OGH 1Ob560/88

OGH1Ob560/8813.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhold H***, Pensionist, Gotschuchen 58, vertreten durch Dr.Bruno Pollak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Helmut D***, Gastwirt, Gotschuchen 8, vertreten durch Dr.Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert S 61.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 15. Jänner 1988, GZ. 1 R 606/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 21. September 1987, GZ. 16 C 2101/87-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen.

Text

Begründung

Der Beklagte betreibt in Gotschuchen Nr.8 ein Gasthaus. Er ließ dem Kläger durch seinen Vertreter Rechtsanwalt Dr.Franz Zimmermann mit Schreiben vom 21.1.1985 ein Lokalverbot aussprechen. Der Kläger begehrt den Ausspruch, daß das gegen ihn mit Schreiben des Rechtsvertreters des Beklagten Dr.Franz Zimmermann vom 21.1.1985 ausgesprochene Verbot, das Gastlokal in Gotschuchen zu betreten, rechtswidrig und unwirksam sei. Der Beklagte sei schuldig, jedwede Aufforderung an den Kläger, wegen des Lokalverbotes das Gasthaus zu verlassen oder nicht zu betreten, in Hinkunft zu unterlassen. Der Kläger führte zur Begründung des Begehrens aus, er sei Epileptiker und wegen dieser Krankheit in Frühpension. Er sei ledig und habe niemanden, der für ihn sorge, so daß er darauf angewiesen sei, in einem Gasthaus verpflegt und bewirtet zu werden. Der Beklagte betreibe in Gotschuchen Nr.8 auf Grund öffentlich-rechtlicher Erlaubnis das Gast- und Schankgewerbe. Er bringe damit der Allgemeinheit zum Ausdruck, daß grundsätzlich jeder Gast willkommen sei. Mit Schreiben seines Vertreters vom 21.1.1985 sei er, Kläger, aufgefordert worden, das Gastlokal des Beklagten nicht mehr zu betreten; für den Fall des Zuwiderhandelns sei ihm die Unterlassungsklage angedroht worden. Er erachte sich durch dieses Lokalverbot in seiner Ehre und seinem durch § 16 ABGB geschützten Persönlichkeitsrecht verletzt. Das Lokalverbot verstoße gegen die guten Sitten, weil es sich als Beleidigung darstelle, zumindest aber ein für ihn entwürdigendes Verhalten beinhalte. Das Lokalverbot gefährde sein Fortkommen und seine Lebensbedürfnisse. Er werde durch das Verbot in seinem Ansehen bei den Mitbürgern der Gemeinde beeinträchtigt.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe es sich zur Gewohnheit gemacht, in seinem Gastlokal Gäste zu belästigen, so daß er genötigt gewesen sei, die Hilfe der Gendarmerie in Anspruch zu nehmen. Daß der Kläger ein unverträglicher Mensch sei, ergebe sich auch daraus, daß er in Zivil- und Strafverfahren verwickelt gewesen sei. Eine strafgerichtliche Verurteilung des Klägers soll nur deshalb nicht erfolgt sein, weil er wegen seiner Krankheit als unzurechnungsfähig erklärt worden sei. Der Kläger benütze dies als Freibrief, um seine Umgebung zu schinkanieren. Es treffe auch nicht zu, daß sein Gastlokal das für den Kläger nächstgelegene wäre. In unmittelbarer Nähe der Wohnung des Klägers befinde sich der Gasthof "Brückenwirt", doch habe der Kläger auf Grund seines unzumutbaren Verhaltens auch dort Lokalverbot. Das ausgesprochene Lokalverbot verletze weder Persönlichkeitsrechte des Klägers noch verstoße es gegen die guten Sitten, es diene lediglich dem ungestörten Betrieb der Gastwirtschaft.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er stellte fest:

