Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag der Mutter Beate W*****, ihr die einstweilige Obsorge für die mj Sara zu übertragen, abgewiesen wird.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten für die Erstattung der Äußerung zum Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Eltern der beiden Minderjährigen leben getrennt; ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Beide Elternteile beantragten zunächst die Übertragung der alleinigen Obsorge jeweils an den Antragsteller. In der Folge zog die Mutter ihren Antrag in Ansehung ihres Sohnes zurück, was sie damit begründete, dass dieses (Adoptiv-)Kind bereits mehrere Trennungen habe verkraften müssen, und sie ihm eine abermalige Trennung von seinem heimatlichen Wohnsitz ersparen wolle. Daraufhin sprach das Erstgericht unter Bezugnahme auf einen Bericht der Jugendwohlfahrt aus, dass die Obsorge für den mj Rene in Hinkunft dem Vater allein zustehe (Punkt 1 in ON 10). Den von der Mutter gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht zurück, weil die Mutter der Übertragung der Obsorge für den mj Rene an den Vater zugestimmt habe und es ihr deshalb an der für die Erhebung eines zulässigen Rechtsmittels erforderlichen Beschwer mangle. Dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs gab der erkennende Senat mit Beschluss vom 27. 3. 2001 (ON 46) Folge, weil im Rahmen der Obsorgezuteilung auch die von der Mutter nach erstinstanzlicher Beschlussfassung vorgebrachten Neuerungen beachtlich seien, zumal ihnen die Eignung nicht abgesprochen werden könne, die Entscheidungsgrundlage zu verändern. Demnach wurde die Obsorgeentscheidung aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Mit Beschluss vom 7. 2. 2001 wies das Erstgericht den Antrag der Mutter, ihr die einstweilige Obsorge für die mj Sara zu übertragen, ab und sprach aus, dass der Vater berechtigt sei, dieses Kind umgehend von der Wohnung der Mutter abzuholen, und die Mutter verpflichtet sei, das Kind dem Vater herauszugeben. Die Mutter sei Ende November 2000 zu ihren Eltern ins Burgenland verzogen. Anfang Jänner 2001 habe sie den Antrag gestellt, die beim Vater verbliebenen Kinder für zwei Wochen zu sich nehmen zu können. Mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichts sei ihr für die Zeit vom 20. 1. bis 3. 2. 2001 ein Besuchsrecht für beide Kinder eingeräumt worden. Sie habe die Minderjährigen am 20. 1. 2001 beim Vater abgeholt; diesem sei aufgetragen worden, die Kinder nach Ablauf der zwei Wochen wieder zu sich zu nehmen. Bei der Abholung habe die Mutter die Übergabe der mj Sara verweigert. Am 2. 2. 2001 habe sie die Übertragung der einstweiligen Obsorge beantragt und zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass das Kind eine äußerst enge Bindung zur Mutter entwickelt habe und bei einer Trennung sein Wohl massiv gefährdet sei. Die Übertragung der einstweiligen Obsorge an die Mutter sei jedenfalls nicht möglich, ohne den psychischen und physischen Gesundheitszustand der Mutter abgeklärt zu haben. Es sei unglaubwürdig, dass ein 14-tägiger Aufenthalt des Kindes bei der Mutter derartige Änderungen hervorgerufen habe, die eine massive Gefährdung des Kindeswohls vermuten ließen. Die Mutter habe das Kind, das seit der Trennung der Eltern überwiegend beim Vater gewesen sei, herauszugeben.
Das Rekursgericht hob diese Entscheidung mit Beschluss vom 23. 2. 2001 (ON 33) insoweit auf, als der Antrag der Mutter auf Übertragung der einstweiligen Obsorge für die mj Sara abgewiesen worden war, und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht seine Entscheidung ohne Beweisaufnahme und lediglich nach Einholung einer Äußerung des Vaters getroffen habe. Es bestätigte aber die Entscheidung des Gerichts erster Instanz insoweit, als die Herausgabe des Kindes angeordnet worden war. Es entspreche nicht dem Kindeswohl, wenn das Kind während eines behängenden Obsorgeentscheidungsverfahrens zwischen den Eltern hin- und hergerissen werde. Seit ihrer Geburt habe sich Sara in der vormaligen Ehewohnung in Tirol aufgehalten, und ein Pflegeplatzwechsel würde das Kindeswohl gefährden. Überdies sei eine Trennung der Kinder nicht wünschenswert.
