Spruch:
Bekämpfung der durch das Berufungsgericht ausgesprochenen Zulassung der Nebenintervention in der Revision.
Die Kindesmutter hat im Vaterschaftsprozeß kein rechtliches Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreites.
Entscheidung vom 14. September 1955, 1 Ob 565, 566/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Ried im Innkreis; II. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis.
Begründung:
Das Erstgericht erkannte, daß der Beklagte als Vater des am 1. November 1954 von Katharina Sch. außer der Ehe geborenen Klägers anzusehen und schuldig sei, ihm beginnend vom 7. Jänner 1955 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 150 S und die Kinderbeihilfe zu bezahlen. Zugleich faßte das Erstgericht den Beschluß, die Nebenintervention der Kindesmutter auf der Seite des Klägers zurückzuweisen. Der außerehelichen Mutter stehe kein rechtliches Interesse im Sinne des § 17 ZPO. im Verfahren ihres Kindes wegen Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes zu, sondern sie sei nur aus verwandtschaftlichen, wirtschaftlichen und Pietätserwägungen am Prozeßausgang interessiert. In der Sache selbst stellte das Erstgericht fest, daß der Beklagte mit der Kindesmutter in der Zeit zwischen dem 20. Februar und Mitte Dezember 1954 (also auch innerhalb der kritischen Zeit) intime Beziehungen unterhalten habe, wobei es wöchentlich etwa dreimal zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Auf Grund der ärztlichen Gutachten könne der Beklagte als Vater des Klägers nicht ausgeschlossen werden.
Infolge Berufung des Beklagten gegen das erstgerichtliche Urteil bestätigte es das Berufungsgericht. Hingegen gab es dem Rekurs der Nebenintervenientin gegen die Zurückweisung der Nebenintervention Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Zurückweisungsantrag des Beklagten abgewiesen wurde. Durch die Entscheidung des Vaterschafts- und Unterhaltsprozesses werde die Privatrechtssphäre der Kindesmutter berührt, denn vom Ausgang des Verfahrens hänge es ab, welche Verpflichtungen der Mutter oblägen, zumal sie subsidiär zum Unterhalt ihres Kindes verpflichtet sei. In der Sache selbst übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen und rechtlichen Schlußfolgerungen des Erstgerichtes.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nur so weit Folge, daß der erstgerichtliche Beschluß auf Zurückweisung der Nebenintervention der Kindesmutter wiederhergestellt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Was den Revisionsrekurs des Beklagten betrifft, richtet er sich gegen eine Entscheidung, durch die die Nebenintervention der Kindesmutter für zulässig erklärt worden ist. In einem solchen Fall ist ein abgesondertes Rechtsmittel nach § 18 Abs. 4 ZPO. ausgeschlossen, gleichgültig, ob der Beschluß in erster oder in zweiter Instanz gefällt wurde (JBl. 1954 S. 360, ZBl. 1930 Nr. 229).
Gemäß § 515 ZPO. kann aber in dem Falle, in welchem gegen einen Beschluß ein abgesondertes Rechtsmittel versagt ist, derjenige, der sich durch die Entscheidung beschwert erachtet, seine Beschwerde mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel zur Geltung bringen.
Das nächstfolgende zulässige Rechtsmittel war aber im vorliegenden Falle die von der beklagten Partei erhobene Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes. Daß der Rechtsmittelwerber außer der Revision in der Hauptsache daneben noch einen Revisionsrekurs gegen die Entscheidung über die Zulassung der Nebenintervenientin eingebracht hat, schlägt nicht fehl, da es sich bloß um eine unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels handelt. Der Revisionsrekurs war daher im Rahmen der Revision zu erledigen.
Der Revision kommt in diesem Punkte auch Berechtigung zu.
Mit der Frage, ob in einem Paternitätsprozeß die Kindesmutter als Nebenintervenientin zuzulassen ist, hat sich sowohl die Rechtsprechung wie die Lehre befaßt.
