Spruch:
Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Dagegen wird dem Rekurs der klagenden Partei Folge gegeben. Der Beschluß des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die beklagte Partei schuldig ist, der klagenden Partei S 138.494,12 samt 9 % Zinsen seit 14.11.1989 sowie die mit S 65.557,60 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 7.059,60 Umsatzsteuer und S 23.200,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei beauftragte die beklagte Partei mit fernschriftlichem "Frachtauftrag" vom 26.5.1989 mit der Spedition und dem Transport von Waren von einem Unternehmen in Portugal zu einem in Treibach/Kärnten ansässigen Unternehmen frei Haus und verzollt. Zur Abwicklung der Zollformalitäten am Grenzübergang Arnoldstein am 5.7.1989 bediente sich die beklagte Partei - wie das im Speditionsgeschäft üblich ist - eines dort ansässigen Grenzspediteurs, dem in der Folge vom zuständigen Zollamt die Einfuhrumsatzsteuer samt Nebengebühren in der Gesamthöhe von S 155.950,20 vorgeschrieben wurde. Der Grenzspediteur stellte den Abgabenbetrag, ohne ihn entrichtet zu haben, der beklagten Partei in Rechnung, die ihrerseits den Betrag der klagenden Partei weiterverrechnete, ohne selbst bezahlt zu haben. Die klagende Partei überwies der beklagten Partei infolge eines Versehens der von ihr beauftragten Bank jedoch nur S 138.494,12. Die beklagte Partei überwies diesen Betrag auf das Girokonto des Grenzspediteurs. Wenig später - am 23.8.1989 - wurde über das Vermögen des Grenzspediteurs der Konkurs eröffnet.
Die klagende Partei als Warenempfänger mußte, weil der Grenzspediteur den ihm von der beklagten Partei überwiesenen Betrag widmungswidrig nicht zur Abdeckung der Abgabenschuld verwendet hatte, aufgrund einer Zahlungsaufforderung des zuständigen Zollamtes vom 25.9.1989 die Einfuhrumsatzsteuer samt Nebengebühren entrichten.
Die klagende Partei begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 138.494,12 sA. Diese habe die zweckwidrige Verwendung des Klagsbetrages durch den Grenzspediteur in Mißachtung der im Geschäftsverkehr gebotenen Sorgfalt dadurch verschuldet, daß sie den Betrag nicht auf das ihr bekannte Abgabenkonto des Grenzspediteurs, sondern auf dessen Girokonto überwiesen und dadurch dessen freier Verfügung überlassen habe.
Die beklagte Partei wendete insbesondere ein, ihr liege bei der Auswahl des Grenzspediteurs, an dessen Bonität sie zu zweifeln keinen Anlaß gehabt habe, kein Verschulden zur Last; auch sonst habe sie keine Sorgfaltspflichten verletzt. Es sei nicht üblich, den Zahlungsverkehr zwischen Spediteuren über mehrere Konten abzuwickeln.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte - außer dem schon eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - fest, im Speditionsgeschäft sei es durchaus üblich, sich an Grenzübergängen eines Grenzspediteurs zu bedienen, um die Zollabwicklung zu beschleunigen und den Beförderungsauftrag raschestmöglich durchzuführen. Es sei auch üblich, Abgabenbeträge, die dem Grenzspediteur vorgeschrieben wurden, auf dessen Girokonto zu überweisen. Anhaltspunkte dafür, daß der beauftragte Grenzspediteur einer ausreichenden Bonität ermangle, hätten für die beklagte Partei nicht bestanden.
Rechtlich meinte das Erstgericht, das Vertragsverhältnis zwischen den Spediteuren unterliege den Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen, nach denen der Spediteur nur für eigenes Verschulden hafte und überdies ermächtigt sei, die Zollformalitäten nach seinem Ermessen zu erledigen und die Zollbeträge auszulegen. Besondere Leistungen seien der beklagten Partei von der klagenden Partei nicht erteilt worden. Die beklagte Partei habe an der Bonität des von ihr beauftragten Grenzspediteurs auch nicht zweifeln müssen.