Dem gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung erhobenen Revisionsrekurs der Mutter gab der erkennende Senat nicht Folge. Sara befinde sich seit ihrer Geburt in Tirol und sei nach Trennung der Eltern beim Vater verblieben. Der rechtmäßig begründete Pflegeplatz sei nach wie vor beim Vater, und ein Wechsel wäre nur dann vorzunehmen, wenn dies infolge besonders wichtiger Gründe im Interesse des Kindes angebracht erschiene (ON 46).
Mit Beschluss vom 8. 6. 2001 (ON 63) übertrug das Erstgericht die einstweilige Obsorge für die mj Sara der Mutter und setzte diese Verfügung gemäß § 12 Abs 1 AußStrG sofort in Vollzug. Entgegen seiner dem Pflegschaftsrichter erteilten Zusage habe der Vater die mj Sara am 16. 4. 2001 zurück nach Tirol gebracht. Seit dieser Zeit werde sie tagsüber von einer Tagesmutter betreut. Der Vater habe - bis auf Widerruf - ab 1. 5. 2001 eine Reduktion seiner wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 30,5 Stunden erreicht, und kümmere sich in verantwortungsvoller Weise um seine Kinder. Die Mutter bewohne seit 1. 3. 2001 (im Burgenland) eine möblierte Mietwohnung, die sehr sauber gehalten und zweckmäßig eingerichtet sei. Die monatliche Miete betrage S 5.300. Seit April 2001 erhalte sie von der Bezirksverwaltungsbehörde zur Sicherung ihres Lebensbedarfs eine monatliche Unterstützung von S 5.000. Für den Fall der Annahme einer Halbtagsarbeit stehe ihr in ihrem Wohnort ein Ganztagskindergarten zur Verfügung. Bis September 2001 würde ihre 60-jährige Mutter die Betreuung des Kindes übernehmen, ab September 2001 könne auch der Kindergarten besucht werden. Mit aktiver Unterstützung ihrer Eltern habe die Mutter begonnen, ihr Leben neu zu ordnen. Bei der Mutter liege eine "reaktive Störung" (Erschöpfungsdepression oder Anpassungsstörung) in klarem situativem Zusammenhang mit einer Überforderungssituation vor. Es könne prognostiziert werden, dass mit Konsolidierung der familiären Situation (Rückkehr ins Elternhaus mit Unterstützung der Großfamilie) eine Besserung und Stabilisierung der Psyche der Mutter eintreten werde, auch wenn neue Probleme auftauchen sollten. Sie zeige sich einsichtig gegenüber ihrer Krankheit, und der psychische Status der Mutter stelle auch bei bestehender Rückfallsmöglichkeit dann kein Hindernis gegen eine Übertragung der Obsorge für die mj Sara dar, wenn eine ausreichende Ersatzbetreuung in der Familie gesichert sei und die Behandlungsbereitschaft der Mutter weiterhin bestehe. Sie könne mit aktiver Unterstützung ihrer Eltern und Geschwister rechnen. Seit der Trennung von ihrem Ehemann gehe es der Mutter psychisch wieder gut. Beide Kinder seien aber immer wieder in das elterliche Spannungsfeld hineingezogen. In der Vergangenheit hätten beide Elternteile nach Maßgabe der jeweiligen Situation für die beiden Kinder gesorgt. Dass die Mutter im Verlauf ihrer psychischen Erkrankung nicht als vollwertige Bezugsperson der Kinder zur Verfügung stand, könne ihr nicht vorgeworfen werden. Mittlerweile sei ihre Erziehungsfähigkeit wieder gegeben. Der Vater sei ein guter und flexibler Organisator, er sei den Kindern ein guter und verantwortungsbewusster Vater gewesen. Beide Kinder fühlten sich sowohl mit der Mutter wie auch mit dem Vater eng und loyal verbunden. Beim Vater sei - im Gegensatz zur Mutter - ein "Mehr an Fremdbetreuung" für die mj Sara nötig. Zwischen Rene und Sara bestehe eine "qualitativ bedeutsame Bindung". Würden beide Kinder bei einem Elternteil aufwachsen, hieße dies, "auf die Ressourcen des anderen Elternteils zu verzichten und der Geschwisterbeziehung zuviel an Dynamik und Kraft zuzumuten". Dazu käme, dass die Kinder bisher immer wieder voneinander getrennt gewesen seien. Die Bindung an einen Elternteil sei wichtiger als die