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung GlUNF. 6422 diese Frage unter Hinweis auf die vergleichenden Bestimmungen der §§ 139, 141, 143, 144, 145, 154, 730, 731, 732 und 735 einerseits und §§ 155, 166, 167, 168, 754, 756 ABGB. andererseits verneint.
Dagegen nimmt Neumann in seinem Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, 4. Aufl. I S. 452, Stellung; er vertritt die Ansicht, daß sich aus den angeführten Bestimmungen der obzitierten Paragraphen das Gegenteil ergebe.
In der Entscheidung PvBl. 1937 Nr. 1052 führt das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien aus, daß der Kindesmutter im Vaterschaftsprozeß ein rechtliches Interesse zugebilligt werden müsse, weil bei Abweisung des Klagebegehrens die Verbindlichkeit zur Leistung des Unterhaltes auf die Kindesmutter falle.
Demgegenüber stellt sich Pollak in seinem System des österreichischen Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. I S. 125, auf den Standpunkt, daß der Kindesmutter ein rechtliches Interesse im Sinne des § 17 ZPO. abzusprechen sei, da es sich bei der Kindesmutter im Vaterschaftsprozeß nur um wirtschaftliche Interessen handle. Auch der Oberste Gerichtshof schließt sich dieser letzteren Meinung an. Wenn auch die Bestimmung des § 166 Abs. 2 ABGB. es zur vorzüglichsten Pflicht des Kindesvaters statuiert, für den Unterhalt des außerehelichen Kindes zu sorgen, so ist in dieser Gesetzesstelle auch schon die Pflicht der Kindesmutter zur Unterhaltsleistung statt und neben dem Kindesvater verankert. Es kann daher nicht gesagt werden, daß die Kindesmutter im Paternitätsprozeß ein rechtliches Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreites hat, da ihre Interessen rein wirtschaftlicher Natur sind. So wurde auch in der Entscheidung ArbSlg. 5624 das rechtliche Interesse der Ehegattin in einem Räumungsprozeß, der gegen den Ehemann lief, verneint, da, wenn auch der Anspruch auf Unterhalt der Ehefrau die Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses umfasse, der Gattin doch kein Recht an der Wohnung zustehe, sondern sie durch den Räumungsprozeß nur in ihren wirtschaftlichen Interessen getroffen sei.
Im übrigen ergibt sich die Richtigkeit dieser Ansicht aus folgenden Erwägungen: ein rechtliches Interesse im Sinne des § 17 ZPO. hat nur derjenige, der unmittelbar durch den Ausgang eines anhängigen Rechtsstreites in seiner Rechtssphäre getroffen wird, wie z. B. der Untermieter, der dem Kündigungsprozeß gegen seinen Hauptmieter beitritt. In diesem Falle wirkt das der Kündigung stattgebende Urteil auch gegen den Untermieter.
Diese Voraussetzungen sind aber durch den Ausgang eines Paternitätsprozesses bei der Kindesmutter nicht gegeben. Nicht der Ausgang des die Vaterschaft verneinenden Urteiles greift unmittelbar in die Rechtssphäre der Kindesmutter ein, da nur festgestellt wird, daß der Beklagte nicht als Vater anzusehen ist und keine Alimente zu leisten hat, sondern das Urteil wirkt nur mittelbar, insofern die Kindesmutter gemäß § 166 Abs. 2 ABGB. nunmehr allein zur Unterhaltsleistung verpflichtet ist. Ist der die Zulassung als Nebenintervenient Beantragende nur mittelbar durch den Ausgang des Rechtsstreites betroffen, kann von einem rechtlichen Interesse im Sinne des § 17 ZPO. nicht mehr gesprochen werden.
Aus diesen Erwägungen war daher in der Frage der Zulassung der Nebenintervenientin der Revision Folge zu geben und in diesem Punkte der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.
In der Sache selbst bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes.
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