Das Berufungsgericht hob das erstinstanzliche Urteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Darin, daß der von der klagenden Partei überwiesene und von der beklagten Partei weitergeleitete Betrag vom Grenzspediteur letztlich widmungswidrig nicht zur Entrichtung der Einfuhrabgaben verwendet wurde, liege ein Verschulden des Grenzspediteurs, dessen sich die beklagte Partei zur Erfüllung des ihr von der klagenden Partei erteilten Auftrages bedient habe. Der auf § 25 lit c AÖSP gestützten Auffassung des Erstgerichtes, daß ein Eigenverschulden der beklagten Partei nicht vorliege, sei zuzustimmen. Der Sachverhalt bedürfe allerdings einer Ergänzung zur Klärung der Frage, ob zwischen den Streitteilen ein Speditionsvertrag unter Einbeziehung der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen oder aber ein dem Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) unterworfener Frachtvertrag zustandegekommen sei. Nach § 52 lit a und c AÖSP iVm § 412 HGB gälten dritte an der Ausführung des Auftrages beteiligte Unternehmer nicht als Erfüllungsgehilfen des Spediteurs; dieser hafte gemäß § 51 AÖSP bei seinen Verrichtungen grundsätzlich nur, soweit ihn selbst ein Verschulden treffe, wogegen der Frachtführer nach Art 3 CMR ebenso wie nach § 431 HGB für ein Verschulden von Personen, deren er sich bei der Ausführung der Beförderung bediene, wie für eigenes Verschulden einzustehen habe. Die Verzollung sei zwar typische Speditionstätigkeit, gehöre aber bei grenzüberschreitenden Transporten ebenso zu den Frachtführerpflichten. Der Frachtführer hafte für Fehler bei der Verzollung, die nicht auf fehlerhafte Dokumente des Absenders zurückzuführen sind. Aus dem Wort "Transportauftrag" könne im allgemeinen auf das Vorliegen eines Frachtvertrages geschlossen werden, umso mehr müsse das bei der im Fernschreiben vom 26.5.1989 gebrauchten Bezeichnung als "Frachtauftrag" gelten. In diesem Fernschreiben werde auf eine Offerte der beklagten Partei Bezug genommen, die bisher nicht vorgelegt worden sei. Die Beurteilung des Vertragsverhältnisses als Speditionsgeschäft sei daher durch die bisherigen Verfahrensergebnisse nicht gedeckt. In der Klage werde der Fall zwar nur aus schadenersatzrechtlicher Sicht geschildert, er könne aber auch so gesehen werden, daß die beklagte Partei zu Unrecht den Ersatz eines Aufwandes, der noch gar nicht entstanden gewesen sei, begehrt habe, weshalb ein Rückforderungsanspruch anzuerkennen sei.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß richten sich die Rekurse beider Teile; berechtigt ist indessen nur das Rechtsmittel der klagenden Partei.
