Normen
Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §158
Außerstreitgesetz §174
Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §158
Außerstreitgesetz §174
Spruch:
Die Einantwortungsurkunde muß auch dem Nacherben zugestellt werden. Er kann dagegen Rekurs erheben.
Entscheidung vom 25. Oktober 1961, 1 Ob 434/61.
I. Instanz: Bezirksgericht Zell am See; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Die am 21. August 1949 verstorbene Ida N. hinterließ ein Testament, in dem sie u. a. ihre Nichte Ella P. mit einem Erbteil bedachte und für diesen Erbteil deren Kinder je zu gleichen Teilen als Nacherben einsetzte. Die Testamentserben trafen ein Erbteilungsübereinkommen.
Das Erstgericht erließ am 27. Oktober 1951 den Endbeschluß und die Einantwortungsurkunde. Eine Zustellung dieser Beschlüsse an die Nacherben erfolgte nicht. Erst auf einen vom Nacherben Gotthard P. am 20. Februar 1961 gestellten Antrag wurde diesem Nacherben der Endbeschluß vom 27. Oktober 1951 zugestellt.
Das Rekursgericht wies den Rekurs des Nacherben Gotthard P., der vorwiegend geltend machte, daß die Abhandlung ohne Errichtung eines Inventars durchgeführt wurde und daß ein Erbteilungsübereinkommen ohne Rücksicht auf das bestehende Substitutionsband geschlossen und genehmigt wurde, als unzulässig zurück. Im Zuge der Abhandlung seien verschiedene gesetzliche Bestimmungen nicht beachtet worden. Nach einheitlicher Rechtsprechung sei die rechtskräftige Einantwortung für den Bereich des Außerstreitrechtes unabänderlich, so daß durch die Rechtskraft der Einantwortungsurkunde auch Mängel des Verfahrens geheilt würden, sofern sie nicht absolute Nichtigkeit begrundeten.
Die am 27. Oktober 1951 erlassene Einantwortungsurkunde sei in Rechtskraft erwachsen, da sie dem Machthaber der vier Erben zugestellt worden sei, der dagegen ein Rechtsmittel nicht ergriffen habe. Die Zustellung der Einantwortungsurkunde an die Nacherben sei im Gesetz nicht vorgesehen. Der angefochtene Beschluß könne also nicht mehr bekämpft werden. Der Rekurs sei unzulässig. Er erfordere keine meritorische Erledigung und sei zurückzuweisen gewesen. Wollte man den Standpunkt einnehmen, daß den Nacherben die Einantwortungsurkunde gemäß § 9 AußStrG. zuzustellen gewesen wäre, so wäre der Rekurs verfrüht, weil erst eine Aufhebung, der Einantwortungsurkunde vorauszugehen hätte, die im Wege eines Rechtsmittels zu erreichen wäre.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekurs des Nacherben Gotthard P. gegen diesen Zurückweisungsbeschluß Folge, hob diesen Beschluß auf und trug dem Rekursgericht auf, über den Rekurs des Gotthard P. sachlich zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie das Rekursgericht richtig ausführt, kann eine formell in Rechtskraft erwachsene Einantwortung durch spätere Rechtsmittel auch bei vorhandener Nichtigkeit nicht mehr behoben werden; die rechtskräftige Einantwortung ist für den Bereich des Außerstreitrechtes unabänderlich (JBl. 1947 S. 21, SZ. XXV 190, SZ. XXV 293, Weiß in Klang 2. Aufl. III 1050). Der Oberste Gerichtshof kann jedoch der Rechtsansicht des Rekursgerichtes nicht beipflichten, daß die Endverfügungen des Erstgerichtes im vorliegenden Fall rechtskräftig geworden sind, weil diese Verfügungen dem Nacherben nicht zuzustellen seien und dieser dagegen kein Rekursrecht habe. Auch der Nacherbe ist Erbe des Testators (nicht des Vorerben). Er muß von der letztwilligen Anordnung Nachricht erhalten (§ 158 Abs. 2 AußStrG.).
