Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Minderjährige und seine Eltern sind türkische Staatsbürger. Seit 1982 hat die Familie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Gegen den damals noch strafunmündigen Minderjährigen erfolgten sechs Anzeigen wegen Verdachtes der Sachbeschädigung, der Körperverletzung, des Diebstahls und der Unterschlagung. Auch nach erreichter Strafmündigkeit wurde der Minderjährige mehrmals wegen Verdachtes des Diebstahls angezeigt. Eine Anzeige vom 20. 2. 1991 wurde von der Staatsanwaltschaft Steyr am 11. 3. 1991 aus dem Grunde des § 4 Abs 2 Z 2 JGG zurückgelegt; aufgrund weiterer Anzeigen wurde er vom Kreisgericht Steyr mit Urteil vom 29. 10. 1991, 10 E Vr 227/91, Hv 36/91, wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. In der Schule bereitet der Minderjährige erhebliche disziplinäre Schwierigkeiten. Er bleibt dem Unterricht unentschuldigt fern, seine Schulleistungen sind ungenügend, sein Verhalten gegen Mitschüler ist aggressiv. Fehlstunden versucht er mit gefälschten Unterschriften zu rechtfertigen. Die Eltern sind den Erziehungsproblemen nicht gewachsen.
Über Antrag des Magistrates Steyr übertrug das Erstgericht für den Teilbereich der Pflege einschließlich der Berufsausbildung und Erziehung die Obsorge der oberösterreichischen Landesregierung als Jugendwohlfahrtsträger.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Eltern nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Österreichische Behörden seien nach Art 9 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiete des Schutzes von Minderjährigen, BGBl 1975/446 (im folgenden: MSA), zuständig. Es sei österreichisches Sachrecht anzuwenden. Das Kindeswohl sei gefährdet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Eltern ist nicht berechtigt. Da Österreich seinen Vorbehalt nach Art 13 Abs 3 MSA zurückgezogen hat (BGBl 1990/439), ist, weil der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, dieses Abkommen schon nach Art 13 Abs 1 MSA anzuwenden.
Ist die Person eines Minderjährigen ernstlich gefährdet, kann der Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes nach Art 8 MSA zum Schutz des Minderjährigen Maßnahmen treffen. Die vom Rekursgericht herangezogene Eilzuständigkeit nach Art 9 MSA läge nur vor, wenn der Minderjährige zwar nicht seinen gewöhnlichen, wohl aber seinen schlichten Aufenthalt in Österreich hätte (Soergel-Kegel 11 Rz 60 vor Art 18 EGBGB). Erziehungsunfähigkeit der Eltern, die zu einer akuten Gefährdung des Kindeswohles führt, schnelles Handeln notwendig macht und nur durch Obsorgeübertragung behoben werden könnte, stellt eine solche ernstliche Gefährdung dar (7 Ob 596/90; vgl Oberloskamp MSA Rz 24 zu Art 8; Siehr in Münchener Kommentar2 Rz 318 zu Art 19 EGBGB, Anhang). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dann ist aber nach einhelliger Ansicht auch österreichisches Sachrecht als das Recht des Aufenthaltsortes zur Anwendung zu bringen (Schwimann, IPR 252; Oberloskamp aaO Rz 38 f; Siehr aaO Rz 326; Kropholler in Staudinger 12 Rz 653, Vorbemerkungen zu Art 18 EGBGB). Dass nach österreichischem Recht die Voraussetzungen zur teilweisen Obsorgeübertragung vorliegen, wird von den Rekurswerbern nicht mehr in Zweifel gezogen.
Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.
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