OGH 1Ob46/65

OGH1Ob46/6524.6.1965

SZ 38/102

Normen

Allgemeine Bankbedingungen §§1 ff
ABGB §905
ABGB §1412
ABGB §1413
Allgemeine Bankbedingungen §§1 ff
ABGB §905
ABGB §1412
ABGB §1413

 

Spruch:

Wenn der Schuldner nicht Zahlung durch Überweisung auf das vom Gläubiger angegebene Konto leistet, weil er die Alternativklausel nicht wegstreicht, so daß die Bank mit einer eigenen Gegenforderung aufrechnen kann, hat er sich nicht von seiner Schuld befreit (§ 1413 ABGB.)

Dem Schuldner muß aber die Aufrechnung mit seinem Rückforderungsbetrag bezüglich der Fehlzahlung zugebilligt werden

Entscheidung vom 24. Juni 1965, 1 Ob 46/65

I. Instanz: Kreis- als Handelsgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien

Text

Im vorliegenden Prozeß trat als klagende Partei ursprünglich die "V." Bauaktiengesellschaft i. L. auf. Sie belangte den Beklagten auf Zahlung von 29.814.27 S samt Zinsen seit 16. Juli 1963 mit der Begründung, sie habe ihm zwei Bagger um 109.814.27 S verkauft, wobei er einen Teilbetrag von 29.814.27 S auf ihr Konto Nr. 51.799 bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse überweisen hätte sollen, ihn aber weisungswidrig auf ihr Konto bei der Länderbank überwiesen habe; dort sei er ihr aber nicht zugekommen, so daß sie die Bezahlung des Klagsbetrages begehren könne.

Im ersten Rechtsgang gab der Erstrichter dem Klagebegehren statt.

Nach Fällung dieses Urteiles wurde über das Vermögen der "V." AG. i.

L. am 15. April 1964 das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger als Masseverwalter bestellt. Nachdem er in das Verfahren eingetreten war, verwies das Berufungsgericht die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an die I. Instanz zurück. Es erachtete nur die Frage einer nachträglichen konkludenten Genehmigung der Zahlungsart durch die "V." als aufklärungsbedürftig.

Der Erstrichter gab dem noch offenen Klagebegehren abermals statt.

Die Berufung der beklagten Partei gegen dieses Urteil blieb erfolglos.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hab die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht I. Instanz zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof pflichtet den Unterinstanzen darin bei, daß die Zahlung, welche der Beklagte am 26. Juli 1963 mit seinem Überweisungsauftrag an die Zweiganstalt Wiener Neustadt der Länderbank in die Wege leitete, keine schuldbefreiende Wirkung bezüglich seiner Verpflichtung zur Zahlung des Klagsbetrages laut Beilage B hatte. Entscheidend sind hier die Feststellungen der Unterinstanzen, daß die "V." der Länderbank keine Gelegenheit geben wollte, einen bei ihr einlaufenden Betrag mit ihrer Forderung gegen sie zu verrechnen, daß sie deshalb die Überweisung auf eines ihrer Konten bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse verlangte und die Ausfolgung der Bagger vom Einlangen des jetzt strittigen Betrages (scil. bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse) abhängig machte und daß der Beklagte mit dieser Bedingung ausdrücklich einverstanden war. Durch die Unterlassung einer Streichung der Alternativklausel im Überweisungsauftrag gab der Beklagte der Länderbank Gelegenheit, den strittigen Betrag mit der eigenen Forderung gegen die "V." zu verrechnen. Daß letztere in der Meinung, der Betrag werde ihr binnen kürzester Zeit bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse zur Verfügung stehen, sich bereit fand, die Bagger vorzeitig auszufolgen, änderte an der Vereinbarung über die Zahlungsmodalitäten nichts. Die Revisionsausführungen sind nicht geeignet, die Auffassung der Unterinstanzen, der Beklagte sei mangels schuldbefreiender Wirkung seiner durch den Überweisungsauftrag bewirkten Zahlung den Klagsbetrag noch immer schuldig, als rechtsirrig erkennen zu lassen. Daß er ihn, falls die Gegenforderung nicht zu Recht bestunde, nunmehr ungeachtet der seinerzeit getroffenen Vereinbarung über die Zahlungsmodalitäten zu Handen des Masseverwalters zu bezahlen hätte, haben die Unterinstanzen gleichfalls zutreffend dargelegt.

