Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin wurde bei einem Schiunfall am 7.1.1988 schwer verletzt; insbesondere erlitt sie eine Fraktur des rechten Schlüsselbeins.
Die gesicherte und markierte Abfahrt weist im Unfallsbereich eine Hangneigung von etwa 15 Grad auf; oberhalb dieser Stelle ist die Strecke steiler, nach unten nimmt die Neigung ab. Der Pulverschnee war auf der Piste glatt und gewalzt; die Piste selbst war gut präpariert. Sie wies dort keine wesentlichen Unebenheiten auf. Die Unfallstelle ist übersichtlich. Zur Unfallszeit war die Abfahrt stark frequentiert.
Die Klägerin fuhr im Zuge der Abfahrt auf den linken Pistenrand zu und hielt dort etwa 3 m vor diesem im Bereich der präparierten Piste an, um auszuruhen. Sie stellte die Stöcke ab, klemmte die Handschuhe zwischen ihre Beine und putzte ihre Nase. Der Beklagte, ein für den Geländeschilauf geprüfter Schilehrer, näherte sich ihrem Standort mit weitgezogenen Parallelschwüngen. Er wollte noch oberhalb der Klägerin einen Schwung ausführen und im Gegenschwung zwischen ihr und dem Pistenrand durchfahren. Er war auf sie auf eine Entfernung von rund 30 m aufmerksam geworden.
Er hielt eine „schnelle“, jedoch nicht näher bezifferbare Geschwindigkeit ein. Er gedachte an der Klägerin in einem Abstand von etwa 2 m vorbeizufahren; als er nur mehr rund 2 m von ihr entfernt war, ging die Schibindung am linken Schuh auf. Der Beklagte fuhr darauf die Klägerin in der Fallinie an. Die Schibindung war rund eine Woche vor dem Unfall überprüft worden.
Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zum Ersatz des - an Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Kleiderschäden, Heilungskosten, Verdienstentgang und „Beitragsschaden“ - insgesamt mit S 377.637,19 s.A. bezifferten Schadens.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 350.705,94 s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 26.931,25 s.A. ab.
Das Berufungsgericht sprach der Klägerin in teilweiser Stattgebung der Berufung des Beklagten lediglich S 319.557,28 s.A. zu; das Mehrbegehren von S 58.079,91 s.A. wies es ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Diesen Ausspruch begründete es damit, daß es von jener höchstgerichtlichen Rechtsprechung, die ein Verschulden des Schiläufers verneint, wenn der Sturz auf das Aufgehen der Schibindung zurückzuführen ist und dessen Ursache unaufgeklärt bleibt, abgegangen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Beklagten dagegen erhobene Revision ist nicht zulässig.
Gemäß § 502 Abs. 1 ZPO ist die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer dort näher bezeichneten Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Das ist im vorliegenden Fall jedoch zu verneinen: Gegenstand der Revision ist nur mehr die Verschuldensfrage. Das Berufungsgericht führte hiezu aus, die vom Beklagten unmittelbar vor dem Unfall eingehaltene Fahrgeschwindigkeit stehe zwar nicht ziffernmäßig fest, dem Beklagten falle jedoch einleitende Fahrlässigkeit zur Last, weil er beabsichtigt habe, trotz hoher Fahrgeschwindigkeit unmittelbar vor der Klägerin einen Schwung auszuführen, an dieser bloß 2 m entfernt vorbeizufahren und auf deren Höhe auf der dort zwischen ihr und dem Pistenrand bloß etwa 3 m breiten Fläche einen Gegenschwung zu ziehen; daran ändere auch nichts, daß ein Seitenabstand von 2 bis 3 m bei kontrollierter Vorbeifahrt an stehenden Personen im allgemeinen ausreiche.
Ob die Fahrweise des Beklagten in diesem Fall unnötig gefahrenerhöhend war und ihm damit einleitende (zumindest) leichte Fahrlässigkeit zugerechnet werden muß, ist eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit. Diese darf vom Obersten Gerichtshof aber - als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 1 ZPO - nur dann überprüft werden, wenn dem Berufungsgericht bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm - hier also bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zumutbarkeit (als normativen Schuldelements) - ein grober Fehler unterlaufen wäre, der im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müßte (RZ 1992/50); demgemäß ist die Beurteilung der im Einzelfall zumutbaren Vorkehrungen zur Vermeidung von Schadensfällen im Regelfall keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (ZVR 1989/131; RZ 1985/3 ua).
Von einer groben Fehlbeurteilung des Fahrverhaltens des Beklagten durch das Gericht zweiter Instanz kann keine Rede sein; es orientierte sich bei seiner Entscheidung vielmehr an den von der höchstgerichtlichen Judikatur vorgegebenen Grundsätzen: Der Schiläufer hat die Vorgänge auf der Piste derart aufmerksam zu beobachten, daß er Hindernissen rechtzeitig ausweichen oder davor anhalten und somit Kollisionsgefahren möglichst vermeiden kann (vgl. JBl. 1984, 673). Wohl sind selbst auf fahrtechnische Fehler zurückführbare Stürze für sich allein rechtlich noch nicht vorwerfbar, doch kann dem Schiläufer ein dem Sturz vorausgegangenes vermeidbares Fehlverhalten zur Last fallen; als solches kommen namentlich überhöhte Geschwindigkeit und unkontrolliertes Fahren in Betracht (1 Ob 533/91). Die Wahl des Seitenabstands zu anderen Schiläufern hängt von der Breite, der Steile und dem Zustand der Piste, der Beschaffenheit des Schnees, der Fahrkunst, der eingehaltenen Geschwindigkeit und der Fahrweise des Schiläufers sowie schließlich von den Sichtverhältnissen und der Verkehrsdichte ab (JBl. 1991, 742).
Der Beklagte hat dadurch, daß er knapp vor der Klägerin einen Schwung ausführen und - ohne nach den erstinstanzlichen Feststellungen hiezu gezwungen zu sein - das „Nadelöhr“ zwischen der Klägerin und dem Pistenrand mit hoher Geschwindigkeit im Gegenschwung durchfahren wollte, die mit dem Schisport gerade auf Abfahrtsstrecken bei starker Frequenz ohnehin verbundenen Gefahren unnötigerweise erhöht; soweit das Gericht zweiter Instanz in dieser Fahrweise ein als einleitende Fahrlässigkeit zurechenbares Fehlverhalten des Beklagten erblickt, ist ihm dabei kein Rechtsirrtum, geschweige denn eine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende grobe Fehlbeurteilung unterlaufen.
Da der Streitausgang schon damit feststeht, hängt die Entscheidung nicht auch von der Lösung der vom Gericht zweiter Instanz in dessen Hilfsbegründung aufgeworfenen Rechtsfrage ab, die es zu seinem Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision bewog; die von ihm dabei gelöste Beweislastfrage kann im konkreten Fall somit schon begrifflich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 1 ZPO sein.
Da die Revision keine solche Rechtsfrage aufzeigt, ist sie als unzulässig zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO; die Revisionsbeantwortung war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, weil die Klägerin darin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht einmal hingewiesen hat.
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