Der Richter hat von Amts wegen ein Inventar aufzunehmen, wenn der Erblasser dem Erben die Verbindlichkeit auferlegt hat, die Erbschaft oder einen verhältnismäßigen Teil derselben dritten Personen zu hinterlassen (§ 92 Abs. 2 Z. 3 AußStrG.); die Nacherben sind zur Vornahme der Inventur beizuziehen (§ 95 Abs. 2 AußStrG.), die Einantwortungsurkunde hat die Eigentumsbeschränkung des Vorerben und den bekannten Nacherben namentlich zu bezeichnen (§ 174 Abs. 2 Z. 3 AußStrG.); die Nacherbenrechte müssen in die öffentlichen Bücher eingetragen werden (§ 158 Abs. 1 AußStrG.). Der Nacherbe ist daher im Verlassenschaftsverfahren nach dem Erblasser in mehrfacher Hinsicht als Beteiligter anzusehen (SZ. XVI 201, JBl. 1952 S. 65; Weiß a. a. O. 424); er hat auch ein erhebliches rechtliches Interesse, wenn er schon nicht früher dem Verfahren beigezogen wurde, den Inhalt der Endverfügungen und der Einantwortungsurkunde zu kennen, um deren Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen zu können. Das Abhandlungsverfahren hat vorwiegend den Zweck, künftige Erbstreitigkeiten zu vermeiden. Wäre die Rechtsansicht des Rekursgerichtes richtig, so wäre der dem Verfahren nicht beigezogene Nacherbe immer auf die Erbschaftsklage angewiesen (SZ. XXIV 86, SZ. XXIV 234, SZ. XXV 293; Weiß a. a. O. 426). Daraus folgt, daß dem Nacherben der Endbeschluß und die Einantwortungsurkunde zuzustellen sind und daß er das Recht des Rekurses gegen diese Entscheidungen des Abhandlungsgerichtes hat (SZ. XXIV 86; Weiß a. a. O. 426).
Im vorliegenden Fall wurde dem Rekurswerber auf seinen Antrag zwar der Endbeschluß des Abhandlungsgerichtes, nicht aber die Einantwortungsurkunde zugestellt. Die Einantwortung ist nach dem Gesagten noch nicht rechtskräftig, weil der Rekurswerber die Möglichkeit hat, dagegen nach Zustellung ein Rechtsmittel zu erheben. Ist aber die Einantwortungsurkunde formell noch nicht in Rechtskraft erwachsen, so können auch nicht die für den Fall der Rechtskraft vorgesehenen Rechtsfolgen eingetreten sein. Auch läßt sich der Standpunkt des Rekursgerichtes nicht halten, daß der Rekurs des Nacherben im vorliegenden Fall verfrüht sei. Wurde dem Rekurswerber bisher nur dieser eine Beschluß des Abhandlungsgerichtes zugestellt, so konnte er auch nur gegen diesen Beschluß ein Rechtsmittel ergreifen. Wollte er damit zuwarten, bis ihm auch die Einantwortungsurkunde zugestellt ist, so wäre sein Rekurs gegen die Endverfügung des Abhandlungsgerichtes jedenfalls verspätet.
Nach diesen Überlegungen war die Zurückweisung des Rekurses des Nacherben Gotthard P. als unzulässig nicht begrundet. Das Rekursgericht wird über diesen Rekurs sachlich zu entscheiden haben. Dabei bleibt es dem Rekursgericht überlassen, vorerst allenfalls dem Erstgericht die Zustellung der Einantwortungsurkunde an den Rekurswerber aufzutragen, damit diesem die Möglichkeit gegeben ist, auch gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes ein Rechtsmittel zu ergreifen, und nach Einlangen eines solchen Rechtsmittels über beide Rekurse gemeinsam zu entscheiden.
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