geschwisterliche Bindung. Deshalb habe der vom Gericht bestellte Kinder- und Jugendpsychologe angeregt, die Obsorge für die mj Sara auf die Mutter und jene für den mj Rene auf den Adoptivvater zu übertragen. Damit werde beiden Elternteilen ermöglicht, ihre Ressourcen besser in die Erziehung einzubringen. Kleinkinder sollten der Erfahrung nach möglichst bei der Mutter untergebracht werden. Kleine Mädchen wiesen in der Regel eine besondere Bindung zur Mutter auf. Da die Obsorge für die mj Sara im Sinne dieser Ausführungen an die Mutter zu übertragen sein werde, liege es im Interesse dieses Kindes, schon jetzt zu seiner Mutter zu kommen, die sich zumindest derzeit noch ausschließlich um das Kind kümmern könne. Es sei dem Wohl des Kindes entsprechend, dass es der Mutter "nicht länger vorenthalten" werde. Das Wohl des Kindes sei dann gefährdet, wenn es nur im Rahmen des vom Vater gestatteten Kontakts Zugang zur Mutter hätte, auch wenn dem Vater nicht abzusprechen sei, dass er für seine Tochter ein ausgezeichneter Vater gewesen sei.
Das Rekursgericht bestätigte mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs unzulässig sei. Beide Elternteile hätten durch eigenmächtige Vorgangsweise zur Verunsicherung der mj Sara beigetragen. Seit der Vorentscheidung des Rekursgerichts vom 23. 2. 2001 habe sich die Sachlage geändert. Es sei zum Wohle der mj Sara, die einstweilige Obsorge für sie der Mutter zu übertragen. Dies ergebe sich aus dem eingeholten Sachverständigengutachten, das bereits eine endgültige Obsorgeentscheidung rechtfertige. Die grundsätzlich nicht erwünschte Trennung der Geschwister müsse in Kauf genommen werden, weil der dreijährigen Tochter "nicht die Mutter genommen werden sollte". Ein Kleinkind bedürfe ganz besonders der mütterlichen Obsorge und des ständigen Kontakts mit seiner Mutter. Dem Grundsatz der Erziehungskontinuität käme nur untergeordnete Bedeutung zu, weil mit der Trennung der Eltern ohnehin ein Bruch dieser Erziehungskontinuität verbunden gewesen sei. Es stehe zwar nicht fest, bei welchem Elternteil infolge beruflicher Verpflichtungen ein größerer Fremdbetreuungsanteil notwendig sein werde, müsse doch auch die Mutter in Hinkunft einer Berufstätigkeit nachgehen. Dies sei aber nicht entscheidungswesentlich. Aus psychiatrischer und kinderpsychiatrischer Sicht bestehe kein Einwand gegen eine Übertragung der Obsorge an die Mutter, sofern eine ausreichende Ersatzbetreuung in deren Familie gesichert sei und die Verhandlungs- (gemeint: Behandlungs-)bereitschaft der Mutter weiterhin bestehe. Sie könne mit aktiver Unterstützung ihrer Eltern und Geschwister rechnen, es liege eine "gute Krankheitseinsicht und ein adäquates Störungsbewusstsein" bei ihr vor. Derzeit sei sie jedenfalls erziehungsfähig und habe ausreichend Rückhalt und Kontrolle durch ihre Familie, weshalb insgesamt die Zuweisung der Obsorge für die mj Sara an deren Mutter gerechtfertigt sei.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der erkennende Senat hat bereits in der Entscheidung vom 27. 3. 2001 klargestellt, dass ein Wechsel des rechtmäßig begründeten Pflegeplatzes - beim Vater in Tirol - nur dann vorzunehmen wäre, wenn dies infolge besonders wichtiger Gründe im Interesse des Kindes angebracht erschiene. Solche besonders wichtige Gründe liegen allerdings nicht vor:
Vom Erstgericht wurde unbestrittenerweise festgestellt, dass der Vater ein guter und flexibler Organisator sei, und er habe sich mit Sicherheit als guter und verantwortungsbewusster Vater erwiesen. Beide Kinder fühlten sich sowohl mit der Mutter wie auch mit dem Vater eng und loyal verbunden (S 10 des Beschlusses der ersten Instanz). Es kann also keine Rede davon sein, dass der Vater seine Erziehungspflichten vernachlässige oder seine Erziehungsgewalt missbrauche bzw dass er seiner Erziehungsaufgabe nicht gewachsen wäre. Nur in solchen, das Kindeswohl gefährdenden Fällen wäre ein Wechsel des rechtmäßig begründeten Pflegeplatzes als äußerste Notmaßnahme vorzunehmen; die einstweilige Übertragung der Obsorge für Sara an die Mutter käme der Entziehung der Obsorge des Vaters gleich, sodass nur besonders gravierende Umstände eine solche Vorgangsweise rechtfertigen könnten (EFSlg 78.163 f; 78.169 ff; 71.826; 71.834 f; 56.826). In diesem Sinne erweist sich die Forderung der Mutter, ihr die einstweilige Obsorge für die mj Sara zu übertragen, von vornherein als nicht berechtigt. Gleiches gilt aber auch für das vom Vater im Rekurs bzw Revisionsrekurs gestellte Begehren, ihm die einstweilige Obsorge für das Kind zu übertragen, denn auch dafür besteht keine Veranlassung, zumal für eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls im Falle des Verbleibs bei der Mutter keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Bis zur endgültigen Entscheidung über die Obsorgezuteilung hat daher das Kind - auf Basis des derzeit ermittelten Sachverhalts - beim Vater Aufenthalt zu nehmen.
Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der erkennende Senat - ebenso wie schon das Rekursgericht - das Verfahren über die endgültige Zuteilung der Obsorge bereits für entscheidungsreif hält, wenngleich nicht in dem vom Rekursgericht aufgezeigten Sinn:
Bei der Zuteilung der Obsorge sind die Verhältnisse beider Elternteile einander gegenüberzustellen und abzuwägen (9 Ob 91/01z; EFSlg 87.066; 75.176; 56.814 uva). Ein Grundsatz dergestalt, dass Kinder eines bestimmten Alters oder bestimmten Geschlechts dem einen oder anderen Elternteil zuzuteilen wären, kann der Gesetzeslage nicht entnommen werden; nur wenn bei beiden Elternteilen gleichwertige Verhältnisse vorliegen, ist der Betreuung von Kleinkindern durch deren Mutter der Vorzug zu geben (EFSlg 75.179). Nur wichtige Umstände können eine Trennung von Geschwistern rechtfertigen (9 Ob 91/01z; EFSlg 87.072; 75.183; 56.824). Der Grundsatz der Erziehungskontinuität ist für die Obsorgezuteilung von wesentlicher Bedeutung (EFSlg 75.180).
Der Vater hat von der Geburt der Kinder an bis jetzt unter Beweis gestellt, dass er trotz der schwierigen Situation, in der er sich befand, als die Mutter krankheitshalber nicht im gewünschten Ausmaß für die Kinder sorgen konnte, willens und fähig war und ist, auch schwierige Situationen zu meistern und den Kindern ein geborgenes "Zuhause" zu bieten (vgl EFSlg 75.192). Für ihn spricht, dass er nach dem Akteninhalt lange Zeit hindurch die Hauptbezugsperson für die Kinder war, und er hat auch seine berufliche Tätigkeit reduziert, um seinen Vaterpflichten (noch) besser nachkommen zu können (S 5 des erstinstanzlichen Beschlusses). Wie schon das Rekursgericht darlegte, wird die Mutter - ihren eigenen Angaben nach - in Hinkunft einer Berufstätigkeit nachgehen müssen, sodass bei beiden Elternteilen tagsüber in gewissem Ausmaß eine Fremdbetreuung erforderlich sein würde. Indes hat der Vater bereits bewiesen, dass er die Doppelbelastung mit Beruf und Kinderbetreuung in jeder Hinsicht meistert, wogegen bei der Mutter Vorbehalte angebracht sind, bestünde doch nur dann kein Einwand gegen die Übertragung der Obsorge für zumindest ein Kind an sie, wenn eine ausreichende Ersatzbetreuung in der Familie gesichert und die Mutter weiterhin bereit ist, ihre Depressionen behandeln zu lassen. Von annähernd gleichartigen Pflege- und Erziehungsverhältnissen beim Vater und bei der Mutter, bei deren Zutreffen der Betreuung der mj Sara durch die Mutter der Vorzug zu geben wäre (EFSlg 78.251), kann nicht die Rede sein; vielmehr ist von besseren Pflege- und Erziehungsverhältnissen beim Vater auszugehen.
