OGH 1Ob574/94(1Ob575/94)

OGH1Ob574/94(1Ob575/94)22.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Edith P*****, vertreten durch Dr.Werner Schwind, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Elisabeth B*****, 2. Lydia S*****, 3. Isabella H*****, alle vertreten durch Dr.Gerhard Benn-Ibler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zuhaltung eines Mietvertrages (Streitwert S 150.000,--) und Unterfertigung von Bauplänen und einer Vollmacht (Streitwert S 150.000,--) aus Anlaß der Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 22.Februar 1994, GZ 41 R 74/94-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15.Oktober 1993, GZ 49 C 136/92-12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die angefochtene Entscheidung durch den Ausspruch zu ergänzen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt.

Text

Begründung

Die Klägerin brachte vor, daß sie Mieterin eines Gasthauslokales samt Nebenräumen in dem im Eigentum der Beklagten stehenden Haus sei. Der unmittelbare Eingang zum Mietobjekt erfolge von einem Hof aus, dessen Eingänge zu beiden Seiten in den jeweils vorbeiführenden Straßen liegen. Die Eingangstore seien bisher in der Zeit von 7,30 Uhr bis 23 Uhr offengehalten worden, nunmehr - seit die Klägerin den Gasthausbetrieb auch am Wochenende führen wolle - sei vom Liegenschaftsverwalter angekündigt worden, die Tore in der Zeit von 21 Uhr bis 7 Uhr versperrt zu halten. In dem Hofraum befinde sich auch der sogenannte "Schanigarten" des Gastgewerbebetriebes. Die Klägerin habe Teile des Vorgartens erneuert. Die Beklagten seien nicht bereit, die Einreichpläne für die dazu erforderliche baubehördliche Bewilligung zu unterfertigen. Die Klägerin begehrte daher, die Beklagten schuldig zu erkennen, der Klägerin, ihren Angestellten und den Gästen des Restaurants den ungehinderten Zutritt zum Betrieb während der Betriebszeiten von 7,30 Uhr bis 23 Uhr zu ermöglichen und den in dreifacher Ausfertigung vorgelegten einen integrierenden Urteilsbestandteil bildenden Einreichplan sowie die Vollmacht des bauausführenden Architekten zu fertigen.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und beantragten dessen Abweisung. Der Bestand eines Mietvertrages werde außer Streit gestellt. Die Klägerin sei aufgrund des Vertrages nicht berechtigt, das Lokal an Wochenenden bis 23 Uhr offenzuhalten. Die Beklagten seien zudem aufgrund von Verwaltungsvorschriften über die Haustorsperre im Gebiet der Stadt Wien verpflichtet, die Haustore in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr versperrt zu halten. Die von der Klägerin beabsichtigte Bauführung bedürfe der Genehmigung des Bundesdenkmalamtes und seien darüber hinaus die Beklagten zu einer Zustimmung zum Erweiterungsbau nicht verpflichtet, weil es sich dabei nicht um ein halb-permanentes Bauwerk im Sinne des Mietvertrages handle. Zudem sei ein gleichlautendes Begehren bereits rechtskräftig abgewiesen worden.

Das Gericht erster Instanz erkannte die Beklagten schuldig, den Einreichplan und eine bestimmt bezeichnete Vollmacht zu unterfertigen. Das weitere Klagebegehren der Gewährung des ungehinderten Zutrittes zum Lokal während der Betriebszeiten von 7,30 Uhr bis 23 Uhr wies es ab.

Während der klagsstattgebende Teil dieses Urteiles in Rechtskraft erwuchs, änderte das Gericht zweiter Instanz infolge Berufung der Klägerin den abweislichen Teil dahin ab, daß es die Beklagten auch schuldig erkannte, der Klägerin, ihren Angestellten und den Gästen des Restaurants den ungehinderten Zutritt während der Betriebszeiten von 7,30 Uhr bis 23 Uhr zu ermöglichen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei und begründete diesen Ausspruch damit, daß Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu klären gewesen seien. Weder aus dem Spruch noch aus der Begründung der Entscheidung ist zu entnehmen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt.

Aus Anlaß der außerordentlichen Revision der Beklagten ist folgendes zu erwägen:

Rechtliche Beurteilung

Besteht der Entscheidungsgegenstand, wie hier, nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so erfordert dies gemäß § 500 Abs.2 Z 1 ZPO den Ausspruch, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 50.000,-- übersteigt, zumal davon abhängt, ob die Revision gemäß § 502 Abs.1 ZPO zulässig oder gemäß dem nachfolgenden Abs.2 jedenfalls unzulässig ist. Dieser Ausspruch wird durch die vom Kläger gemäß § 56 Abs.2 JN vorgenommene Angabe des Wertes des Streitgegenstandes nicht ersetzt. Die entsprechende im § 500 Abs.2 ZPO idF der ZVN 1983 enthaltene Regelung fehlt zwar im § 500 ZPO in der hier anzuwendenden Fassung der WGN 1989. Im § 500 Abs.3 ZPO sind nunmehr aber jene Bestimmungen angeführt, die bei dem Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes sinngemäß anzuwenden sind. Da hiezu § 56 Abs.2 JN nicht gehört, ist die Rechtslage in dem erörterten Punkt gegenüber der ZVN 1983 unverändert geblieben (3 Ob 1035/92).

Es liegt auch kein Fall des § 502 Abs.3 Z 2 ZPO vor. Danach ist die Revision streitwertunabhängig zulässig in den unter § 49 Abs.2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages entschieden wird. Diese gesetzliche Regelung bezweckt alle Streitigkeiten, in denen auf die beschriebene Weise ein Verlust des Bestandobjekts droht, ohne Rücksicht auf den Streitwert jedenfalls revisibel zu machen. Durch die Formulierung "wenn dabei" wird ausgedrückt, daß unter die Ausnahme von der wertmäßigen Revisionsbeschränkung nicht nur der Ausspruch über die Kündigung usw. selbst fällt, sondern auch die gleichzeitige Entscheidung über andere Ansprüche, soweit sie unter § 49 Abs.2 Z 5 JN (Streitigkeiten aus dem Bestandverhältnis) fallen, also etwa über einen Anspruch auf Zahlung (rückständigen) Mietzinses (Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzennovelle 1989, ÖJZ 1989, 743, hier: 747; 1 Ob 562/93).

Im gegenständlichen Fall ist das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrages nicht Entscheidungsgegenstand. Das Begehren des Klägers ist ausschließlich auf bestimmtes angeblich aus dem Mietvertrag ableitbares Tun der Beklagten gerichtet. Ein Zusammenhang mit Fragen des Bestehens oder Nichtbestehens eines Bestandvertrages (vgl. hiezu 5 Ob 512, 1542/93) ist nach der Aktenlage nicht erkennbar.

Zur Beurteilung der Anfechtungszulässigkeit bedarf es daher eines Ausspruches des Berufungsgerichtes über den Wert des seiner Entscheidung zugrundeliegenden Entscheidungsgegenstandes. Dem Gericht zweiter Instanz war daher die Berichtigung (Ergänzung) seiner Entscheidung aufzutragen (EvBl. 1984/15; MietSlg. 35.814; EFSlg. 49.358; 3 Ob 1035/92).

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