Diese fordert von der beklagten Partei letztlich die Erstattung des ihr als Ersatz eines Aufwandes in Rechnung gestellten Klagsbetrages, auch wenn sie sich dabei auf die Schadenersatzpflicht der beklagten Partei beruft. Das Berufungsgericht hält die Beurteilung des Klagsanspruches auch unter dem Gesichtspunkt der Rückforderung einer Leistung, die als Ersatz eines tatsächlich nicht getätigten Aufwandes erbracht wurde, als gerechtfertigt. Dem ist beizutreten, weil es der klagenden Partei erkennbar nur um die Erstattung des ausgelegten Betrages geht und sie ihren Anspruch gewiß nicht ausschließlich als Schadenersatzforderung geprüft wissen will: Nach nunmehr einhelliger Rechtsprechung (JBl 1978, 200 uva) hat das Gericht den vorgetragenen Sachverhalt unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, wenn sich der Kläger auf einen bestimmten Rechtsgrund nicht festgelegt hat, auf den er sein Klagebegehren unter Ausschluß anderer Rechtsgründe stützt. Selbst die unrichtige rechtliche Qualifikation des vom Kläger geltend gemachten Anspruches rechtfertigt noch nicht die Annahme, daß der Kläger sein Begehren ausschließlich auf diesen Rechtsgrund stützen will (SZ 46/109 ua). Klagsgrund ist das tatsächliche Vorbringen und nicht dessen rechtliche Qualifikation, so daß selbst im Rechtsmittelverfahren eine Änderung der rechtlichen Argumentation möglich wäre (SZ 37/151; JBl 1952, 16; 6 Ob 516/87). Das Gericht ist daher nur an die tatsächlichen Behauptungen, nicht aber auch an den in der Klage genannten Rechtsgrund gebunden, es hat den im Rahmen der beiderseitigen Behauptungen festgestellten Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (vgl Fasching, LB2 Rz 647).
Der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt ist auch in der Tat ausschließlich unter kondiktionsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, weil Ansprüche gemäß den §§ 1431 bis 1437 ABGB zu den Schadenersatzansprüchen nicht im Verhältnis der Subsidiarität stehen (WoBl 1989, 49 mwN) und die Rechtssache - wie im folgenden zu zeigen sein wird - bei Beurteilung der Klagsforderung als Kondiktionsanspruch bereits spruchreif ist.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei, nachdem ihr der von ihr betraute Grenzspediteur die vorgeschriebenen Eingangsabgaben verrechnet hatte, diesen Betrag in Rechnung gestellt, ohne ihn vorher dem Grenzspediteur überwiesen zu haben. Sie forderte von der klagenden Partei deshalb in Wahrheit damit nicht den Ersatz von Aufwendungen, sondern die Bevorschussung von Auslagen, die von ihr zu bestreiten waren. Die klagende Partei hat diese Aufwendungen auch tatsächlich bevorschußt, so daß gar nicht erst geprüft werden muß, ob sie hiezu vertraglich verpflichtet gewesen wäre.
Vorschüsse sind Geldbeträge, die jemandem im voraus bezahlt werden, obgleich er darauf erst später Anspruch hätte (Schubert in Rummel, ABGB2 § 984 Rz 7; vgl auch SZ 51/38; 1 Ob 563/91; Krejci in Rummel aaO § 1154 a Rz 3; Grillberger in Schwimann, ABGB, § 1154 a Rz 2). Wird der für einen bestimmten Aufwand geforderte und gewährte Vorschuß nicht bestimmungsgemäß verwendet, ist der Empfänger gemäß § 1435 ABGB zu dessen Zurückzahlung verpflichtet (1 Ob 563/91; Schubert aaO; Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht, AT3 314; vgl auch Palandt-Tomas, BGB50 § 669 Rz 3). Die beklagte Partei hat den zur Abführung der Einfuhrumsatzsteuer gewährten Vorschuß nicht zu diesem Zweck verwendet, sondern den Betrag dem von ihr mit der Zollabwicklung betrauten Grenzspediteur überwiesen, der auch seinerseits die vorgeschriebene Einfuhrabgabe nicht entrichtet hatte, sondern den ihm hiefür überwiesenen Betrag bestimmungswidrig für andere Zwecke verwendete, so daß die klagende Partei die Einfuhrumsatzsteuer als Gesamtschuldner (vgl § 174 Abs 4 ZollG) über zollamtliche Zahlungsaufforderung selbst entrichten mußte.