Hinsichtlich der Gegenforderung muß der Revision allerdings Berechtigung zuerkannt werden.

Wenn ein Schuldner seinem Gläubiger den geschuldeten Betrag nicht zur rechten Zeit, nicht am rechten Ort oder nicht auf die rechte Art zukommen läßt, ist der Gläubiger zwar nicht verbunden, dies als schuldbefreiend anzuerkennen (§ 1413 ABGB.), die Tatsache, daß ihm ein Betrag in der Höhe seiner Forderung zugekommen ist, bleibt dessenungeachtet bestehen. Es ist selbstverständlich, daß er nicht Tilgung seiner Forderung zur rechten Zeit, am rechten Ort und auf die rechte Art verlangen, den ihm mit der Fehlzahlung des Schuldners aber tatsächlich zugekommenen Betrag behalten kann. Für einen derartigen Rückforderungsanspruch ist der Gläubiger passiv auch dann legitimiert, wenn der Schuldner seine Fehlzahlung zu Handen eines Dritten geleistet hat, sofern die Wirkungen dieses Vorganges zufolge direkter Stellvertretung beim Gläubiger selbst eingetreten sind. Der Fall ist nicht anders zu beurteilen, als die Bezahlung einer vermeintlichen, in Wahrheit aber nicht bestehenden Schuld an einen Machthaber des vermeintlichen Gläubigers (vgl. dazu Wilburg in Klang[2] zu §§ 1431 - 1437 ABGB. unter VI, B, 3, g), Nun ist eine Bank aber gemeiniglich nicht ein Machthaber, der die Kunden in direkter Stellvertretung bei der Kontogebarung vertreten würde, insbesondere nicht in jenen Fällen, die nach den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" der österreichischen Kreditinstitute zu beurteilen sind. Die Unterinstanzen haben sich mit der Feststellung begnügt, daß sowohl der Beklagte als auch die "V." ein Konto bei der Länderbank hatten, ersterer bei der Zweiganstalt Wiener Neustadt letztere bei der Zentrale in Wien. Da aber die Rechtsbeziehungen zwischen der Bank und beiden Kunden nicht näher geklärt wurden, ist die Sache nicht spruchreif. Falls nämlich zwischen dem Beklagten und der Länderbank einerseits, der "V." und der Länderbank andererseits nur die üblichen Giroverträge, allenfalls in Verbindung mit Kontokorrentverträgen, bestanden hätten, die nach den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" zu beurteilen wären (vgl. dazu Schinnerer, Bankverträge I[2], S. 114 ff.), müßten - vorbehaltlich einer Prüfung, ob die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" im Juli 1963 noch in der sogenannten Fassung 1961 (s. Amtsblatt zur "Wiener Zeitung" vom 11. Dezember 1960) galten - davon ausgegangen werden, daß der Beklagte nach Ausführung seines Überweisungsauftrages durch die Länderbank im Rahmen der ungestrichen gebliebenen Fakultativklausel keine Möglichkeit mehr hatte, den Auftrag zu widerrufen (vgl. Schinnerer S. 131), aber offenbar auch nicht Irrtum der Bank gegenüber geltend machen kann, weil der Irrtum eben nicht rechtzeitig aufgeklärt, der Auftrag vielmehr ausgeführt wurde. Eine Veranlassung eines Irrtums durch die Bank scheidet schon begrifflich aus, und es ist weder behauptet worden noch bisher ein Anhaltspunkt dafür hervorgekommen, daß der Bank hätte auffallen müssen, die Aufrechterhaltung der Alternativklausel beruhe auf einem Irrtum des Beklagten. Es ist insbesondere nicht behauptet worden oder hervorgekommen, daß die Bank aus der Angabe des Verwendungszweckes im Überweisungsauftrag hätte erkennen können, die Überweisung müsse zwingend auf das darin benannte Konto des Begünstigten bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse erfolgen (vgl. Schinnerer a. a. O., S. 134). Die Erfüllung des Auftrages des Beklagten durch die Länderbank hat nun darin bestanden, daß diese im eigenen Namen, aber für Rechnung des Beklagten der "V." Buchgeld durch Gutschrift auf deren Konto zur Verfügung stellte (vgl. Schinnerer, S. 121), dessen Ersatz gemäß § 1014 ABGB. durch Belastung des Kontos des Beklagten erfolgte (vgl. Schinnerer, S. 135). Sieht man zunächst davon ab, daß die "V." bei der Länderbank im Debet war, wird unschwer erkennbar, daß durch die Gutschrift auf dem Konto der "V.", also einen bloß tatsächlichen Vorgang, der nicht den Charakter einer Willenserklärung der Bank hatte, auf Grund der Willenserklärung des Beklagten, nämlich auf Grund seines Überweisungsauftrages, der "V."

