OGH 1Ob512/95

OGH1Ob512/9527.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 24.Dezember 1992 verstorbenen Erna L*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, infolge Revisionsrekurses des erbserklärten Erben Erich L*****, vertreten durch Dr.Theodor Strohal und Dr.Wolfgang G.Kretschmer, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 21.September 1994, GZ 47 R 510 und 799/94-63, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Döbling vom 13.Jänner 1994, GZ 2 A 27/93b-54, -55 und -56, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben, als das vom Gerichtskommissär errichtete Inventar vom 23.11.1993 zu Gericht angenommen sowie der Nachlaß dem erblasserischen Sohn eingeantwortet wurde (Punkt 1 in ON 55 und ON 56); in diesem Umfang wird dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Erblasserin führte eine Buchhandlung als Einzelhandelsunternehmen. Nach ihrem Tode teilte der aufgrund der gesetzlichen Erbfolge zum Alleinerben berufene Sohn, der die bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß abgab, dem Eigentümer des Hauses brieflich mit, er trete in die Mietrechte seiner Mutter unabhängig vom Ergebnis der Verlassenschaftsabhandlung rückwirkend zum Todestag ein. Er hielt in diesem Schreiben fest, daß er das Unternehmen seiner Mutter am gleichen Standort fortbetreiben werde und damit alle Voraussetzungen des „Mietrechtseintritts“ geschaffen seien. Der Gesamtwert der Buchhandlung (Mietwert, Verkehrswert der Fahrnisse, der Bücher und des Unternehmens) wurde mit S 521.797,-- ermittelt, wobei der beigezogene Sachverständige den Mietwert zum Dezember 1992 mit S 490.000,-- veranschlagte. Gegen diese Bewertung remonstrierte der Revisionsrekurswerber, der die Mietrechte mit Null bewertet haben wollte. Der Sachverständige beharrte in seiner Stellungnahme bei der von ihm vorgenommenen Bewertung.

Mit Beschluß vom 13.1.1994 (ON 55) nahm das Gericht zu Punkt 1 das vom Gerichtskommissär errichtete Inventar vom 23.11.1993 zu Gericht an. Zum Mietwert der im Inventar als Aktivum angeführten Buchhandlung folgte das Erstgericht dem Gutachten des Sachverständigen, der sich der „Schattenwertmethode“ bedient hatte. Der Sachverständige sei bei der Wertermittlung von einem ortsüblichen Mietzins ausgegangen und habe richtigerweise den Differenzbetrag zwischen dem vereinbarten und dem ortsüblichen Mietzins auf eine durchschnittliche Nutzungsdauer, die mit 10 Jahren angenommen wurde, kapitalisiert, wobei eine 5 %ige Verzinsung angesetzt worden sei. Da von einem längerfristigen Weiterbestehen des Mietverhältnisses auszugehen sei, bestehe ein Vorteil aus dem vorhandenen Mietvertrag, und vollziehe sich der Eintritt eines Erben nicht nach § 12 Abs.3 MRG, sondern nach § 1116a ABGB, der eine Anhebung des Mietzinses bei Vererbung der Bestandrechte nicht vorsehe.

Ebenfalls am 13.1.1994 erließ das Erstgericht die Einantwortungsurkunde, mit der der Nachlaß deren Sohn als erbserklärten Alleinerben eingeantwortet wurde.

Das Rekursgericht bestätigte die angefochtenen Beschlüsse; es sprach aus, daß zwar der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Auch das Gericht zweiter Instanz erachtete das Gutachten des Sachverständigen als unbedenklich und ging daher von einem Mietwert im Betrag von S 490.000,-- aus. Der Erbe habe erklärt, in die Mietrechte der Verstorbenen einzutreten; sein Eintritt gründe sich auf § 1116a ABGB.

Gegen Punkt 2 des Beschlusses des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des erbserklärten Erben mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der Wert des Mietrechtes bzw der Gesamtwert des Unternehmens mit Null festgesetzt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber weist richtig darauf hin, daß das Rekursgericht auf die Bestimmung des § 46a Abs.2 MRG überhaupt nicht eingegangen ist. Während das Erstgericht diese mit dem 3.Wohnrechtsänderungsgesetz (WÄG), BGBl 1993/800, neu geschaffene Bestimmung noch nicht anwenden konnte, weil es seine Beschlüsse bereits am 13.1.1994 faßte und das genannte Gesetz erst mit 1.3.1994 in Kraft trat, hätte das Rekursgericht auf die Gesetzesänderung Bedacht nehmen müssen. Änderungen der Gesetzeslage sind in jeder Lage des Rechtsstreits, also auch noch im Rechtsmittelverfahren, zu berücksichtigen, sofern die neuen Bestimmungen ihrem Inhalt nach auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind (EvBl 1977/219; JBl 1976, 481). Die im 3.WÄG normierten Änderungen des Mietrechtsgesetzes gelten grundsätzlich auch für Mietverträge, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen worden sind. Nun sieht § 46a Abs.2 MRG vor, daß der Vermieter bei einem am 1.3.1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Geschäftsräumlichkeit, sofern der bisherige Hauptmietzins niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach §16 Abs.1 MRG ist, nach dem Tod des Hauptmieters von dessen Rechtsnachfolgern ab dem auf den Todesfall folgenden 1.1. die schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem für die Geschäftsräumlichkeit nach § 16 Abs.1 MRG zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in bestimmter Weise verlangen darf. Wenn sich auch der Eintritt eines Erben in ein Bestandverhältnis nach § 1116a ABGB vollzieht (3 Ob 518/92; 1 Ob 667/82; Schimetschek in ImmZ 1984, 171), so ist doch für die Ermittlung des Mietwerts eines in die Verlassenschaft fallenden Geschäftslokals maßgeblich, daß nach Inkrafttreten des 3.WÄG die sukzessive Anhebung des Hauptmietzinses möglich geworden ist. Die Schätzung im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens hat zwar grundsätzlich nur verfahrensrechtliche Bedeutung (5 Ob 636/76; 6 Ob 46/75; EvBl 1968/81; RZ 1937, 240), doch hat das Inventar gemäß § 97 Abs.1 AußStrG den Wert und Betrag des zur Zeit des Todes des Erblassers in dessen Besitz befindlichen Vermögens klar anzuzeigen. Dies bedeutet, daß der Mietwert des Geschäftslokals unter Bedachtnahme auf § 46a Abs.2 MRG zu ermitteln ist; das wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben; die Beschlüsse der Vorinstanzen sind im angefochtenen Umfang aufzuheben.

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