Spruch:
Bei Bezahlung einer Nichtschuld ist auch der gutgläubige Empfänger zur Rückzahlung verpflichtet.
Entscheidung vom 17. Jänner 1962, 1 Ob 5/62.
I. Instanz: Bezirksgericht Mödling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Von den zwei Hauptbegehren und den zwei Eventualbegehren des Klägers ist nur mehr das zweite Hauptbegehren offen. Mit diesem begehrt der Kläger von der Beklagten die Bezahlung von 2700 S samt 4% Zinsen seit 7. Juli 1961.
Unbestritten ist, daß der Kläger und die Beklagte miteinander verheiratet waren, daß ihre Ehe mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien 8 Cg 127/60 am 17. Mai 1960 rechtskräftig geschieden wurde und daß sie anläßlich der Scheidung einen Unterhaltsvergleich geschlossen haben, wonach sich der Kläger bis einschließlich 31. Mai 1962 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 450 S an die Beklagte verpflichtet hat. Unbestritten ist auch, daß der Kläger aufgrund dieses Vergleiches der Beklagten für die Zeit vom 1. Oktober 1960 bis 31. März 1961 an Unterhalt 2700 S bezahlt hat.
Diesen Betrag verlangt der Kläger, gestützt auf § 1431 ABGB., von der Beklagten zurück, weil diese Unterhaltsleistungen zu Unrecht erfolgt seien. Die Beklagte habe in dieser Zeit eine Lebensgemeinschaft mit Otto D. geführt, der Kläger habe die Zahlungen an Unterhalt in der Zeit vom Oktober 1960 bis März 1961 aus einem Rechtsirrtum geleistet, weil er nicht wußte, daß durch die Eingehung der Lebensgemeinschaft die Unterhaltsleistung an die Beklagte entfallen sei. Im übrigen habe er von der Lebensgemeinschaft der Beklagten mit Otto D. nichts gewußt. Die Beklagte hat in erster Instanz nur eingewendet, daß dem Kläger die Tatsache ihrer Lebensgemeinschaft mit Otto D. bekannt war und daß der Kläger deshalb die bezahlten Unterhaltsbeträge nicht zurückfordern könne.
Das Erstgericht hat festgestellt, daß zwischen der Beklagten und Otto D. von Anfang Oktober 1960 bis 7. April 1961 eine Lebensgemeinschaft bestand, daß der Kläger seit Herbst 1960 (im Ersturteil heißt es auf S. 81 vermutlich infolge eines Hörfehlers beim Diktat "seit März 1960", doch ergibt sich aus S. 84 des Ersturteils, daß es richtig "seit Herbst 1960" heißen soll), von dieser Lebensgemeinschaft Kenntnis hatte aber der Meinung war, daß er trotz dieser Lebensgemeinschaft auf Grund des geschlossenen Vergleiches Unterhaltsleistungen an die Beklagte erbringen müsse, ferner, daß der Kläger nicht wußte, daß der Unterhaltsanspruch der Beklagten für die Dauer ihrer Lebensgemeinschaft mit Otto D. geruht hätte. Das Erstgericht hat auf Grund dieser Feststellungen unter Hinweis auf § 1431 ABGB. dem zweiten Hauptbegehren des Klägers stattgegeben und die Beklagte zur Bezahlung von 2700 S samt 4% Zinsen seit 7. Juli 1961 verurteilt.
Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten gegen diesen Zuspruch von 2700 S s. A. an den Kläger Folge gegeben und unter Rechtskraftvorbehalt das Ersturteil in diesem Umfang und im Kostenpunkte aufgehoben. Das Verfahren vor dem Erstgericht sei ergänzungsbedürftig. Den Kläger treffe nicht nur die Beweislast für die Zahlung einer Nichtschuld und für seinen Irrtum, sondern auch die Beweislast dafür, daß die Beklagte den strittigen Geldbetrag noch habe oder daß sie ihn schlechtgläubig verbraucht habe. Das Erstgericht hätte gemäß § 182 ZPO. darauf hinwirken müssen, daß tatsächliche Behauptungen und Beweisanträge über Redlichkeit und Unredlichkeit der Beklagten und über den Verbrauch der geleisteten Unterhaltsbeträge vorgebracht würden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der klagenden Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und wies die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist wohl richtig, daß im Judikat 33 neu = SZ. XI 86 ausgesprochen wurde, daß zu Unrecht von Bundesbahnpensionisten empfangene Pensionsbezüge nicht zurückgefordert werden können; wenn sie vom Empfänger gutgläubig verbraucht wurden. Es ist auch richtig, daß die Entscheidung SZ. XIII 262 diesen Rechtssatz auch auf die Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Unterhaltsbeträgen ohne nähere Begründung angewendet hat. Doch schon in der Entscheidung SZ. XIV 65 ist der Oberste Gerichtshof von dieser Rechtsansicht mit ausführlicher Begründung abgegangen und hat in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, daß § 1437 ABGB. nur anordne, daß auf die Rückstellung einer bezahlten Nichtschuld die Bestimmungen der §§ 329 - 338 ABGB. anzuwenden seien. § 329 ABGB. spreche dem gutgläubigen Besitzer eine Sache lediglich von der Verantwortung für den Gebrauch und Verbrauch, ja selbst für die Vertilgung der Sache frei, gebe aber keine Handhabe dafür, daß der redliche Besitzer sie auch behalten dürfe. Daß die Redlichkeit des Besitzes nicht vor der Rückstellung des irrtümlich Geleisteten zu bewahren vermöge, ergebe sich aus § 1447 ABGB., wonach der Schuldner in jedem Falle des Unterganges der geschuldeten Sache das, was er, um die Verbindlichkeit in Erfüllung zu bringen, erhalten habe, zwar gleich einem redlichen Besitzer, jedoch auf eine solche Art zurückstellen oder vergüten müsse, daß er aus dem Schaden des anderen keinen gewinn ziehe. Auch ergebe sich aus § 1431 ABGB., daß in dem Falle, daß infolge eines Irrtums eine Handlung geleistet worden sei, ein dem verschafften Nutzen angemessener Lohn verlangt werden könne. Ebenso sei nach § 1041 ABGB., wenn eine Sache ohne Geschäftsführung zum Nutzen eines anderen verwendet worden und wem die Rückstellung in Natur nicht mehr möglich sei, der Wert zu ersetzen, den die Sache zur Zeit der Verwendung gehabt habe, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden sei. Aus dem Zusammenhalt der §§ 1041, 1431 und 1447 ABGB. ergebe sich daher, daß auch der gutgläubige Empfänger einer Nichtschuld die empfangene Leistung zurückstellen müsse und daß es bei Bezahlung von Geldbeträgen nicht darauf ankomme, ob der Beklagte die empfangenen Beträge noch im Besitz oder schon verbraucht habe.
Der Oberste Gerichtshof findet sich nicht veranlaßt, von dieser angeführten Rechtsansicht neuerlich abzugehen.
Dazu kommt, daß der gutgläubige Verbrauch - selbst wem man der Rechtsansicht der überholten Entscheidung SZ. XIII 262 folgen würde - eine Tatsache wäre, die den grundsätzlich gegebenen Rückzahlungsanspruch des Klägers aufheben würde und daß daher diese den Klagsanspruch aufhebende Tatsache von der beklagten Partei schon in erster Instanz eingewendet und unter Beweis gestellt werden müßte, weil § 1431 ABGB. den dort normierten Rückforderungsanspruch keineswegs von der Behauptung und vom Beweis des Klägers abhängig macht, daß die zurückgeforderte Sache noch im Besitz der beklagten Partei ist oder von dieser schlechtgläubig verbraucht wurde. Im Gegenteil, der Schlußsatz dieser Gesetzesstelle gibt, wem eine Handlung ohne Rechtsgrund erbracht wurde (die nicht zurückgefordert werden kann) einen Anspruch auf einen dem verschafften (und nicht dem noch vorhandenen) Nutzen angemessenen Lohn.
Die Rechtssache ist daher auch hinsichtlich des zweiten Hauptanspruches spruchreif; dem Rekurs des Klägers war sohin stattzugeben und wie im Spruch zu entscheiden.
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