ein Betrag in der Höhe der Schuld des Beklagten tatsächlich zugekommen ist, wenn auch in Form von Buchgeld. Nicht einmal dann, wenn die "V." davon erfahren hätte, der Beklagte werde die Alternativklausel auf seinem Überweisungsauftrag nicht streichen, und wenn sie der Länderbank noch die Weisung erteilt hätte, den für sie einlangenden Betrag, sei es nun in Form von Bargeld, sei es in Form von Buchgeld, nicht anzunehmen, hätte sie die Gutschrift auf ihrem Konto verhindern können, weil nach den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" die Bank als unwiderruflich ermächtigt gilt, Geld für den Kunden während der Dauer der Geschäftsverbindung anzunehmen. Die "V." hätte darum, wenn sie den einlangenden Betrag nicht als Zahlung des Beklagten mit schuldbefreiender Wirkung annehmen wollte, der Länderbank einen Rücküberweisungsauftrag geben müssen (vgl. Schinnerer, S. 132 f.). In dem hier unterstellten Fall, daß die "V." bei der Bank nicht im Debet gewesen wäre, wird also deutlich, daß durch den Überweisungsauftrag des Beklagten doch eine Zahlung an die "V." bewirkt worden ist, wenngleich nicht mit schuldbefreiender Wirkung; der Rückforderungsanspruch des Beklagten richtet sich aber nicht gegen die Bank, sondern gegen die "V.".

Daß nun die Länderbank selbst gegen die "V." eine Forderung hatte, die im Stand jenes Kontos ihren Ausdruck fand, auf dem sie dieser in Ausführung des Auftrages des Beklagten zu seinen Lasten Buchgeld durch Gutschrift zur Verfügung stellte, ändert an der Rechtslage zwischen dem Beklagten und der "V." nichts. Daß die "V." über den Gutschriftbetrag nicht frei verfügen konnte, er vielmehr im Verrechnungsweg zur Verringerung des Debetsaldos der Bank gegenüber herangezogen wurde, beruhte nicht mehr auf der Willenserklärung des Beklagten. Seine Leistung ist der "V." zugekommen und mußte nur von dieser der Länderbank überlassen werden. Verlangt nun der Kläger vom Beklagten die Bezahlung seiner noch offenen Schuld an die "V.", muß dem Beklagten die Aufrechnung mit seinem Rückforderungsanspruch bezüglich seiner seinerzeitigen Fehlzahlung (Zahlung ohne schuldbefreiende Wirkung) zugebilligt werden.

Ob und inwiefern der Beklagte der "V." etwa wegen der seinerzeitigen Fehlzahlung Schadenersatz zu leisten hat, kann unerörtert bleiben, weil im vorliegenden Prozeß von ihm nur Vertragserfüllung bezüglich des noch offenen Kaufpreisteilbetrages gefordert wurde. Ob die Verrechnung des der "V." von der Länderbank gutgeschriebenen Betrages mit der Forderung, die sie gegen ihn hatte, vom Masseverwalter angefochten werden kann, ist ebenfalls nicht Gegenstand dieses Prozesses.

Zu prüfen bleibt also nur, ob die zwischen der Länderbank und ihren beiden Kunden seinerzeit bestehenden Rechtsbeziehungen besondere Regelungen enthielten oder ob diese nur nach den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen", allenfalls nach welcher Fassung derselben, zu beurteilen sind. Zu diesem Zweck ist die Rechtssache nochmals an die I. Instanz zurückzuverweisen (§ 510 ZPO.).

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