Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrte ursprünglich die Verurteilung des Helmut Z*** und der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 120.534,76 s.A. Dieser Betrag hafte auf Grund eines Kreditvertrages noch unberichtigt aus. Das gegen Helmut Z*** nach dem Klagebegehren erlassene Versäumungsurteil erwuchs in Rechtskraft. Die Beklagte wendete ein, der Kreditreferent der klagenden Partei habe ihr auf ihren Hinweis, sie sei zu Rückzahlungen nicht imstande, bedeutet, sie werde zu solchen nicht herangezogen werden, zumal er ohnedies über ihre Zahlungsunfäigkeit informiert sei; es sei aber erforderlich, daß die Beklagte als Lebensgefährtin des Helmut Z*** den Vertrag mitunterfertige. Es sei daher zwischen den Streitteilen keine Willenseinigung dahin, daß die Beklagte den Kredit zurückzahle, zustandegekommen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 103.655 s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 16.879,76 s.A. ab. Es stellte fest, Helmut Z***, der Lebensgefährte der Beklagten, habe zur Anschaffung eines PKWs eines Kredits bedurft und habe sich deshalb an die klagende Partei gewandt. Deren Kreditreferent Walter N*** habe ihm empfohlen, jemanden mitzubringen, der den Kreditvertrag mitunterschreiben würde. Deshalb habe Helmut Z*** die Beklagte veranlaßt, ihm bei der Kreditaufnahme beizustehen. Am 4.3.1983 seien die beiden bei Walter N*** erschienen und hätten an Hand eines Formblattes eine Selbstauskunft erstellt, in der die Beklagte angeführt habe, sie sei geschieden, habe für drei Kinder zu sorgen und beziehe von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eine monatliche Pension von S 5.983 zuzüglich S 1.558 Waisenrente je Kind; außerdem habe sie angegeben, daß sie einen Kredit von S 30.000 in monatlichen Raten von S 1.200 abzustatten habe. Aus einer zwischenzeitig eingeholten Dienstnehmerauskunft sei hervorgegangen, daß Helmut Z*** damals ein monatliches Nettoeinkommen von S 20.000 gehabt habe. Im Zuge der Eröterung der finanziellen Lage der Beklagten habe Walter N*** erklärt, bei ihr könne ohnedies nichts gepfändet werden, weil ihr geringes Einkommen unpfändbar sei. Da sie infolge ihrer Einkommensverhältnisse ohnehin nicht zur Rückzahlung belangt werden könne, könne sie den Kreditvertrag mehr oder weniger ohne rechtliche Folgen unterschreiben. Darauf hätten Helmut Z*** und die Beklagte den Kreditvertrag (vom 4.3.1983) als Kreditnehmer unterfertigt. Mit diesem Vertrag habe ihnen die klagende Partei einen Kredit von S 95.000, rückzahlbar in 36 gleichen monatlichen Raten von S 3.433 bis 15.3.1986, eingeräumt. Die Verzinsung betrage monatlich 0,65 %, die Gesamtrückzahlung einschließlich einer Bearbeitungs- und einer Kreditvertragsgebühr S 123.588. Bei Zahlungsverzug oder Eintritt des Terminsverlustes dürfe die klagende Partei Verzugszinsen von 1,5 % je angefangenen Monat berechnen. Zur Besicherung des Kredites hätten Helmut Z*** und die Beklagte einen Blankowechsel als Akzeptanten unterfertigt. Die Beklagte habe sich zur Unterfertigung des Kreditvertrages deshalb entschlossen, weil sie Helmut Z*** darum ersucht und die klagende Partei die Mithaftung eines weiteren Kreditnehmers verlangt habe. In der Folge sei Helmut Z*** seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen, weshalb auch die Beklagte gemahnt worden sei. Daraufhin habe Helmut Z*** der klagenden Partei bekanntgegeben, daß die Beklagte eine größere Abfertigung nach einem Unfall eines ihrer Kinder zu erwarten habe. Der zuständige Versicherungsreferent habe die klagende Partei jedoch darüber aufgeklärt, daß über diesen Betrag nur mit Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes verfügt werden dürfe. Auf den Kredit seien seit der Auszahlung des Kreditbetrages am 8.3.1983 bisher insgesamt Raten von zusammen S 19.933 zurückgezahlt worden.
Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, es stehe fest, daß das Vorgehen der klagenden Partei nicht korrekt gewesen sei, wenn sie der Beklagten gegenüber äußerte, daß sie auf Grund ihrer Einkommensverhältnisse ohnehin nie zur Rückzahlung belangt werden könne und somit mehr oder weniger ohne rechtliche Folgen den Kreditvertrag unterschreiben könne. Trotz allem müsse aber angenommen werden, daß die Beklagte sehr wohl gewußt habe, welche rechtlichen Wirkungen sie für sich mit ihrer Unterschriftsleistung hervorrufe. Die Beklagte bestreite auch selbst nicht gänzlich, daß sie sich ihrer verbindlichen rechtsgeschäftlichen Handlung bewußt gewesen sei, nur übersehe sie dabei, daß mit dieser Klage eigentlich nur der seinerzeitige Status festgestellt werde, nämlich daß sie zur Bezahlung der ursprünglichen Verbindlichkeit herangezogen werden könne. Insgesamt habe die Beklagte vollinhaltlich die Konsequenzen ihrer Rechtshandlung, wonach sie gemeinsam mit Helmut Z*** einen Kreditvertrag unterfertigt habe, zu tragen.
