Spruch:
Ein nicht innerhalb der gesetzlichen Frist schriftlich bestätigter telegraphischer Rekurs ist zurückzuweisen.
Entscheidung vom 24. Juni 1953, 1 Ob 539/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Bernhard B. H. ist zu einem Viertel Miteigentümer der Liegenschaft EZ. 162 Grundbuch D. Über Antrag des Hälftemiteigentümers dieser Liegenschaft Dr. Albin P. hat das Erstgericht den Wiener Rechtsanwalt Dr. Karl K. zum Abwesenheitskurator für Bernhard B. H. gemäß § 276 ABGB. bestellt und ausgeführt, daß zwar dessen Aufenthalt im Auslande bekannt sei, die Abwesenheitskuratel sei aber auch dann gerechtfertigt, wenn ein ordentlicher Sachwalter im Inlande nicht zurückgelassen worden sei und die Rechte eines anderen dadurch in ihrem Gange gehemmt würden. Den Eigentümern der gegenständlichen Liegenschaft drohe die Enteignung, wenn sie nicht binnen einer bestimmten Frist zum Wiederaufbau des durch Kriegseinwirkung vernichteten Hauses schritten. Den Miteigentümern Dr. Albin P. (1/2) und Leopoldine P. (1/4) könne nicht zugemutet werden, den Anteil des Kuranden zu kaufen, um mit dem Wiederaufbau des Hauses beginnen zu können. Der Beschluß des Erstgerichtes ist dem Kuranden am 23. Dezember 1952 (nicht schon am 13. Dezember 1952, wie das Rekursgericht angenommen hat) an seinem Wohnsitz in Evanston (Ill., USA.) zugestellt worden. Am 27. Dezember 1952 ist beim Erstgericht ein Telegramm des Kuranden mit folgendem Inhalt eingelangt: "Ich erhebe gegen den Beschluß des ... Rekurs - Beschluß erhalten am 23. Dezember 1952 - Eventuell beantrage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Begründung folgt - Bernhard H." Am 20. Feber 1953 hat das Erstgericht dieses Telegramm dem Rekursgericht als Rekurs vorgelegt, nachdem in der Zwischenzeit eine weitere Eingabe des Kuranden nicht eingelangt war.
Das Rekursgericht hat den Rekurs zurückgewiesen, da ein Schriftsatz zur Wiederholung des am 27. Dezember 1952 beim Erstgericht eingelangten telegraphischen Rekurses überhaupt nicht, geschweige denn innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der 14tägigen Rechtsmittelfrist, eingelangt sei; ein wirksames Rechtsmittel liege schon deshalb nicht vor, weil es am Erfordernis der Unterschrift fehle; der nur telegraphisch erhobene Rekurs sei daher zurückzuweisen. Der Beschluß des Rekursgerichtes ist dem Kuranden am 24. April 1953 zugestellt worden. Am 6. Mai 1953 ist beim Erstgericht (über das Rekursgericht) eine schriftliche Eingabe des Kuranden eingelangt, worin er ausführt, den Beschluß des Rekursgerichtes mit allen zulässigen Rechtsmitteln zu bekämpfen und insbesondere auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen (der letzterwähnte Antrag ist in erster Instanz inzwischen abgewiesen worden). Der Rekurs befaßt sich nicht mit dem vom Rekursgericht gebrauchten Zurückweisungsgrunde, sondern nur damit, daß die Bestellung eines Abwesenheitskurators im vorliegenden Falle ungesetzlich sei.
Der Rekurs blieb ohne Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:
Der Rekurswerber übersieht, daß Gegenstand der Entscheidung der dritten Instanz nur die Überprüfung der rekursgerichtlichen Zurückweisung sein kann. Das Rekursgericht hat ja nicht meritorisch entschieden, so daß es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, zur Frage der Bestellung des Kurators gemäß § 276 ABGB. Stellung zu nehmen. Was aber die Zurückweisung des vom Kuranden bloß telegraphisch erhobenen Rekurses gegen den erstinstanzlichen Beschluß seitens des Rekursgerichtes betrifft, so muß diese Zurückweisung als der Rechtslage vollkommen entsprechend bezeichnet werden. Der Rekurswerber hat es unterlassen, das beim Erstgerichte am 27. Dezember 1952 eingelangte Telegramm in der nach § 89 Abs. 2 GOG. bzw. nach § 60 Geo. (bzw. § 62 der vor dem 1. Jänner 1953 geltenden Geo.) bestimmten Frist zu bestätigen. Selbst wenn jedoch diesem Fristablaufe keine Bedeutung zukäme, weil es im Außerstreitverfahren zufolge § 11 Abs. 2 AußstrG. dem Ermessen des Gerichtes überlassen bleibt, auch nach verstrichener Frist auf Vorstellungen und Beschwerden in denjenigen Fällen Rücksicht zu nehmen, wo sich die Verfügung noch ohne Nachteil eines Dritten abändern läßt, wäre für den Standpunkt des Rekurswerbers nichts gewonnen, weil dieser auch über die erwähnte Frist hinaus bis zur Erledigung der zweiten Instanz (25. Feber 1953) seine telegraphische Eingabe nicht bestätigt hat. Gemäß § 89 Abs. 2 GOG., welche Vorschrift schon zufolge ihrer systematischen Einordnung im 5. Abschnitt des GOG. in allen Gebieten der bürgerlichen Rechtspflege gilt (vgl. Sperl, Lehrbuch, S. 248), können schriftliche Eingaben an das Gericht auch im telegraphischen Wege erfolgen. Insbesondere kann die Erhebung der Berufung, Revision oder des Rekurses telegraphisch geschehen. Die näheren Vorschriften über die geschäftliche Behandlung solcher Depeschen sind im Verordnungswege zu erlassen. § 60 der jetzt geltenden Geo. enthält die Durchführungsbestimmung. Gemäß § 60 Abs. 1 Geo. müssen telegraphische Eingaben in der sonst für Eingaben vorgeschriebenen Form mit Schriftsatz wiederholt werden, worin die telegraphische Eingabe bestätigt, allenfalls ergänzt wird; insbesondere kann dem Erfordernisse der Unterschrift durch die nachträgliche schriftliche Erklärung, mit dem Inhalte des Telegramms einverstanden zu sein, genügt werden. In Lehre und Rechtsprechung (vgl. Sperl, a. a. O., S. 248, und Donath, RZ. 1931, S. 115, sowie ÖJZ. 1946, EvBl. Nr. 436) hat niemals ein Zweifel darüber bestanden, daß auf die schriftliche Bestätigung eines Telegramms nicht verzichtet werden könne, weil das Telegramm mangels Unterschrift nicht als authentisch erkennbar ist. Differenzen in der Beurteilung hat es bloß hinsichtlich der Bestimmung des § 60 Abs. 3 der jetzt geltenden Geo. gegeben (vgl. die obige Zitierung). Da der Rekurswerber im Auslande wohnt, kommt aber § 60 Abs. 3 Geo. nicht zur Anwendung. Mangels der Bestätigung des Telegramms hat also das Rekursgericht den im Telegramm erhobenen Rekurs zutreffend zurückgewiesen.
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