OGH 1Ob552/86

OGH1Ob552/8625.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Arnold K***, geboren 18.August 1968, infolge Revisionsrekurses des Magistrates der Stadt St. Pölten - Jugendhilfe gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 15.Jänner 1986, GZ R 635/85-179, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 5.November 1985, GZ 1 P 237/73-173, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß wird als nichtig aufgehoben und der Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Erstgerichtes zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der mj. Arnold K*** ist ein eheliches Kind des Arnold K*** und der Veronika L***. Die Ehe der Eltern wurde mit Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 18.November 1971, 1 Cg 759/71-6, rechtskräftig geschieden. Mit pflegschaftsbehördlich genehmigtem Vergleich vom selben Tag vereinbarten die Eltern, daß der Minderjährige in Pflege und Erziehung der Mutter bleibe. Der Vater verpflichtete sich zu einer Unterhaltszahlung von 900 S monatlich. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 16.August 1972, ON 9, wurde das Jugendamt der Stadt St. Pölten gemäß § 22 JWG zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Minderjährigen zum besonderen Sachwalter bestellt. Ab 1.Jänner 1977 wurden dem Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse gewährt (Beschlüsse des Erstgerichtes ON 21, 50, 62, 85, 117 und 148).

Über Antrag des Magistrates der Stadt St. Pölten, Jugendhilfe, enthob das Erstgericht den ehelichen Vater wegen Selbsterhaltungsfähigkeit des Minderjährigen mit 1.September 1985 von seiner Unterhaltsverpflichtung sowie die Jugendhilfe des Magistrates der Stadt St. Pölten von ihrer Funktion als Unterhaltssachwalter. Die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen wurde mit Ablauf des 31.August 1985 eingestellt.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, der sich nur gegen die Enthebung des Magistrates der Stadt St. Pölten - Jugendhilfe als Unterhaltssachwalter wendete, Folge; es änderte den Beschluß dahin ab, daß der Antrag des Magistrates der Stadt

St. Pölten - Jugendhilfe, von der Funktion als Unterhaltssachwalter enthoben zu werden, abgewiesen werde. Die Enthebung des Unterhaltssachwalters sei zu Unrecht erfolgt, da nach der Anordnung des § 9 Abs 3 UVG die Sachwalterschaft nicht zugleich mit der Einstellung der Vorschüsse ende, sondern, sofern die gewährten Vorschüsse nicht zur Gänze zurückbezahlt seien, im Regelfall erst mit der Erreichung der Volljährigkeit des Kindes.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Magistrates der Stadt

St. Pölten - Jugendhilfe ist zulässig, da die Beschränkung des Rechtsmittelzuges durch § 15 Abs 3 UVG nur für Beschlüsse gilt, mit denen über die Gewährung von Vorschüssen entschieden wurde. Im übrigen richtet sich die Anfechtbarkeit von Beschlüssen, die nach dem Unterhaltsvorschußgesetz ergehen, nach den §§ 14 und 16 AußStrG. Ein Streit um die Gewährung oder Weitergewährung eines Unterhaltsvorschusses liegt nicht vor.

Aus Anlaß des somit zulässigen Rechtsmittels ist die von der Revisionsrekurswerberin nicht geltend gemachte Frage der Zulässigkeit des Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien an die zweite Instanz zu prüfen. Wäre diese nicht gegeben, hätte das Rekursgericht über ein unzulässiges Rechtsmittel sachlich entschieden und damit die Rechtskraft des erstgerichtlichen Beschlusses verletzt, sodaß ein von Amts wegen aufzugreifender Nichtigkeitsgrund vorläge.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seinen Entscheidungen RZ 1981/58 und ihr folgend 2 Ob 549/86 ausgesprochen, daß das im § 15 Abs 1 UVG dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes zugestandene Rekursrecht unter anderem die Hintanhaltung der unrechtmäßigen Gewährung von Vorschüssen bezweckt und die Frage, wie weit der durch ihn vertretene Bund in anderen Fällen des Unterhaltsvorschußrechtes rekursberechtigt ist, davon abhängt, ob durch die angefochtene Verfügung in seine Rechte eingegriffen wurde. Durch die Beendigung der gesetzlichen Vertretung des Kindes durch die Bezirksverwaltungsbehörde endet die ihr auch übertragene, im Sinne des § 27 Abs 1 UVG durchzuführende Wahrnehmung der fiskalischen Interessen des Bundes. Gemäß § 30 UVG gehen mit dieser Beendigung die noch nicht eingebrachten Unterhaltsforderungen des Kindes für die Zeit, für die Vorschüsse bewilligt worden waren, und im Ausmaß der noch nicht zurückgezahlten Vorschüsse auf den Bund über. Diese Legalzession bedeutet, daß sich die Rechtsstellung des Bundes durch die Beendigung der Tätigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde nicht verschlechtert. Der Präsident des Oberlandesgerichtes kann alle jene dem Bund zustehenden Beträge, für deren Hereinbringung die Bezirksverwaltungsbehörde als gesetzlicher Sachwalter zu sorgen hatte, vom Zeitpunkt der Beendigung der gesetzlichen Vertretung dieser Behörde an gemäß § 31 Abs 1 UVG selbst im Wege der Einbringungsstelle des Oberlandesgerichtes eintreiben. Er tritt auch gemäß § 31 Abs 2 UVG in anhängige Exekutionsverfahren ein. Auch im Befriedigungsrang tritt gemäß den §§ 27 Abs 1, 31 Abs 3 UVG keine Verschlechterung der Rechtslage des Bundes ein.

Der vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien angefochtene Beschluß des Erstgerichtes berührte daher die von ihm allein zu wahrenden fiskalischen Interessen des Bundes nicht. Rechte des Kindes aber hat der Präsident des Oberlandesgerichtes nicht zu wahren. Dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes kommt daher mangels Eingriffes in die von ihm zu wahrenden Rechte des Bundes keine Rechtsmittellegitimation zu, so daß der Rekurs von der zweiten Instanz zurückzuweisen gewesen wäre.

Aus Anlaß des Revisionsrekurses des Magistrates der Stadt St. Pölten - Jugendhilfe ist daher der Beschluß der zweiten Instanz als nichtig aufzuheben und das Rechtsmittel des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Erstgerichtes zurückzuweisen.

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