Das Gericht zweiter Instanz wies das Klagebegehren in Stattgebung der Berufung der Beklagten zur Gänze ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Der Vertrag sei durch Annahme eines entsprechenden Anbots der Kreditwerber zustandegekommen. Verhandelt habe mit ihnen ein Angestellter der klagenden Partei, der deshalb nicht als Dritter im Sinne des Punktes 17 des Anbots anzusehen sei, weil er in der Sphäre der klagenden Partei an der Vertragsgestaltung mitgewirkt habe. Die von ihm an die Beklagte gerichteten Erklärungen hätten sie unter anderem zum Vertragsabschluß veranlaßt, sie seien somit zumindest mitursächlich gewesen. Punkt 17 des Anbots bestimme zwar, daß vom schriftlichen Vertragsinhalt abweichende Zusagen des Vertreters der klagenden Partei rechtsunwirksam seien, da die Streitteile einander jedoch bei Abschluß des Vertrages als Unternehmer und Verbraucher gegenübergestanden seien, könne die Rechtswirksamkeit mündlicher, also formloser Erklärungen des Unternehmervertreters gemüß § 10 Abs 3 KSchG zum Nachteil des Verbrauchers nicht ausgeschlossen werden. Die Erklärungen Walter N*** seien demnach wirksam und für die klagende Partei verbindlich. Liege eine mehrdeutige Vertragserklärung vor, die der Empfänger, ohne ihren Doppelsinn zu erkennen, in anderer Richtung auslege, als sie der Erklärende habe verstanden wissen wollen, so sei Dissens anzunehmen, es sei denn, die Verkehrssitte verleihe der Redewendung die ihr vom Erklärenden zugedachte Bedeutung. Beim Dissens trage jede Partei den Schaden, den sie im Vertrauen auf den Bestand des gescheiterten Vertrages erlitten habe, selbst. Unterlaufe dem Erklärenden eine solche Mehrdeutigkeit im Sinne einer Nachlässigkeit bei der im Vertragsleben geforderten eindeutigen Ausdrucksweise und gleichzeitig auch dem Erklärungsempfänger eine Sorglosigkeit bei Auslegung dieser Erklärung, weil er den Doppelsinn erkennen bzw durch Rückfrage aufklären hätte müssen, so bleibe es beim Dissens. Eine gegenseitige Verbindlichkeit sei weder aus dem Vertrag noch durch Vertrauen auf den Bestand des Vertrages entstanden. Schon die Nichtigkeit des Vertrages beruhe auf der Kompensation des beiderseitigen Verschuldens. Eine Vertragserklärung, man könne ohnedies nichts pfänden, weil das Einkommen des Kreditwerbers zu gering sei, man brauche aber eine zweite Unterschrift, sei besonders dann, wenn sie nicht vom Kreditgeber selbst, etwa den organschaftlichen Vertretern, herrühre, mehrdeutig. Sie könne beim durchschnittlich begabten und in solchen Fragen ungeschulten Vertragspartner auch den Anschein erwecken, die zweite Unterschrift werde bloß aus organsitaroschen oder sonstigen internen Gründen auf Kreditgeberseite benötigt und werde jedenfalls nicht zur vertraglichen Inanspruchnahme führen. Es komme nicht darauf an, wie eine solche Erklärung gemeint war, maßgeblich sei vielmehr das Verständnis, das sie beim Empfänger hervorrufen habe können. Habe dieser die Erklärung auch anders verstehen dürfen als der Erklärende, so weiche der Vertragswille beider Teile voneinander ab. Walter N*** habe gemeint, man könne der Beklagten derzeit exekutiv nichts wegnehmen; diese sei der Meinung gewesen, ihre Unterschrift sei bloße Formsache, in Wahrheit werde man ihre Haftung mangels pfändbarer Sachen nicht in Anspruch nehmen. Diese Auslegung sei nicht denkunmöglich. Die Vertragssitte verleihe der Erklärung Walter N*** weder in der einen noch in der anderen Richtung Bedeutung. Es sei deshalb der Vertrag nicht zustandegekommen. Die Frage, ob Walter N*** durch seine Erklärungen bei der Beklagten einen wesentlichen Geschäftsirrtum hervorgerufen habe, könne deshalb ungeprüft bleiben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist berechtigt.