Das der Wohnung des Klägers nächstgelegene Gasthaus sei das Gasthaus Orasche ("Brückenwirt"); das Betreten dieses Gasthauses sei dem Kläger zufolge eines gerichtlich verfügten Lokalverbots nicht gestattet. Dem Kläger werde die Bedienung in nahezu allen Gasthäusern des unteren Rosentales mit Ausnahme des Gasthauses Schuschnig in St.Margarethen im Rosental verweigert. Das vom Kläger im Laufe der Jahre an den Tag gelegte Verhalten entspreche nicht dem eines ordentlichen Gasthausbesuchers. So habe er im Jahre 1975 durch mehrere Monate hindurch nicht nur die im Gasthaus des Beklagten beschäftigte Kellnerin, sondern auch die Ehegattin des Beklagten und Gäste belästigt. Wegen der vom Kläger provozierten Streitigkeiten mit anderen Gästen habe der Beklagte mehrmals Gendarmerieassistenz anfordern müssen. Nach einem Vorfall im Jahre 1976 habe der Kläger das Lokal des Beklagten neun Jahre nicht mehr aufgesucht. Beim Bezirksgericht Ferlach seien gegen den Kläger mehrere Verfahren anhängig gewesen, an denen er als Beschuldigter wegen seines Verhaltens in Gasthäusern beteiligt gewesen sei. Im Lokal des Beklagten habe der Kläger nie Speisen bestellt, sondern nur eine selbst mitgebrachte Jause zu sich genommen und einen Kaffee oder ein kleines Bier getrunken.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, ein Kontrahierungszwang des Beklagten sei mangels Monopolstellung zu verneinen. Der Kläger habe ein den Beklagten schädigendes Verhalten an den Tag gelegt. Ungeachtet seiner sozialen Situation sei das Verhalten des Klägers geeignet, den Betrieb des Beklagten zu stören und zu schädigen, so daß das gegen ihn ausgesprochene Lokalverbot gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt. Es erklärte die Revision für zulässig.

Das Berufungsgericht ließ die Berechtigung der gegen die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters gerichteten Ausführungen des Berufungswerbers dahingestellt. Das Klagebegehren sei auch dann gerechtfertigt, wenn die getroffenen Fwststellungen der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt werden. Der 41 Jahre alte Kläger sei Pensionist und gehe weit vor dem Erreichen des üblichen Pensionsalters keiner Beschäftigung nach. Eine solche Person werde von den Mitbewohnern einer kleinen Ortschaft, wie sie Gotschuchen darstelle, mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet; die öffentliche Meinung in einem solchen Fall tendiere dahin, den Krankheitsgrad zu bagatellisieren und im Frühpensionisten eher ein arbeitsscheues Element als einen tatsächlich vom Schicksal einer Krankheit Betroffenen zu sehen. Unter diesem Aspekt sei im vorliegenden Fall die Annahme gerechtfertigt, daß die Zurückweisung des Klägers als Gast im Lokal des Beklagten ein besonders negatives Werturteil über den Kläger beinhalte und als solches auch in der Bevölkerung vor allem deshalb gewertet werde, weil der Kläger dem Beklagten in den letzten neun Jahren keinen Anlaß zu einer solchen Maßnahme gegeben habe. Es werde dem Kläger dadurch auch jede Möglichkeit genommen, unter Beweis zu stellen, daß er sein seinerzeitiges Verhalten nun nicht mehr an den Tag legen werde und gewillt sei, sich einem ordentlichen Gasthausbesucher gemäß zu benehmen. Das Lokalverbot bedeute eine Diskriminierung des Klägers, dem die Chance genommen werde, sich wieder in die Gemeinschaft einer kleinen Ortschaft zu integrieren. Da das Lokalverbot ohne zeitlichen Zusammenhang mit Verfehlungen des Klägers ausgesprochen worden sei, erweise sich die Berufung als gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Beklagten kommt Berechtigung zu.

