Normen
ABGB §1091
Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung §7
ABGB §1091
Kündigungsschutz-Ausführungsverordnung §7
Spruch:
Zulässigkeit der zeitlich beschränkten Überlassung einer Zahnarztpraxis an einen Dentisten.
Spruch 35 ist analog anwendbar.
Entscheidung vom 6. August 1952, 1 Ob 546/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.
Text
Die Klägerin und ihr seither verstorbener Gatte (Zahnarzt) haben dem Beklagten die ärztliche Ordination samt Einrichtung gegen Vereinbarung eines valorisierten Zinses in Bestand gegeben. Da der Beklagte den valorisierten Zins nicht zahlt, erklärte die Klägerin das Vertragsverhältnis für gelöst und brachte die Räumungsklage ein.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Die beiden oberen Instanzen haben der Klage stattgegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:
Die Revision wendet sich zunächst gegen die Auslegung des Vertrages durch das Berufungsgericht, daß Gegenstand des Vertrages die Verpachtung einer Dentistenpraxis gewesen sei. Das sei durch das Verfahren in keiner Weise gedeckt, weshalb vorsichtsweise auch der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit geltend gemacht werde. Dieser scheidet überhaupt aus, weil Aktenwidrigkeit nur dann vorliegt, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wird, nicht aber, wenn ein vorliegender Vertrag angeblich unrichtig ausgelegt wird. Im übrigen ist es mehr oder minder bloß von terminologischer Bedeutung, ob man vom Standpunkt des Pächters gesehen, von der Pacht einer Dentistenpraxis spricht oder, von dem des Verpächters, von der Verpachtung einer zahnärztlichen Praxis.
Entscheidend ist allein, ob eine Überlassung der Praxis eines Zahnarztes an einen Dentisten zulässig ist, wobei die Konstruktionsfrage auf sich beruhen kann. Und diese Frage ist zu bejahen. Die berufliche Tätigkeit der Dentisten umfaßt ein im Dentistengesetz umschriebenes Teilgebiet der sonst ausschließlich den Zahnärzten vorbehaltenen Zahnheilkunde. Es besteht kein Hindernis, ein Teilgebiet eines Unternehmens zu "verpachten" oder, um die Konstruktionsfrage auszuschalten, einem Dritten zu "überlassen", wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat.
So wäre es z. B. durchaus denkbar, daß ein Rechtsanwalt, der überwiegend in Steuersachen arbeitet, sein Unternehmen an einen Steuerberater überträgt. Daß eine "Verpachtung" oder, um die Konstruktionsfrage wieder auszuschalten, die "Überlassung" einer Rechtsanwaltskanzlei nicht möglich sei, wird wohl von einzelnen Schriftstellern im Sinne der deutschen Literatur behauptet, steht aber mit der Praxis unserer Rechtsanwaltskammern im Widerspruch, die solche Verträge nicht nur dulden, sondern, wenn es sich um die Versorgung nachgelassener Angehöriger von Anwälten handelt, geradezu vermitteln, freilich unter der Voraussetzung, daß der Übernehmer gleichfalls Anwalt ist und keine standeswidrigen Bedingungen in den Vertrag aufgenommen werden. Die Frage ist nur, ob eine solche Teilverpachtung eines ärztlichen oder anwaltlichen Unternehmens gesetzlich zulässig ist. Da kein Gesetz eine abweichende Bestimmung enthält, könnte eine solche "Verpachtung" oder, um die Konstruktionsfrage auszuschalten, eine solche teilweise "Überlassung" der Praxis nur vom standesrechtlichen Gesichtspunkt aus unzulässig sein (vgl. den Fall ZBl. 1926 Nr. 50).
Eine Verletzung der internen Standesvorschriften macht aber einen mit einem Dritten abgeschlossenen Vertrag nur dann unwirksam, wenn Interessen der Allgemeinheit einen solchen Vertrag unzulässig erscheinen lassen. Dies wäre z. B. dann gegeben, wenn dem Übernehmer der Praxis ein Anteil an den Außenständen und im Zusammenhang damit ein Einblick in die Krankengeschichten eingeräumt würde. Davon ist aber im vorliegenden Fall überhaupt keine Rede. Das Recht des Übernehmers beschränkt sich auf die Ausnützungsmöglichkeit des Kundenstockes infolge des Umstandes, daß er seine Praxis im gleichen Lokal fortsetzen kann, wo sie Dr. K. betrieben hat, und stützt sich auf die Erfahrungstatsache, daß die Patienten eines Zahnarztes zum großen Teil dem Übernehmer des Lokals, auch wenn er nur Dentist ist, treu bleiben, weil er vom "verpachtenden" Zahnarzt durch Annoncen und Zuschriften wie diesmal, empfohlen wird. Denn die Geschäftsübernahmekundmachung kann nicht anders als eine solche Empfehlung verstanden werden. Gegen einen solchen Vertrag bestehen aber keine Bedenken, u. zw. selbst dann nicht, wenn die Standesorganisation, um die Distanz zwischen Ärzten und Dentisten zu wahren, solche Vereinbarungen nicht billigen sollte.
Auch die Rückstellung des "Pachtgutes" ist ohneweiters nach Beendigung des Vertragsverhältnisses möglich. Sie besteht darin, daß der sogenannte "Pächter" auszieht und der "Verpächter" oder ein anderer vom Bestandgeber namhaft gemachter Arzt im gleichen Lokal seine Praxis aufnimmt, wobei das Trägheitsmoment der Patienten in Betracht gezogen wird, daß sie gewohnheitsgemäß einen im gleichen Lokal seinen Beruf ausübenden Zahnarzt aufsuchen werden, wenn der weichende Dentist aus der Umgebung, wie dies Artikel IX vorsieht, verzogen ist. Der Oberste Gerichtshof sieht daher die Überlassung der Praxis mit dem Berufungsgericht für wirksam und gültig an.
Ist aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die Überlassung der Praxis das Entscheidende, so bilden die Räume nur einen Annex der Hauptsache des Praxisüberlassungsvertrages, mag man nun darin einen Bestandvertrag oder einen Vertrag besonderer Art sehen. Es findet also Spruch 35 zumindest analoge Anwendung. Jedenfalls muß die Anwendung der Mieterschutzbestimmungen verneint werden. Daraus folgt aber die Gültigkeit der Wertsicherungsklausel des Vertragsnachtrages von 1949.
Zu Unrecht behauptet endlich die Revision auch, daß das Berufungsgericht die Frage, ob eine wesentliche Preissteigerung eingetreten ist, nicht nach dem Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlungen erster Instanz, sondern nach der Einbringung der Klage hätte beurteilen sollen, den nach § 406 ZPO. ist die Frage, ob ein Klagsanspruch begrundet ist, ausschließlich nach dem Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses zu beurteilen. Nur bei Kündigung besteht eine Ausnahme, weil da das Gericht über die Zulässigkeit einer in einem bestimmten Zeitpunkt vorgekommenen Rechtshandlung zu entscheiden hat.
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