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß versteckter Dissens immer dann vorliegt, wenn beide Parteien zunächst überzeugt sind, eine Einigung erzielt zu haben, tatsächlich aber die eine oder die andere Willenserklärung trotz scheinbarer Übereinstimmung jeweils anders gemeint war. Betrifft die Abweichung des beiderseitigen Vertragswillens (§ 869 ABGB) einen Hauptpunkt, wie nach den Behauptungen der Beklagten deren Rückzahlungspflicht, kommt von Anfang an kein Vertrag zustande (SZ 54/111; SZ 49/142 und 162; JBl 1975,161; Koziol-Welser, Grundriß 7 I 101 f; Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 10 zu § 869). War die Erklärung Walter N*** mehrdeutig, ist es möglich, daß die Beklagte sein Ansinnen, sie möge mitunterschreiben, weil er sonst - etwa wegen interner organisatorischer Vorschriften - ihrem Lebensgefährten keinen Kredit gewähren könne, im Hinblick auf ihre Unerfahrenheit dahin verstanden hat, ihre Unterschrift werde bloß aus rein formellen Gründen verlangt, sie werde daraus aber nicht, wie sonst bei Unterfertigung von Verträgen, in Anspruch genommen. Dissens ist aber nur dann anzunehmen, wenn der Erklärungsempfänger eine mehrdeutige Erklärung nicht bloß von seinem Horizont aus anders deuten konnte, sondern die Erklärung auch tatsächlich abweichend vom Erklärenden verstanden hat. Die klagende Partei führt insofern eine maßgebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ins Treffen, als die Darlegung des Berufungsgerichtes bei Erledigung der Rechtsrüge der Beklagten, diese sei der Meinung gewesen, daß ihre Unterschrift reine Formsache gewesen sei, man werde in Wahrheit ihre Haftung mangels pfändbarer Sachen nicht in Anspruch nehmen, den Feststellungen des Erstgerichtes, die das Gericht zweiter Instanz mangels Tatsachenrüge seiner rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen hatte, widerspreche. Aus den Feststellungen des Erstgerichtes geht nun auch tatsächlich nicht mit der vom Berufungsgericht angenommenen Deutlichkeit hervor, daß die Beklagte der Meinung gewesen sei, ihre Unterschrift sei nur Formsache, in Wahrheit werde man ihre Haftung nicht in Anspruch nehmen. Die Verurteilung der Beklagten wäre dann auch unverständlich. Gewiß führte das Erstgericht im Zuge seiner Rechtsausführungen aus, das Vorgehen der klagenden Partei sei nicht korrekt gewesen, wenn sie sich der Beklagten gegenüber äußerte, diese könne auf Grund ihrer Einkommensverhältnisse ohnehin nicht auf Rückzahlung belangt werden, sie könne somit den Kreditvertrag mehr oder minder ohne rechtliche Folgen unterschreiben. Gleich im Anschluß daran traf das Erstgericht aber die damit in Widerspruch stehende Feststellung, es müsse "aber angenommen werden, daß die beklagte Partei sehr wohl gewußt hat, welche rechtlichen Wirkungen sie für sich mit ihrer Unterschriftsleistung hervorruft. Die Beklagte bestreitet auch selbst nicht gänzlich, daß sie sich ihrer verbindlichen, rechtsgeschäftlichen Handlung bewußt war, nur übersieht sie dabei, daß mit dieser Klage eingentlich nur der ursprüngliche Status festgestellt wird, nämlich daß sie zur Bezahlung der ursprünglichen Verbindlichkeit herangezogen werden kann" (ON 13, S.7). Diese widersprüchlichen Feststellungen, die durch den eigentlichen Feststellungsteil, wonach der Beklagten einerseits nur gesagt worden sei, ihr Einkommen sei unpfändbar, andererseits aber, sie könne auch nicht auf Rückzahlung belangt werden, um nichts deutlicher werden, reichen zur Annahme des behaupteten Dissenses nicht aus.
Das Erstgericht hat nicht mit der gebotenen Deutlichkeit Feststellungen darüber getroffen, wie die Beklagte die Äußerungen Walter N*** tatsächlich verstanden hat. Auf Grund seiner widersprüchlichen Feststellungen ist eine rechtliche Beurteilung nicht möglich. Es liegt damit ein wesentlicher Feststellungsmangel vor. Der Vermeidung solcher Feststellungsmängel kommt zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zu (vgl. Petrasch in ÖJZ 1985,296).
Da es nur der ergänzenden Vernehmung der drei an den Vertragsgesprächen beteiligten Personen bedarf und anzunehmen ist, daß die Ergänzung der Verhandlung durch das Berufungsgericht einen wesentlich geringeren Aufwand erfordern wird, ist die Fortsetzung des Verfahrens dem Gericht zweiter Instanz aufzutragen (§ 496 Abs 3 ZPO); dieses wird gegebenenfalls auch die bisher nicht erörterte Tatsachenrüge in der Berufung zu erledigen haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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