Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.499,84 S (darin 576,20 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 3.675,36 S (darin 362,56 S Umsatzsteuer und 1.500 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte kam im Juli oder August 1988 aus der Türkei nach Österreich und suchte mit Hilfe seines Schwagers für sich und seine Gattin eine Wohnung. Kemalalletin B*****, ein Vermittler (im folgenden Vermittler), erfuhr vom Schwager des Beklagten davon und erhielt von Friedrich N*****, zu dem er Kontakt hatte, die Schlüssel der zu vermietenden Zimmer-Küche-Wohnung top Nr 12 in dem, der klagenden Partei gehörigen Haus *****. Der Beklagte besichtigte mit dem Vermittler die Wohnung und entschloß sich zur Anmietung; der Mietzins war ihm von der klagenden Partei durch den Vermittler mit 1.500 S monatlich bekannt gegeben worden. Davon, daß die Wohnung nur befristet vermietet werde, war nicht die Rede. Nachdem der Vermittler der klagenden Partei die Erklärung des Beklagten, er wolle die Wohnung anmieten, übermittelt hatte, ließ ihm die klagende Partei über den Vermittler die Wohnungsschlüssel zukommen und der Beklagte übernahm die Wohnung im September 1988. Der Beklagte meldete sich am 6.Oktober 1988 an und zog nach Adaptierungsarbeiten Anfang Jänner 1989 mit seiner Gattin in die Wohnung ein. Anläßlich eines Termines im Büro der klagenden Partei Ende Jänner 1989 erklärte eine Mitarbeiterin der klagenden Partei dem in Begleitung des Vermittlers erschienenen Beklagten, die Wohnung könne nur befristet auf ein Jahr vermietet werden; der als Vertreter des Beklagten auftretende Vermittler entgegnete, dies sei für den Beklagten nicht akzeptabel. Anläßlilch einer weiteren Besprechung mit Friedrich N***** bestand der Vermittler namens des Beklagten auf den Abschluß eines unbefristeten Mietvertrages; Friedrich N***** stimmte dem ausdrücklich zu. In der Folge unterfertigte der Beklagte einen mit 31.Jänner 1989 datierten, schriftlichen Mietvertrag, wonach das Mietverhältnis seit 1.September 1988 bestehe und auf die Dauer eines Jahres abgeschlossen werde, daher am 31.August 1988 ohne Aufkündigung ende. Der Beklagte, dem eine Kopie des schriftlichen Mietvertrages mit seiner Unterschrift, aber ohne Unterschrift der Vermieterseite, ausgefolgt wurde, erkannte die Befristung im schriftlichen Vertrag infolge seiner Unkenntnis der deutschen Sprache und seiner Unerfahrenheit nicht. Daß der Beklagte anläßlich der Unterfertigung dieses Mietvertrages auf die darin enthaltene Befristung hingewiesen worden sei, ist nicht feststellbar.
Das Erstgericht wies das auf titellose Benützung der Wohnung wegen Zeitablauf gestützte Räumungsbegehren ab. Es stellte noch fest, daß Friedrich N***** Geschäftsführer der klagenden Vermieterin sei. Es könne nicht festgestellt werden, ob der schriftliche Mietvertrag im Büro der klagenden Partei oder in den Räumen der Hausverwaltung unterfertigt worden sei. Rechtlich gelangte der Erstrichter zum Schluß, bereits im September 1988 sei konkludent durch die Mitteilung von Friedrich N***** an den Vermittler, die Wohnung sei um 1.500 S monatlich zu vermieten, die Mitteilung der Annahme dieses Anbots durch den Beklagten via des Vermittlers und die Übergabe der Wohnungsschlüssel an den Beklagten ein unbefristeter Mietvertrag zwischen den Streitteilen abgeschlossen worden sei; eine Befristung hätte nach § 29 Ab 1 MRG schriftlich vereinbart werden müssen. Die Mietvertragsunterfertigung durch den Beklagten habe nicht die Bedeutung eines Einverständnisses. Bei Abstellen auf den Empfängerhorizont habe die klagende Partei, wenn sie erkennen konnte, daß der Beklagte das Vertragsformular nicht gelesen habe, seine Zustimmung zu der ungewöhnlichen Bestimmung der Befristung nicht in Kauf nehmen dürfen.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahingehend ab, daß es dem Räumungsbegehren stattgab, weil der ungelesen unterfertigte Mietvertrag wie jede andere Erklärung anfechtbar sei, der Beklagte jedoch einen derartigen Irrtum nicht behauptet, sondern nur vorgetragen habe, er habe bei der klagenden Partei anläßlich der Bezahlung des Mietzinsrückstandes ein nicht ausgefülltes Mietvertragsformular unterschrieben, welches die klagende Partei nachträglich vereinbarungswidrig ausgefüllt habe.
