Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Die Mutter ist seit 1. 1. 1998 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.650 je Kind verpflichtet (ON 23). Sie hatte sich mit der Zahlung dieses Betrags einverstanden erklärt und die Ausführungen des Unterhaltssachwalters in dessen Unterhaltsfestsetzungsantrag (ON 18) "zur Kenntnis genommen" (ON 22). Demnach erfolgte die Unterhaltsbemessung unter Anwendung des Anspannungsgrundsatzes, weil der Unterhaltssachwalter vorgebracht hatte, die Mutter könnte unter Einsatz ihrer Kräfte ein monatliches Nettoeinkommen von etwa S 11.000 erzielen (ON 18).
Mit Beschlüssen des Erstgerichts vom 1. 10. 1998 wurden den Kindern für die Zeit vom 1. 7. 1998 bis 30. 6. 2001 Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe gewährt.
Das Erstgericht stellte die den beiden Minderjährigen gewährten Unterhaltsvorschüsse mit 1. 11. 1998 ein, weil die Mutter ab dem 31. 10. 1998 nur über ein monatliches Einkommen von etwa S 5.490 (Wochengeld von täglich S 183,24) verfüge.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Die Voraussetzungen für eine Anspannung der Unterhaltsschuldnerin seien nicht gegeben. Die Anspannung dürfe nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern müsse immer auf der hypothetischen Feststellung darüber beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige unter Berücksichtigung seiner körperlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre. Da sich die Mutter seit 31. 10. 1998 "in Wochenhilfe" befinde, könne nicht davon ausgegangen werden, sie wäre in der Lage gewesen, ein höheres Einkommen als das vom Erstgericht festgestellte Wochengeld zu beziehen. Da sie derzeit auch für einen Säugling zu sorgen habe, sei sie wirtschaftlich nicht in der Lage, für ihre beiden anderen Kinder Unterhaltsleistungen zu erbringen, weshalb das Erstgericht "zutreffend wegen begründeter Bedenken im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 UVG die Vorschüsse eingestellt" habe.
Der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurswerber macht geltend, die Mutter gehe seit Jahren keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nach und ihre Leistungsfähigkeit habe durch die Schwangerschaft bzw Entbindung keine Einschränkung erfahren. Für den Zeitraum des Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz hätte die Mutter - wäre sie davor einer Beschäftigung nachgegangen - entsprechend höheres Wochengeld beziehen und damit ihrer Unterhaltspflicht im bisherigen Rahmen nachkommen können. Danach sei ihr die Annahme einer Beschäftigung im Sinne des Anspannungsgrundsatzes wieder zumutbar, denn der Vater des dritten Kindes sei zur Betreuungstätigkeit verpflichtet und die Mutter müsse ihr Kleinkind in einer "Betreuungseinrichtung" unterbringen. Für den Fall, dass ihr die Annahme einer Beschäftigung nach dem Ende der Mutterschutzfrist nicht zugemutet werden könne, wären zumindest Unterhaltsvorschüsse in der Höhe der Familienzuschläge berechtigt.
Hiezu ist auszuführen:
Gemäß § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG iVm § 7 Abs 1 UVG sind Unterhaltsvorschüsse auch von Amts wegen einzustellen, wenn begründete Bedenken bestehen, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist.
Nach dem Akteninhalt geht die Mutter seit Jahren keiner Beschäftigung nach; der gegen sie erwirkte Unterhaltstitel beruht auf der Anspannung ihrer Leistungsfähigkeit, wobei der Bemessung ein erzielbares Nettoeinkommen von monatlich etwa S 11.000 zugrunde gelegt wurde.
Mit Rücksicht auf die Geburt eines weiteren Kindes bestünde eine Unterhaltspflicht der Mutter (als Voraussetzung für die Weitergewährung des Unterhaltsvorschusses) derzeit nur unter der Voraussetzung weiter, dass ihr eine (Teilzeit-)Beschäftigung möglich und zumutbar wäre, wobei die Betreuungspflichten für ihr drittes Kind zu berücksichtigen sind (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 258 mwN).
Für den Zeitraum des Beschäftigungsverbots nach der Geburt ihres dritten Kindes (§§ 4a, 5 MSchG) - dessen Dauer mangels entsprechender schon amtswegig vorzunehmender und deshalb nachzuholender Erhebungen durch das Erstgericht noch nicht präzise genug feststeht - kommt eine Anspannung zwar nicht deshalb in Betracht, weil die Mutter keiner Beschäftigung nachging, wohl aber deswegen, weil sie Anspruch auf Fortbezug des Arbeitsentgelts hätte, wäre sie davor - ihrer Unterhaltspflicht entsprechend - einer Arbeit nachgegangen. Unterlässt die unterhaltspflichtige Mutter eine zumutbare Beschäftigung und hindert sie dadurch die Fortzahlung des Entgelts für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach dem MSchG, so ist eine Anspannung bis zur Höhe des Wochengeldes möglich (ÖA 1998, 126; ÖA 1997, 90). Für den Zeitraum des Beschäftigungsverbots nach den §§ 4a, 5 MSchG wird daher der Unterhaltsvorschuss nicht einzustellen sein. Den Entscheidungen der Vorinstanzen sind jedoch keine Feststellungen zu entnehmen, die eine Festlegung der Dauer des tatsächlichen Beschäftigungsverbots zulassen, sodass sich eine Ergänzung des Verfahrens als erforderlich erweist.
Für die Zeit nach Beendigung der Schutzfrist nach dem MSchG wäre der Mutter eine berufliche Tätigkeit als Voraussetzung für die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes dann zumutbar, wenn die Versorgung des dritten Kindes sichergestellt sein sollte (ÖA 1997, 90). Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen reichen jedoch zur endgültigen Beurteilung nicht aus, sondern es bedarf noch weiterer Erhebungen, insbesondere zur Klärung der Frage, ob der Vater des dritten Kindes in der Lage wäre, Haushalt und Kind zu versorgen. Entsprechende Erhebungen wurden entgegen § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG nicht gepflogen. Diese Umstände sind für die Beurteilung der Frage, inwieweit die Versorgung des neugeborenen Kindes durch den Vater sichergestellt wäre und der Mutter damit eine berufliche Tätigkeit ermöglicht sein könnte - gegebenenfalls auch, in welchem Umfang - bedeutsam, weil damit erst die Voraussetzungen für eine Anspannung der Mutter geschaffen würden (ÖA 1997, 90).
Für den Fall, dass der Mutter eine Beschäftigung nicht zumutbar sein sollte, wäre eine Anspannung bis zur Höhe des Karenzurlaubsgelds möglich, weil die Mutter Anspruch auf Bezug von Karenzurlaubsgeld hätte, wenn sie vor Beginn der Mutterschutzfrist - ihrer Pflicht entsprechend - einer Arbeit nachgegangen wäre (ÖA 1998, 126).
Die Ausführungen des Rekursgerichts bieten keinen Anlass, von der zuvor zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abzugehen. Es wird nicht etwa auf "früheste Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen" zurückgegriffen, sondern lediglich der Unterhaltstitel, der auf Grund des Anspannungsgrundsatzes geschaffen wurde, der Entscheidung über die Weitergewährung eines Unterhaltsvorschusses zugrunde gelegt.
Da derzeit nicht verlässlich beurteilt werden kann, ob und inwieweit eine der Einstellung des Unterhaltsvorschusses entgegenstehende Unterhaltspflicht der Mutter gegeben ist, sind die Beschlüsse der Vorinstanzen in Stattgebung des Revisionsrekurses aufzuheben und ist dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
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