Fehlgeschlagene Leistungen sind zwischen jenen Personen rückabzuwickeln, die nach dem zugrundegelegten Schuldverhältnis bzw der sonstigen Zweckvereinbarung Leistender und Leistungsempfänger sein sollten (Wilburg, Bereicherung 113 f; Koziol in JBl 1977, 625 f). Es erscheint nur folgerichtig, daß die Rückabwicklung bei Zweckverfehlung der Leistung in derselben Zweckbeziehung geschieht, in der die Zuwendung erfolgt ist, weil die Leistungen stets auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet sind (SZ 61/63 mwN ua). Im vorliegenden Fall wollte die klagende Partei mit der Leistung die letztlich sie treffende Abgabenverbindlichkeit abdecken; deshalb überwies sie der beklagten Partei auch den von dieser in Rechnung gestellten Betrag. Diese in Wahrheit als Vorschuß geleistete Zahlung verfehlte letztlich deshalb ihren Zweck, weil die beklagte Partei den Betrag nicht selbst an das Zollamt abführte, sondern die Entrichtung der Einfuhrabgaben dem Grenzspediteur überließ. Daß die beklagte Partei an der bestimmungswidrigen Verwendung des Vorschusses durch den Grenzspediteur selbst kein Verschulden trifft, ist unerheblich, weil der Rückforderungsanspruch ein Verschulden des Leistungsempfängers am Fehlschlagen der Leistung nicht voraussetzt (MietSlg 34.299 ua).
Der durch die bestimmungswidrige Verwendung des Vorschusses ausgelöste Kondiktionsanspruch wird auch nicht deshalb beseitigt oder gekürzt, weil die beklagte Partei die Leistung an den Grenzspediteur weiterleitete und sie deshalb selbst nicht bereichert ist. Bei Bedachtnahme auf das von Wilburg (aaO 147 ff und in Klang2 VI 478 ff) entwickelte Veranlassungsprinzip kann das Fehlen einer Bereicherung die beklagte Partei von deren Erstattungspflicht nicht befreien: Die Leistung war über ausdrückliches Verlangen der beklagten Partei, die übrigens nicht - wie es geboten gewesen wäre - einen Vorschuß gefordert, sondern wahrheitswidrig den Ersatz von Auslagen in Rechnung gestellt hatte, erbracht worden; die klagende Partei, der die Einschaltung des Grenzspediteurs im Leistungszeitpunkt augenscheinlich gar nicht bekannt war, hat demnach das Fehlschlagen der Leistung nicht im geringsten veranlaßt, die Zweckverfehlung ist vielmehr ausschließlich in der Sphäre der beklagten Partei eingetreten. Deshalb hat diese der klagenden Partei die Leistung auch zu erstatten, obwohl sie selbst dadurch nicht bereichert wurde.
Die klagende Partei verlangt die Verzinsung des Klagsbetrages mit 9 % seit 14.11.1989 (also auch für einen Zeitraum von 14 Tagen vor Einbringung der Klage). An sich gebühren dem Kondizenten Verzugszinsen bloß im Ausmaß der gesetzlichen Zinsen (vgl Bydlinski in Klang2 IV/2 524). Ist aber der Leistungsempfänger unredlich, hat der Entreicherte Anspruch auf Vergütungszinsen in der Höhe, wie er sie erzielt hätte, wenn er einem Dritten für diese Zeit ein Darlehen gewährt hätte (GesRZ 1986, 97 mwN; Schubert aaO § 999 Rz 3). Die beklagte Partei ist aber spätestens ab der Aufforderung durch die klagende Partei, den überwiesenen Betrag zu erstatten, als unredlich anzusehen, weil sie aufgrund der dabei aufgeklärten Sachlage hätte wissen müssen, daß sie zur Ersstattung dieses Betrages verpflichtet ist (Mayrhofer aaO 406).
Es sind deshalb sowohl das Haupt- als auch das Zinsenbegehren berechtigt. In Stattgebung des Rekurses der klagenden Partei - das Rechtsmittel der beklagten Partei ist aus denselben Gründen nicht berechtigt - ist die beklagte Partei daher zur begehrten Leistung zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)