Schließlich ist aber auch von wesentlicher Bedeutung, dass eine Trennung der Geschwister möglichst vermieden werden soll, gerade weil eine "qualitativ bedeutsame Bindung" zwischen den beiden Kindern besteht (S 10 der erstinstanzlichen Entscheidung; siehe auch den Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft vom 15. 5. 2001, AS 235). Hiezu ist anzumerken, dass nach dem Akteninhalt die Mutter selbst erkannte, dass die Beziehung zum Vater für Rene besonders wichtig sei (S 4 f des psychiatrischen Gutachtens ON 48; S 4 des Antrags vom 2. 2. 2001, ON 28), und der Sachverständige für Kinder- und Jugendpsychologie hat eindeutig bekundet, dass der Wechsel dieses Kindes zu seiner Mutter und die damit verbundene Trennung vom Vater und von seinem vertrauten sozialen Umfeld für den Minderjährigen derzeit sicherlich weder kognitiv noch emotional tragbar wäre; ein solches Ereignis würde momentan auf ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit destrukturierend wirken und Irritationen auslösen. Zudem erschien dem Sachverständigen der neuerliche Obsorgeantrag der Mutter für Rene mehr aus taktischen Überlegungen motiviert zu sein. Auf Grund dieses Gutachtens scheint die Mutter nunmehr zur Einsicht gekommen zu sein, dass Rene jedenfalls beim Vater verbleiben sollte, zumal er in Tirol sehr verwurzelt sei und lieber dort bleiben möchte, was sie akzeptiere (siehe S 10 des Protokolls vom 8. 6. 2001 = AS 343 und auch S 5 der Äußerung zum Revisionsrekurs).
Nun wäre aber mit der Übertragung der Obsorge für die mj Sara auf die Mutter die völlig unerwünschte Trennung der Geschwister verbunden. Gerade das spricht in entscheidender Weise dafür, die Obsorge für beide Kinder dem Vater zu übertragen.
In diesem Zusammenhang ist auch klarzustellen, dass die Meinung der Kinder, bei welchem Elternteil sie bleiben wollten, ohne wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung bleiben muss, denn Kinder dieses Alters - insbesondere im Alter der mj Sara - wären durch eine Befragung nach ihrer Präferenz für den einen oder anderen Elternteil in hohem Maße überfordert, und eine solche Befragung könnte sogar ihre seelische Entwicklung gefährden (vgl EFSlg 71.840). Ohne Bedeutung für die Obsorgeentscheidung ist auch die Tatsache, dass der Vater entgegen seiner Zusage - wenngleich letztlich durch die Vorentscheidung des erkennenden Senats vom 27. 3. 2001 gedeckt - die mj Sara wieder zu sich nach Tirol gebracht hat; für das künftige Wohl des Kindes ist dieser Schritt ohne Einfluss (vgl EFSlg 56.813; 56.818).
Auch die Interessen der Eltern haben in jedem Fall zurückzutreten, allein maßgeblich für die Entscheidung ist das Wohl der beiden Minderjährigen (EFSlg 87.060 f). Spricht bei Beachtung aller relevanten Umstände mehr dafür, dass der Vater die Obsorge für die beiden Kinder besser wahrnimmt, so wird sich die Mutter mit dieser Situation abfinden müssen, und ist von ihr dann auch zu erwarten, dass sie im Interesse der Kinder dieser Sachlage entsprechend Rechnung trägt. Es erscheint nur wenig verständlich, warum die gedeihliche Entwicklung und Integration der mj Sara im Fall deren Verbleibs beim Vater gefährdet sein könnte (S 23 des psychologischen Gutachtens = AS 281).
Dem Revisionsrekurs des Vaters ist wie aus dem Spruch ersichtlich Folge zu geben. Das Erstgericht wird daher ehestens eine Entscheidung über die endgültige Zuteilung der Obsorge für die beiden Kinder zu treffen haben.
Das Kostenbegehren der Mutter ist zurückzuweisen, weil ein Kostenersatz im außerstreitigen Verfahren - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nicht vorgesehen ist (EFSlg 91.383 uva).
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