Der erkennende Senat hat in der Entscheidung vom 14.7.1986, SZ 59/130 = JBl.1987, 36, die auch die Vorinstanzen zur Begründung ihrer Rechtsansicht herangezogen haben, ausgeführt, daß die Bestimmungen der §§ 16 und 1330 Abs1 ABGB in Verbindung mit § 879 Abs1 und § 1295 Abs2 ABGB dahin zu verstehen sind, daß eine diskriminierende, den Betroffenen gegenüber anderen Personen zurücksetzende Abweisung oder Ausweisung durch den Inhaber eines öffentlich geführten Lokals jedenfalls dann sittenwidrig ist, wenn diesem eine monopolartige Stellung zukommt und daher ein weitgehender Kontrahierungszwang angenommen werden muß. Ganz allgemein darf ein Unternehmer, der die Leistung bestimmter Sachen bzw. Dienste öffentlich in Aussicht gestellt hat, einem zum angesprochenen Personenkreis gehörigen Interessenten die zur Deckung seines Normalbedarfes nötigen Leistungen und den sie vorbereitenden Vertragsabschluß nicht verweigern, sofern dem Interessenten zumutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen, es sei denn, der Unternehmer kann für die Weigerung sachlich gerechtfertigte Gründe ins Treffen führen.

Geht man von diesen rechtlichen Erwägungen aus, so kann dem Berufungsgericht darin beigepflichtet werden, daß dem Ausspruch eines Lokalverbots vor allem in einer kleinen Gemeinde diskriminierender Charakter zukommen kann. Die Annahme einer willkürlichen Herabsetzung könnte insbesondere dann naheliegen, wenn ein solches Verbot behinderten Personen gegenüber ausgesprochen wird, denen unter Umständen nur beschränkte Ausweichmöglichkeiten zur Deckung ihrer persönlichen Bedürfnisse offen stehen. Auch solchen Personen gegenüber ist aber die Ablehnung des Vertragsschlusses dann gerechtfertigt, wenn hiefür triftige Gründe bestehen. Es kann nicht übersehen werden, daß der Beklagte ein auf Gewinn gerichtetes Gewerbe betreibt. Er muß es nicht in Kauf nehmen, daß Gäste, mögen sie auch behindert sein, den Gewerbebetrieb stören. Auf ein den Gasthausbetrieb störendes Verhalten hat sich der Beklagte berufen. Gewiß werden im allgemeinen Vorfälle, die viele Jahre zurückliegen, den Ausspruch eines Lokalverbotes nicht mehr rechtfertigen, weil bei untadeligem Verhalten in der Zwischenzeit die Annahme einer Wesensänderung des Gastes gerechtfertigt sein kann. Zweifelhaft wird dies schon dann, wenn der Gast des Lokales wegen seines Verhaltens verwiesen wurde und es deshalb jahrelang nicht mehr besucht hat. Der Erstrichter hat aber (ergänzungsbedürftige) Feststellungen getroffen, die die Annahme einer Änderung im Verhalten des Beklagten auszuschließen scheinen. So stellte er fest, daß der Beklagte auf Grund eines gerichtlich verfügten Lokalverbotes das Gasthaus Orasche nicht mehr betreten dürfe. Es steht aber nicht fest, von wem, wann und aus welchen Gründen dieses Verbot verhängt wurde. Gegen den Beklagten waren beim Bezirksgericht Ferlach wegen seines Verhaltens in Gasthäusern auch Strafverfahren anhängig, ohne daß feststeht, welche Vorfälle Gegenstand der Verfahren waren. Im fortgesetzten Verfahren werden ergänzende Feststellungen in den aufgezeigten Richtungen zu treffen sein. Sollte der festzustellende Sachverhalt die Annahme der Gefahr rechtfertigen, der Kläger könnte sich auch im Gasthaus des Beklagten geschäftsschädigend verhalten, lägen gerechtfertigte Gründe für den Ausspruch des Lokalverbotes vor. Dem Beklagten kann nicht zugemutet werden, von seinem Hausrecht erst bei Vorliegen konkreter Vorfälle Gebrauch zu machen, wenn schon auf Grund des sonstigen Verhaltens des Klägers mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß er sich auch im Lokal des Beklagten störend verhalten werde. Eine abschließende rechtliche Beurteilung ist erst nach Ergänzung des Verfahrens möglich.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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