrieben die Nebenintervenienten ein Detailgeschäft, in dem zu 70 % Herrenmode und zu 30 % Damenmode verkauft wurde. Die Beklagte hatte die Absicht, den Schwerpunkt des Warenangebots zu verlagern und ausschließlich Damenmoden zu führen. Von einer durchgreifenden Branchenverschiedenheit, bei der die vereinbarte Betriebspflicht eine bloße Leerfloskel wäre, kann dann nicht gesprochen werden. Den Nebenintervenienten war offenbar daran gelegen, daß am Standort ein Geschäft der gleichen Branche weitergeführt wird; vielleicht kam ihnen auch die Verlegung des Schwergewichts auf Damenmode nicht ungelegen; wesentlich war ihr Interesse, daß die Beklagte im Rahmen der ihnen erteilten Gewerbeberechtigung verblieb. Unter diesen Umständen kann entgegen der Ansicht der Revisionswerberin von einer Kontinuität des Geschäftsbetriebes ausgegangen werden. Daß die Beklagte den Geschäftsbetrieb offenbar auf Grund ihrer eigenen Gewerbeberechtigung fortführte, steht dann der Annahme einer Unternehmenspacht nicht entgegen. Ebensowenig ist entscheidend, daß ein fester Kundenstock nicht übergeben wurde; ein solcher bestand nicht; immerhin war aber zumindest für Damenmoden eine bekannte Adresse vorhanden, was mit zum "good will" gehört. Die Aktivlegitimation des Klägers ist im Hinblick auf die festgestellte Unternehmensveräußerung an ihn auch dann zu bejahen, wenn ein sachenrechtlicher Traditionsakt durch Besitzanweisung nicht erfolgt sein sollte. Diese ist im übrigen schon durch die Nebenintervention ausreichend dargetan.
Zur Höhe der Bestandzinsforderung enthält die Revision keine
Ausführungen.
Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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