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Bestandvertrag ist ein Konsensualvertrag, der durch Willenseinigung der Vertragspartner über das Wesentliche des Bestandes (Bestandsache, Bestandzeit und Bestandzins) perfekt wird (MietSlg XXXVII/38; JBl 1973, 617 ua); er kann auch mündlich oder konkludent zustandekommen, soferne das festgestellte Verhalten der Vertragsteile mit Überlegung aller Umstände des Falles unter Berücksichtigung der im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten unzweifelhaft den zwingenden Schluß zuläßt, sie hätten einen Vertrag schließen wollen (MietSlg 35.135, 35.007 ua). Legen die Parteien einen mündlich vereinbarten Vertrag nachträglich schriftlich fest und wird hiebei durch einen Fehler vom wirklich vereinbarten Vertragsinhalt abgewichen, so gilt nicht das Beurkundete, sondern das tatsächlich Vereinbarte (7 Ob 800/82, 5 Ob 735/82, 7 Ob 760/79). Dies gilt auch für konkludent zustandegekommene Verträge. Die spätere, dem Beklagten von der klagenden Partei vorgelegte schriftliche Ausfertigung des Mietvertrages hatte daher hier nur mehr den Charakter einer Beweisurkunde, der konstitutive Wirkung im Sinne einer Änderung der materiellen Rechtslage nicht zukommt (5 Ob 735/82, 7 Ob 760/79). Da der Urkundeninhalt vom bereits vereinbarten Inhalt in Ansehung der Bestandzeit abwich, könnte darin ein Angebot zu einer Vertragsänderung liegen. Dafür wäre aber Voraussetzung, daß der Inhalt des schriftlichen Vertragsentwurfes dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Beklagten als Willenserklärung, nämlich als Antrag auf Vertragsänderung, und nicht bloß als Wissenserklärung, nämlich als Bestätigung des bereits vereinbarten Vertragsinhaltes, erkennbar war (öRdA 1979/7 mwN). Daß dem Beklagten dies als Antrag auf Vertragsänderung erkennbar gewesen wäre, wurde weder behauptet noch festgestellt. War der schriftliche Vertragsentwurf aber nicht als Willenserklärung aufzufassen, kann eine Zustimmung des Beklagten zu einer von der klagenden Partei angebotenen Vertragsänderung auch nicht daraus abgeleitet werden, daß dieses Schriftstück vom Beklagten - zum Zeichen seines Einverständnisses - unterfertigt wurde. Einer Irrtumsanfechtung durch den Beklagten bedurfte es daher entgegen der Auffassung der zweiten Instanz nicht.
Da die Feststellung des Erstgerichtes (s S 3 der Urteilsausfertigung, wonach B***** der klagenden Partei die Erklärung des Beklagten, er wolle die ... Wohnung anmieten, übermittelt hatte, und die klagende Partei dem Beklagten über Kemal B***** die Wohnungsschlüssel zukommen ließ und der Beklagte die Wohnung übernahm ...), von der klagenden Partei nicht bekämpft wurde, kann die Beweis- und Tatsachenrüge in der Berufung der klagenden Partei, wonach Friedrich N***** nicht Geschätsführer der klagenden Partei sei, ungeprüft bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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